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Radtour auf der Krim und nach Donezk

Markus Müller (Sommer 1998)

Über eine Radreise möchte ich hier euch was erzählen. In der FREI ATMEN Ausgabe 2/98 habe ich bereits von meinen Erlebnissen und Versuchen, in Donezk, der ukrainischen Partnerstadt Bochums, jemanden der Rad fährt bzw. jemanden mit Radreisefieber zu finden berichtet. Hier nun ist die Fortsetzung dazu.

Als ich es im Mai 1998 es eigentlich schon aufgegeben hatte, Kontakt zu Dima, dem Sohn eines mir bekannten Donezker Germanistikdozenten, zu bekommen, erhielt ich Post von ihm.

Er kündigte mir in dem Brief an, daß er im Juni 1998 nach Deutschland kommen würde, um an einer Fortbildung in Emden teilzunehmen. Für ein Wochenende lud ich ihn also zu mir nach Hause ein, wo wir u.a. unsere gemeinsame Radreise im August 1998 auf der Krim planten und wir (Sibylle Weber war auch noch mit von der Partie) uns über alles mögliche zum Thema Fahrrad hier wie dort unterhielten. Zufällig ergab es sich gerade daß mal wieder die, vom ADFC Bochum mitorganisierte, Tour de Natur vom City Point stattfand, wo er dann auch als weitest angereister Teilnehmer gekürt wurde. So eine Veranstaltung war für ihn völlig neu gewesen - soviele Leute auf dem Rad und das nur so zum Spaß!

Als Reisetermin haben wir uns die Zeit zwischen dem 1998-08-08 und dem 1998-08-30 ausgesucht. Innerhalb von vier Wochen habe ich mir dann alles selber organisiert, angefangen beim Flug von Frankfurt/Main nach Simferopol/Krim und zurück, das Visum (130 DM!), die Bahnfahrt von Bochum nach Frankfurt und wieder von dort nach hier (Deutsche Bahn - Abenteuer Zukunft?!?) sowie die vielen anderen Kleinigkeiten die es galt zu erledigen, wie z.B. Rad und Ausrüstung durchzuchecken bzw. zusammenzustellen.

Am meisten Sorge machte mir mein Visum, da ich keine Einladung, eines Einheimischen hatte, mißlang der erste Versuch. Bei einem Gespräch mit dem ukrainischen Konsulat in Remagen (in englischer Sprache) bekam ich den Tip, wenn ich das Visum über ein Düsseldorfer Reisebüro beantragen würde gäbe es keine weiteren Probleme. Gesagt - Getan 14 Tage später hatte ich die begehrten Stempel in meinen Reisepaß! In dieser Zeit hatte ich dann noch 2-3 Mal mit Dima, der inzwischen nach Wien weitergereist war, telefoniert und dabei alles weitere mit ihm abgesprochen, doch 4 Tage vor meiner Abreise erfuhr ich dann, von seinem Vater, daß er schon wieder auf Dienstreise quer durch die Ukraine wär und somit wohl den ganzen August nicht da wär. Dies war, nach alledem eine ziemliche Enttäuschung für mich und da ich nun nicht den Flug stornieren wollte, startete ich ganz alleine, ins Ungewisse!!!

Die Bahnfahrt wie auch der Flug verliefen, wider Erwarten, problemlos (Rad - Transport), doch bevor ich nun letztendlich mit dem Rad losfahren konnte mußte ich noch die ukrainischen Einreiseformalitäten über mich ergehen lassen (Der Bürokratismus wurde mit Sicherheit im Osten und nicht in Deutschland erfunden).

Nach "nur" 2.5 Stunden konnte ich endlich, bei super Sommerwetter mit ca. 35°C losfahren. Das allgemeine Vorurteil daß es im Osten nur schlechte Straßen gibt, stimmt, wie mir vorher schon bekannt war, so nicht, die Straßen speziell auf der Krim sind mit die besten in der Ukraine (wg. des Tourismus), zum Teil gibt es hier, in Bochum, schon schlechtere Straßen, aber es gibt auch Ausnahmen... z.B. fehlende Kanaldeckel, Spurrillen und Schlaglöcher. Nachdem ich durch die Hauptstadt der Krim, Simferopol, durchgefahren bin, habe ich mir, wie noch desöfteren auf der Tour, ein paar hundert Meter abseits der Landstraße im Gebüsch ein nettes Plätzchen für mein Zelt gesucht. (Ganz wohl war mir dabei auch nicht immer!) Da es bereits um 20:00 Uhr dunkel war, war frühes zu Bett gehen an der Regel. Was der erste richtige Tag mir denn so alles bringen würde konnte ich ja nicht einmal im Traum ahnen. Die gut ausgebaute Straße führte mich nach 35 km, durch eine anfangs noch leicht hügelige Landschaft die, aufgrund des trockenen Klimas, der Landschaft in manchen Mittelmeerländern ähnelte: karg, steppenhaftig, heiß aber sehr viel intensive Landwirtschaft. Die Straße führt mich in den in allen Reiseführern beschriebenen Ort Bachtschissaraij. Dort im Zentrum gibt es eine sehr gut erhaltene mittelalterliche osmanische Palastanlage, die ich besichtigte. Als ich wieder aus dem Palast heraus trat, sah ich doch glatt mehrere Fahrräder mit Gepäck und dann auch deren Fahrer mit denen ich auch sofort ins Gespräch kam (zuerst nur auf Russisch). Wie sich herausstellte waren sie zu fünft auch den ersten Tag unterwegs auf Radurlaub und dazu stammten sie noch aus Russland (aus Orel, ca.400.000 Einwohner, 400 km südlich von Moskau), was unser gegenseitiges Interesse nur noch förderte! Die Gruppe bestand aus 5 nicht miteinander verwandten Freunden: Stas, ein 14 jähriger Schüler (er spricht Gott sei Dank gutes Englisch); Tanja, eine ca. 30 jährige Kommunikationstechnikingeniurin; Sascha, ein Programmierer bei Gazprom; Sergeij, einem Hundefriseur (!!!) und dem Doc, ein Psychiater von ca. 40 Jahren. Schon nach nur 2 Stunden stand fest, da auch Sie keine genaue Etappenplanung hatten, daß wir gemeinsam weiterfahren werden. Aber ersteinmal war Siesta angesagt, mit Wassermelone, Eis, Gebäck und einiges mehr ließ es sich, im Schatten des Palastes, unter den merkwürdigsten Blicken anderer Normaltouristen aus dem Osten aushalten. Nach einer kleinen Reparatur an einem der Räder. (Alle außer Sascha fuhren einfachste russische, zu Reiserädern umgebaute, Rennräder. Er fuhr ein gutes Kaufhaus MTB.) Alle hatten sie eine sehr gute Kondition, da alle u.a. aus ökologischem Gedanken heraus Fahrrad fuhren. Am spätem Nachmittag erreichten wir die Westküste (das Schwarze Meer) ca. 15 km nördlich von Sewastopol. In dem kleinen Küstenort kauften wir ersteinmal was zum Essen ein, die Märkte in der Ukraine erinnern mich und viele andere Leute aus der Westlichen Hemisphäre eher an einen Flohmarkt, die meisten Dinge des täglichen Bedarfs gibt es dort nicht im Laden, sondern sie werden an der Straße verkauft. Der Strand erinnerte mich gleich an Mallorca, dort kann es auch nicht anders aussehen: Massig Leute, zum Teil mit Hund, Auto und Lagerfeuer ließen sich in der Sonne bräunen. Abends waren dann jedoch nur noch wenige unterwegs, so daß wir uns eine Ecke aussuchen konnten. Nach dem heißen Tag erstmal ein Bad im Meer, dann ein gutes Abendessen, frisch auf dem Feuer gekocht dazu schwarzen Tee mit viel Zucker!

Da es bereits um 7:00 Uhr am Morgen schön warm war, haben wir alle jeden Morgen uns zum Schwimmen und Waschen ins Meer begeben (ein einziges Mal gab es eine Dusche am Strand, ansonsten gab es nur Meerwasser zum Waschen!).

Toiletten waren natürlich auch nicht vorhanden, so daß die Büsche rechts und links für das Geschäft herhalten mußten, und wenn dies viele Menschen tun... dann kann sich jeder seinen Teil dazu denken! Aber als Radreisender in der Ukraine muß man schließlich schon ein paar Abstriche machen! Nach dem Frühstück mit heißer Suppe, Brot, Gurken, Tomaten und Paprika ging es gut gestärkt los. Am Abend hatten wir uns eine grobe Tourenplanung erstellt, die uns in 5 Tagen, entlang der Südküste, nach Feodosija bringen sollte. Zuerst radelten wir in die Stadt Sewastopol, in der die Russische Schwarzmeerflotte beheimatet ist, dort schloß sich uns nach einer Besichtigung des Aquariums noch Anton an. Er, ein Business-Man und eingefleischter (Marin-MTB-)Radler aus Moskau war jetzt für 3 Tage die Nummer 7 im Bunde. Daß Leute, während wir vorüberfuhren vor Schreck stolperten oder fast in den Graben fuhren war dann auch nichts ungewöhnliches mehr. Da Anton etwas chaotisch veranlagt war, war er fast ständig auf der Suche nach irgendwas, worüber wir uns nur amüsieren konnten. Ab Sewastopol ging es auch in die Bergkette, die sich entlang der ganzen Südküste mit bis zu 1500 m hoch befand. Die schwerbewaffneten Kontrollposten der DAI (die berüchtigte ukrainischen Verkehrspolizei) konnten wir immer unbehelligt passieren, da sie sich nur für die motorisierten Verkehrsteilnehmer interessierten. Bei Foros konnte man von weitem die riesige "Datscha" von Gorbatschow sehen, in der er beim Putsch im August 1991 "gefangen gehalten" wurde und wo jetzt Jelzin und Kutschma (der ukrainische Präsident) sich erholen. Dort häuften sich auch die Polizeikontrollen. So erlebten wir ein paar sehr schöne gemeinsame aber auch sehr anstrengende Tage (Temperaturen von 30-45°C und bis zu 10 km lange, teils 20% Anstiege). Nachdem wir Orte wie Jalta, Sudak, Hurzuf, Artek, Alupka, Aluschta durchfahren haben, war es nun in Feodosija, Zeit Abschied zu sagen. Bei einer abendlichen Unterhaltung stellten der Doc und ich fest, das sein nächster Urlaub, Sommer 1999, ihn nach Russisch-Karelien führen soll! Und da dies auch noch einer meiner Träume ist, werde ich vielleicht mit ihm (und eventuell noch anderen von hier und dort) diese Gegend erkunden.

Von Feodosija aus hatte ich geplant in 6 Tagen weiter nach Donezk zu radeln, trotz aller Skepsis meiner russischen Freunde, wollte ich dies alleine wagen. Auf meiner guten Krimkarte konnte ich einen ca. 150 km langen, flachen und bis zu 4 km breiten Landstreifen, namens Arabatskat Strillka ausmachen. Auf was ich mich da eingelassen hatte ahnte ich jedoch nicht. Im letzten Dorf vorher erfuhr ich das es auf diesem, am Asowschen Meer gelegenem, Stück weder Wasser noch Lebensmittel geschweige denn eine Straße, die dazu noch mit dem Rad befahrbar wäre, gibt.

Entsprechend viel Wasser (9 Liter!) und Lebensmittel kaufte ich dann noch ein und begab mich sodann in die angebliche neue Heimat der Krimtataren. Zuerst gab es gute Schotterpiste auf den ersten 6 km was mich noch nicht zu schocken vermochte, doch danach kamen ca. 140 km waschbrettartige Piste mit teilweise bis zu 10 cm tiefem Sand, wo dann kein richtiges Fahren mehr möglich war sondern nur ein sehr anstrengendes Schieben. Die Vegetation ähnelte der am Wattenmeer; nur flaches Buschwerk und Brackwasserwiesen und nur sehr wenigen Bäumen (der erste Baum kam nach 80 km!) Nach einer Nacht im Zelt, direkt am Strand kam ich dann nach 75 km wieder in ein Dorf, wo ich zum ersten Mal, auf meiner Tour, auf einem offiziellen Campingplatz (immerhin mit Plumpsklo und fließendem Wasser) übernachtete und das sogar kostenlos.

Am nächsten Morgen hoffte ich, wie auf der Karte zu lesen war, wieder echte, asphaltierte, Straße zu erreichen. Doch zu früh gefreut: Es kamen noch 10 km heftigste, mit bis zu 20 cm tiefen Sand wüstenartige Pisten!

Danach kam wieder zum Teil sehr stark befahrene Landstraße mit nicht gerade abwechslungsreichen Landschaften die mich 400 km quer durch den Südosten der Ukraine in den Donbass führten. Dieses Gebiet ähnelt quasi dem Ruhrgebiet vor rund 30 Jahren, mit denselben strukturpolitischen und wirtschaftlichen Problemen. Im Zentrum liegt die Stadt Donezk, die ich am 20. August, nach einer Etappenlänge von 186 km, erreichte. Dort konnte ich mich sechs Tage bei Vicky, einer guten Bekannten, erholen und ein paar andere Freunde wiedertreffen sowie noch einige Sachen für meinen zweiten Besuch in Donezk im Herbst 1998 organisieren. So hatte ich auch die seltene Gelegenheit eine der acht Radiostationen Donezks zu besuchen. Um wieder zurück nach Simferopol zu kommen nahm ich den Nachtzug. Während der 13 stündigen Fahrt (für nur 600 km) befand sich mein Rad, allerdings erst nach einer längeren Diskussion mit der Schaffnerin, an einen absolut ungewöhnlichen Platz: Auf einer von zwei Toiletten im Wagen war es sicher untergebracht.

Noch in Bochum hatte ich in der Radwelt in einer kleinen Anzeige gelesen, daß der ADFC Karlsruhe ebenfalls eine Radtour auf der Krim veranstalten wollte. Dort hatten sich, zufällig, zwei ADFC-ler aus Marl (Schorsch) bzw. Essen (Irmgard) angemeldet, die wiederum auch Bochumer ADFC Leuten nicht unbekannt sind. Aus umweltpolitischen Gedanken heraus erfolgte die An- und Abreise dieser Gruppe per Bahn, d.h. pro Strecke 4 Tage Bahn fahren!!! Die sechsköpfige Gruppe wurde von 2 Ukrainern begleitet, die sich um alles (Verpflegung / Unterkunft etc.) kümmerte. Und da ich, bis zu meinen Rückflug noch 2 Tage Zeit hatte, fuhr ich noch mit Ihnen mit. Die Verpflegung war leider nicht so abwechslungsreich wie auf meinen ersten Teil der Tour oder wie in Donezk, wo Vicky und ihre Oma absolut super kochten.

Aber trotzdem hatten wir, in der kurzen Zeit viel Spaß miteinander und hätte ich noch mehr Urlaub gehabt, ich wär noch mit Ihnen, die Berge der Krim, rauf und wieder heruntergefahren!

Nach den 3 Wochen in der Ukraine (z. T. in der allertiefsten Pampa) kann ich nur positives berichten und das ich für das nächstes Jahr sogar eine Radreise in Russland plane (hierfür suche ich noch interessierte MitradlerInnen). Außerdem bin ich gerne bereit weitere Infos zu geben.