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~Transalp~

Radltour von Oberstdorf zum Gardasee

Monika Güttler, gefahren Freitag 2001-07-27 bis Mittwoch 2001-08-15

Freitag, 2001-07-27

Freitag früh - wie immer geht es in den letzten paar Stunden vor der Abfahrt recht turbulent zu. Bis alles gepackt ist... - haben wir auch nichts vergessen - und auch nicht zu viel dabei?! Den Rucksack auf dem Rücken kommen wir trotzdem pünktlich mit unseren Rädern am Bahnhof an. Mein Rucksack wiegt 9 kg! Dort ist alles drinnen, was ich für eine einwöchige Alpenüberquerung mit dem Fahrrad benötige. Um 10.47 Uhr soll der Zug fahren, hat aber fünf Minuten Verspätung. Da an diesem herrlichen Sommertag noch andere Radler (Tagesausflügler mit ihren Tourenrädern) mit dem Zug unterwegs sind, ist das Radabteil schnell voll. Der Schaffner ist nicht gerade der Netteste. Fast bekommt man ein schlechtes Gewissen, daß man das Radabteil als solches auch nutzen will. Wir fahren mit dem Bayernticket, und zahlen für die Fahrt nach Oberstdorf zu zweit 52,00 DM. Dafür müssen wir aber auch dreimal umsteigen. Zweimal muß es sehr schnell gehen, was heißt, Räder schultern und im Laufschritt durch die Menschenmenge schlängeln, treppab und treppauf - hier gehören wir noch zu einer Minderheit. In Ulm haben wir eine dreiviertel Stunde Aufenthalt. Es wird aber trotzdem hektisch, als wir bemerken, daß die vielen sorgsam besorgten und zurechtgelegten Müsliriegel (eine wichtige Nahrungsergänzung - vor allen Dingen für die anstrengenden Anstiege), daß also diese "lebensnotwendigen" Müsliriegel zuhause in der Küche liegen. Sicher kein großes Problem, in Ulm gibt's bestimmt auch Müsliriegel. Eine freundliche Angestellte am Bahnhof weist uns den Weg zum nächstgelegenen Aldi. Wir schwingen uns auf die Räder und preschen durch das Menschengewimmel über Straßen und Plätze. Gute Pfadfinder, die wir sind, finden wir auch gleich besagtes Geschäft und holen uns einen Sack voll Riegel. So, die wichtigen Ballaststoffe sind gesichert. Am Ulmer Bahnhof flirte ich noch schnell (oder er mit mir ...?) mit einem netten (gutaussehenden!) Polizisten, der das bei einem gemeinsamen Kaffeetrinken wohl auch gerne fortgesetzt hätte. Aber ich wimmle ihn galant ab, mit einem Hinweis auf seine dienstlichen Verpflichtungen und trinke den Kaffee lieber mit Ro zusammen.

Als wir die letzte Etappe der Zugfahrt antreten, ist es inzwischen ziemlich heiß geworden. Zwar habe ich fast nichts mehr an, aber selbst das bißchen Top und das bißchen Hose sind bei den Temperaturen noch zu viel. Ein heißer Sommertag in der Bahn - na klasse. Ich freue mich schon auf die kommenden Tage, die wir fast ausschließlich im Freien verbringen werden.

Um 16.45 Uhr kommen wir in O. an und fahren als erstes in das Radgeschäft "Heckmaier". Das ist der Autor des Buches "Transalp", das auch unsere Route beschreibt. Bei meinem Rad stimmt etwas mit der Schaltung nicht. Obwohl wir die Räder erst zwei Tage beim Checkup hatten und über 300,00 DM gezahlt haben. Wie sich herausstellt ist gerade das der Grund für den Mängel. Denn die neue Kette paßt jetzt nicht mehr optimal auf das alte, schon etwas abgenutzte Ritzel. Na ja, so tragisch ist das nicht, die Alpenüberquerung ist deshalb nicht gefährdet.

Anschließend fahren wir zur Pension "Kaiserswerth", die Ro bereits im Voraus gebucht hat. Ein schönes Haus am ruhigeren Ortsrand, ein nettes Zimmer, eine freundliche Wirtin, 74,00 DM! Nach einer erfrischenden Dusche gehen wir zu Fuß in den Ort (das Fahrrad hat heute noch mal Pause!) und essen in der "Sennküche" ein leckeres Menü. Es ist ein herrlich warmer Sommerabend, den wir bei einem ausgedehnten Verdauungsspaziergang in der näheren Umgebung genießen.

Ro will seine Tochter auf ihrem Handy anrufen, was aber leider nicht klappt. Sie ist zur Zeit unterwegs Richtung "Gardasee", und er wollte sie bitten, daß sie mal nach dem Auto sieht, das ja in "Arco" steht. Vergangenen Mittwoch fuhr Ro das Auto nach "Arco", damit wir mobil sind, wenn wir mit den Rädern am See ankommen. Ein gewisses Risiko ist das ja schon, das Auto zehn Tage unbeaufsichtigt in "Arco" stehen zu lassen. Aber wir brauchen es, da wir anschließend ja noch in die Brenta wollen.

Samstag, 2001-07-28

Bereits um 6.30 Uhr sitzen wir in der "Guten Stube" und verspeisen ein leckeres Frühstück mit guten Brötchen, Käse, Schinken, Marmelade und Kaffee mit Milch. Für Unterwegs richten wir uns noch ein paar Brötchen und dann kann's los gehen, Richtung "Schrofenpaß" Schnell rufe ich noch zu Hause an. Ich glaube, ich habe Mama aus dem Bett geholt! Das Wetter ist hervorragend, obwohl es so früh am Tag noch recht frisch ist. Aber es wird schnell immer wärmer, auch deswegen, weil wir schon bald recht kräftig in die Pedale treten müssen um die immer steiler werdenden Straßen zu bewältigen. Kurz vor der nicht bewirtschafteten "Speicherhütte" aber, wird der Weg so steil, daß wir absteigen und schieben müssen. Vor allen Dingen der 9-kg-schwere Rucksack zieht ganz schön nach unten. Wir treffen viele Radler, aber nur Wenige sitzen hier noch im Sattel. Obwohl keiner soviel Gepäck auf dem Rücken zu tragen scheint wie wir. Bis jetzt fahren wir nur auf einer Asphaltstraße. Ab der Hütte steigt ein schmaler, steiniger Wanderpfad nach oben Richtung "Schrofenpaß". 100 Meter fahren wir noch, dann müssen wir wieder absteigen und unsere Räder über den holprigen Weg schieben. Mühsam kämpfen wir uns langsam nach oben, schubsen, zerren, heben und schieben die Räder über steiniges Schrofengelände (nomen est omen!). Bis zum Paß gilt es einige "kitzlige" Passagen zu überwinden. Stellenweise muß Ro zweimal gehen, da der Weg so schmal, so schottrig und ausgesetzt ist, daß man das Rad da nur hinübertragen kann. Und das bringe ich nun wirklich nicht fertig. Es kostet mich schon große Überwindung diese ungesicherten Stellen überhaupt zu passieren. Da könnte ich nicht noch ein Rad auf die ohnehin schon durch den Rucksack beladenen Schultern mit hinüber nehmen. Links fällt ein steiles Geröllfeld ins tief unten liegende Tal ab, der Pfad selber ist entweder total schmal, oder gar nicht vorhanden. Diese spektakuläre Trasse in nahezu senkrechtem Fels war früher ein Säumerpfad zwischen dem Allgäu und dem Lechtal, bis sie am Ende des Zweiten Weltkriegs von der SS gesprengt wurde, damit die anrückenden Alliierten sie nicht nutzen konnten. Seither ist der ausgesetzte Trail so schmal, daß man sein Bike auf der linken Seite schultern muß, sonst hätte man nicht genug Platz zum Gehen und würde Gefahr laufen, den Steilhang runter zu rutschen. Ich sitze also da, während Ro sein Rad an sicherer Stelle positioniert, zurückkommt, um dann mein Rad rüber zu schaffen. Ich werde schon etwas mutlos, weil natürlich alle folgenden Radler, die an mir vorbeikommen, ihr Rad selber rüber bringen. Allesamt junge Kerle, und nicht wenige. Aber wenn ich jetzt, am Anfang schon so schwächel, komme ich doch nie über die Alpen ...!? Ich bin ganz traurig, und denke, dieses Unternehmen war wohl doch eine Nummer zu groß für mich ...!? Die Jungs sind sehr freundlich, verständnisvoll und auch hilfsbereit. Keiner lächelt verächtlich über mich, im Gegenteil erfahre ich sogar Bewunderung. Die Welt der Bergfreunde und Radler ist eben eine absolut kameradschaftliche. Zum Glück sind diese ausgesetzten Stellen bald überwunden, und ich kann mein Rad wieder selber schieben oder tragen. Kurz oberhalb von "Lechleiten" können wir uns wieder auf den Sattel schwingen, und ab geht's in rasender Geschwindigkeit auf der Straße hinab ins Tal. Doch die angenehme Abfahrt ist tückisch. Auf der anderen Seite nämlich wartet natürlich schon wieder ein schweißtreibender Ansteig, hinauf nach "Warth". Ich kenne den Ort vom Ski-Fahren. Im Sommer sieht das hier aber völlig anders aus. So gegen 12.45 Uhr kommen wir dort an und machen erst mal Pause. Auch hier treffen wir wieder eine Gruppe Mountainbiker. Männer, Jungs, keine Frauen. Ich komme mir schon vor, wie ein exotisches Tierchen. Hier brennt die Sonne heiß auf uns nieder, und ich fühle mich dabei pudelwohl. Wir trinken viel und futtern haufenweise Bananen und Müsliriegel, damit uns die Kräfte nicht verlassen. Von "Warth" geht's weiter auf der Straße durch "Lech" Richtung "Freiburger Hütte", unser erstes Übernachtungsziel. Nicht steil, aber stetig bergauf zieht sich die wenig befahrene Straße und schlängelt sich kurvig durch die Berge. Aber je höher wir kommen, desto steiler wird's dann doch. Verträumt radle ich im niedrigsten Gang, mit 4 km/h, recht gemächlich durch die herrliche Landschaft, als mich plötzlich von hinten ein sportlicher, junger Radler am Rücken haltend den Berg hoch schiebt - leider nur für einen kurzen Moment! Lachend unterhalten wir uns, bis er wieder "Gas gibt" und die Steigung hinauf "wegdüst" - unglaublich!

Unterhalb der Hütte kommen wir an den wunderschönen "Formarinsee". Hier weiden Kühe überall, auch Pferde, und sogar ein einsamer Esel steht am Wegesrand. Der letzte Kilometer zur Hütte hoch ist noch mal recht knackig und anstrengend. Der Weg ist geschottert, und stellenweise sehr steil. Puh, 15.45 Uhr, ich hab's geschafft. Ro ist ja immer schon vor mir da. Er checkt das ab mit der Übernachtung, bestellt Apfelsaftschorle, Kaffee und Kuchen, während ich mich völlig entkräftet, aber total glücklich in die Sonne werfe. Es ist heiß, wir sind am ersten Etappenziel, und es geht uns gut, sau-gut!!! Kaffee und Kuchen haben wir uns jetzt echt verdient. Die Hütte ist ziemlich voll. Hier sehe ich auch die erste Frau - also die erste, die auch mit dem Mountainbike unterwegs ist. Ich denke, auf 20 Männer kommt eine Frau ...! Da Ro vorreserviert hat, können wir gleich zwei Plätze im Matratzenlager beziehen. Duschen sind zwar vorhanden, aber es kommt nur kaltes Wasser. Na, kalt duschen bringe ich dann doch nicht fertig, wasche ich mich eben mit kaltem Wasser am Waschbecken. Abends stürzen wir uns auf die "Futterkrippe" wie die Verhungernden. Ich verzehre eine große Portion Spaghetti, weil's schmeckt und wegen der notwendigen Kohlenhydrate. Weil das natürlich nicht reicht, gibt es dazu noch eine kräftige Suppe und Salat. Nach einem kurzen Verdauungsspaziergang hält es mich nicht mehr lange auf den Beinen, und ich kippe auf mein Lager und schlafe wie ein Stein.

Höhenmeter:1'600 m
Strecke:48 km.52
AVS:9.9 km/h (Durchschnittsgeschwindigkeit)
Fahrzeit:4.52 h

Sonntag, 2001-07-29

Um 6.00 Uhr und ohne Frühstück geht es wieder los, getreu dem Motto "Morgenstund' hat Gold im Mund". Hier in der Natur, in den Bergen bewahrheitet sich das auf wunderschöne Weise. Noch ist es recht frisch. Wir tragen lange Hosen und Windjacken, weil es zunächst auf einer Schotterstraße steil abwärts geht. Bald wird der Weg aber zum schmalen, unwegsamen Gelände. Wir müssen wieder schieben - tragen, heben und hieven eine Stunde und 40 Minuten. Dieser Pfad hinunter nach "Dalaas" ist für die meisten unfahrbar, nur wenige, risikofreudige Trialspezialisten, die ein vollgefedertes, hochmodernes, mit allen Raffinessen ausgestattetes Mountainbike besitzen, haben hier ihren Spaß. Für uns ist es eine anstrengende, eine schweißtreibende Angelegenheit. Dann gibt es auch noch die sogenannten "Downhill-Fahrer". Die fahren gar nicht auf den vorgegebenen Wegen, sondern stürzen sich in direkter Falllinie den Hang hinab. Na ja, jedem das seine - ich werde sicher auch ohne Selbstmordversuche ans Ziel kommen!

Um 7.45 Uhr erreichen wir "Dalaas", wo dann auch noch die letzten Klamotten "fliegen", denn jetzt müssen wir auf der anderen Seite natürlich wieder rauf. Zum Glück ist dieser Aufstieg asphaltiert, dennoch anstrengend, weil sehr steil und lang. Zumindest können wir fahren - wenn auch nur sehr, sehr langsam. Stundenlang gurke ich im Schneckentempo, bei meinen inzwischen beliebten 4 km/h. Sollte es noch weniger werden, steige ich ab, denn dann bin ich schneller gelaufen, als gefahren, obwohl schieben nicht weniger anstrengt als fahren. Die ganze Zeit über sind wir einsam und alleine im Wald. Erst ganz zum Schluß werde ich von einigen Jungs überholt, die zügig an mir vorbeiziehen. Nein, nein, ich bin nicht frustriert, nein, nein, überhaupt nicht!

Nachdem wir am "Kristbergsattel" angelangt sind, folgt eine lange, eine sehr lange, berauschende Abfahrt nach "Schruns". Mit eiserner Hand umklammere ich meine Bremshebel. Die Knöchel treten weiß hervor, und unten habe ich Mühe, meine Finger wieder geradezubiegen (quiiietsch - au!). In "Schruns" machen wir erst mal Pause und essen gierig unsere Vorräte auf. Ich könnte immerzu essen - das Radfahren kostet ganz schön Kraft. Zwischendurch schieben wir Banane und Müsliriegel im ständigen Wechsel in uns hinein. Aber der Körper braucht's offensichtlich. Wir fahren weiter nach "Gargellen", auf einer Straße und ... bergauf, was sonst. Gegen 14.00 Uhr erreichen wir den Ort. Ich bin völlig entkräftet. Stunde um Stunde, immerzu bergauf - ich hab' schon wieder Hunger. Am Ende des Ortes finden wir ein hübsches Gartenlokal und essen Gemüseteller, und anschließend noch Kaiserschmarrn - mh, lecker. Die Sonne brennt heiß. Vorsichtshalber nehme ich eine Tablette, weil ich leichte Kopfschmerzen spüre, und das kann ich jetzt wirklich nicht brauchen. Denn nun müssen wir das 2200 m hoch gelegene "Schlappiner Joch" überqueren. Das wird noch mal ein Kraftakt. Nach dem Essen dösen wir noch eine halbe Stunde in einem Sonnenstuhl. Um 15.00 Uhr fahren wir weiter, schweren Herzens zwar, denn hier im Garten ist es sehr schön und so ruhig. Zunächst steigt eine Straße steil bergan, die dann in einen Schotterweg mündet. An Kuhherden und bunt blühenden Wiesen vorbei, strampeln wir mühsam unserem Ziel entgegen. Schließlich wird der Weg wieder so steil, steinig und schmal, daß wir schieben und tragen müssen. Zwei Stunden schieben und zerren wir unsere armen Räder Richtung Joch. Auf einmal fängt es an zu regnen und zu hageln und es wird schnell kühler. Rasch ziehen wir die Rucksackhüllen und Regenjacken über. Der Anstieg ist wahnsinnig anstrengend!!! Immer wieder hebe ich das Rad auf die Schulter, bis diese schmerzt, um dann wieder zu wuchten, zu zerren und zu schieben. Die Minuten kommen mir vor wie Stunden. Immer öfter schaue ich sehnsüchtig hoch, in der Hoffnung, das Joch möge doch jetzt endlich in greifbare Nähe rücken. Aber weit über mir sehe ich nur mehrere kleine, bunte Punkte. Au weh, andere Radler, noch so weit weg ...!!! Endlich, um 18.00 Uhr sind wir oben, an der Grenze zwischen Österreich und Schweiz. Inzwischen hat es aufgehört zu regnen. Nun geht es auf der anderen Seite des Jochs wieder abwärts, allerdings in der selben Manier wie zuvor aufwärts. Wir tragen, stoßen, zerren die Räder den schmalen Wanderpfad über Stock und Stein den Hang hinab nach "Schlappin" in der Schweiz. Nach einer Stunde kommt uns ein Mountainbiker entgegen, der heute noch nach "Gargellen" rüber möchte. Der Ärmste, oder soll ich besser sagen, der Verrückte, wird in die Dunkelheit kommen. Ich werde immer langsamer, habe kaum noch Kraft, mein Rad ständig über große Steine zu heben. Ab und zu kommt Ro mir zu Hilfe, trägt und schiebt nicht nur sein, sondern auch mein Rad lange Strecken nach unten. Damit es auch ein bißchen schneller geht, denn wir wollen nicht unbedingt in die Dunkelheit kommen. Die Landschaft um uns herum ist so schön, so malerisch. Immer den Blick auf die grandiosen Berge, diese teilweise mit Schnee bedeckt, auf den Grasmatten blüht es bunt, duftet es nach Heu, und überall kommen kleine, sprudelnde Bäche den Hang herab. Diese Wasserläufe müssen wir auch immer wieder überqueren. Einmal rutsche ich ab und stehe mit beiden Füßen bis zum Knöchel voll im Wasser. Da nutzt auch die beste Membran nix mehr. Schuhe und Füße sind natürlich pitschnaß. Die Schuhe waren ja vom Regen schon oberflächlich feucht, aber jetzt ... Das wird dauern, bis die wieder trocken sind.

Ab "Schlappin", eine kleine Häuseransammlung, gibt es endlich wieder einen asphaltierten Fahrweg, der sehr, sehr steil und kurvig nach "Klosters" führt, für heute die Endstation. Mit letzter Kraft "würge" ich meine Bremshebel. Die Bremsbacken müssen qualmen, hoffentlich halten die!!! Ro rauscht diese steilen Abfahrten mit kindlicher Begeisterung fast ungebremst nach unten. Kurz überlege ich, vielleicht doch lieber zu laufen, weil's gar so steil ist. Aber meine Beine sind soooo müde, daß ich den unsinnigen Gedanke sofort wieder verwerfe, doch froh, endlich sitzen zu können. 20 Minuten dauert die berauschende Abfahrt und wird am Ortsrand von "Klosters" abrupt gestoppt. Pffff - Ro's Hinterreifen verliert Luft und ... ist platt - auch das noch, nach so einem anstrengenden Tag. Na ja, zum Glück hat Ro einen Ersatzschlauch und das erforderliche Werkzeug dabei. Während er repariert, frage ich einige Passanten nach dem Weg zu unserer Pension. An den Schweizer Dialekt, die Aussprache muß ich mich erst gewöhnen. Hier heißt's z. B. nicht Fahrrad, sondern Velo und auch nicht aufwiedersehen sondern aufwiederluaga. Hört sich witzig an. Um 20.00 Uhr kommen wir dann endlich in der schon vorreservierten Unterkunft mitten im Ort an. Zum Glück müssen wir jetzt nicht noch ein Zimmer suchen. Die Leute sind sehr nett, und wir bekommen ein hübsches Zimmer im Erdgeschoß. Dusche und Toilette sind im zweiten Stock. Alles ist ganz urig und liebevoll hergerichtet. Hier fühlen wir uns gleich pudelwohl. In dem kleinen Zimmerchen fängt es aber schnell an zu stinken, nachdem wir unsere Schuhe und Klamotten ausgezogen und überall im Raum verteilt haben. Aber es nutzt ja nichts, das Zeug muß so schnell wie möglich trocknen. Von der Wirtin bekommen wir sogar einen Schuhtrockner. Das ist so eine Art Föhn, den man in die Schuhe reinsteckt. Nach einer genußvollen, langen und heißen Dusche will Ro unbedingt noch etwas essen gehen. Ich würde ja lieber gleich ins Bett fallen, selbst zum essen zu müde. Um 21.45 Uhr sitzen wir dann endlich, als einzige Gäste in einer Pizzeria. Zwar hätten wir gerne Spaghetti gegessen, bekommen aber "nur" noch Pizza. Die allerdings schmeckt hervorragend. Diese Nacht schlafen wir beide tief und fest. Kein Wunder, waren wir doch 14 Stunden unterwegs, im Sattel, oder auf den Beinen.

Höhenmeter:2'400 m
Strecke:59 km
AVS: - 
Fahrzeit: - 

(Durch Trage- und Schiebestrecken, und weil der Tacho manchmal ausfällt, lassen sich Daten wie Durchschnittsgeschwindigkeit oder Fahrtzeit nicht immer exakt bestimmten.)

Montag, 2001-07-30

Der heutige Tag wird kurzfristig zum Ruhetag bestimmt. Die Traumtour von Süddeutschland nach Norditalien soll schließlich nicht zum Alptraum werden. Genüßlich schlafen wir also erst einmal bis 8.00 Uhr. Das Frühstück ist ganz lecker. Es gibt Mehrkornbrötchen, Marmelade, Käse, Kaffee mit frischer Milch. Die Unterkunft ist wirklich gemütlich und schön. Heute wollen wir unsere strapazierten Muskeln schonen und genießen bei schönem Wetter die herrliche Umgebung. Wir spazieren eine Weile durch "Klosters". Vor vielen Häusern stehen Bänke zum Verweilen und die meisten Fassaden sind mit buntem Blumen üppig geschmückt. Wir kaufen zwei Fahrradschläuche und einiges an Lebensmitteln. Gegen Mittag fahren wir mit dem Zug in 25 Minuten nach "Davos". Das Wetter könnte schöner nicht sein. Wir sitzen in der Sonne, trinken Kaffee und schlendern durch den Ort. "Davos" ist recht mondän, viel Tourismus und Verkehr. Lange nicht so gemütlich und beschaulich wie "Klosters".

Von hier aus rufe ich meine Eltern an. Mama quiekt immer vor Vergnügen, wenn ich mich melde. Ein schönes Gefühl, zu wissen, wie sehr sie sich über meinen Anruf freut.

Den Nachmittag verbringen wir am schönen Davoser See, auf dem sich zahlreiche Surfer und Segler tummeln. Zurück in "Klosters" futtern wir in einem der wenigen Lokale, die Montags keinen Ruhetag haben "unsere" Kohlenhydrate.

Dienstag, 2001-07-31

Um 6.30 Uhr bekommen wir wieder ein feines Frühstück kredenzt mit vielen kleinen, leckeren Brötchen und diesmal sogar mit Müsli. Für unterwegs machen wir uns ein paar Brötchen zurecht. Um 7.30 Uhr fahren wir dann mit dem Zug, die Räder im Schlepptau, nach "Davos". Um 8.00 Uhr geht's in "Davos" (1560 m) los Richtung "Dürrboden" (2700m). Die Sonne scheint, kein Wölkchen ist am Himmel zu sehen. 1 ½ Stunden geht die Fahrt leicht steigend auf asphaltierter Straße. Es macht Spaß, denn wir fahren an blühenden Wiesen vorbei, die Schmetterlinge pesen quer über die Straße, die Kuhglocken läuten und der Bach rauscht ins Tal hinab. Die ganze Zeit blicken wir auf die nahen schneebedeckten Berge - Idylle pur. Die Landschaft ist überwältigend Ab und zu überholt uns ein Auto (oder andere Radler - nur Jungs), sonst nur Natur. Um 9.30 Uhr erreichen wir eine Alm und stärken uns mit einem Glas Apfelschorle. Um 10.00 Uhr geht's schon wieder weiter. Jetzt wird der Weg zum Pfad und immer steiler. Wir können nur noch schieben. Einige geschickte und kräftige Radler fahren aber auch hier noch. Diesmal ist der Weg aber nicht so beschwerlich wie zum "Schlappiner Joch". Hier können wir gut schieben, ohne das Rad ständig anheben oder gar tragen zu müssen. Kurz unterhalb des 2606 m hohen "Scaletta-Paß'" queren wir sogar noch einige Schneefelder. Punkt 12.00 Uhr kommen wir am Paß an und treffen auch einige andere Radler und Wanderer. Hier weht ein kalter Wind, doch sonst ist es traumhaft sonnig mit wunderschöner Fernsicht. Wir essen die Vorräte, fotografieren uns und die herrliche Umgebung. Bergab, Richtung "S-Chanf" schieben wir wieder ein ganzes Stück, da der holprige Weg recht schmal und stellenweise steil ist. Es erfordert schon sehr viel Geschick und Erfahrung da hinunter zu fahren. Ich traue mir das nur sehr bedingt zu, und müßte ständig wieder ab- und aufsteigen. Mit dem Gepäck am Rücken ist das ja auch nicht immer so einfach in dem Gelände. Ro hat zudem noch das kleine Köfferchen an seinem Lenker, das ihn zusätzlich aus "der Bahn" werfen kann. Nach der steilen Schiebestrecke aber erstreckt sich vor uns das bezaubernde "Susauna-Tal". Ein wunderschönes Fleckchen Erde. Ein klarer Wildbach schlängelt sich breit durch großflächige Grasmatten. Für eine kleine Weile genießen wir diese Idylle, liegen am Bachufer und dösen vor uns hin, lauschen dem gluckernden Wasser und dem Gebrumme der Fliegen.

Ab hier können wir auch wieder bequem fahren. Der Weg ist breit und gut beschaffen, zeitweise zwar etwas steil abfallend, aber wir kommen gut voran. Das Tal ist ein Traum. Der Weg führt immer direkt am herrlichen Bach entlang. Weiter unten, im flacheren Gelände kann man in dem Bach sogar gut baden. Um 16.00 Uhr trudeln wir in "S-Chanf" (1662 m) ein und beziehen gleich unser schon vorreserviertes Zimmer in der Pension "Sternen". Diese Unterkunft ist leider nicht so schnuggelig. Wir hätten auch gar nicht vorbuchen müssen, da im Ort noch genug Zimmer zu haben sind. Aber im Grunde ist das ja nicht so wichtig für eine Nacht. Ich springe schnell unter die Dusche. Anschließend will Ro auch duschen. Als er aber volleingeseift den Wasserhahn aufdreht und auf das Wasser wartet, kommt leider nix. Ein paar Tropfen noch, das war's. Na klasse, der arme Kerl. Nun muß er sich den ganzen Schaum mit dem Handtuch wieder abreiben.

Der Ort ist ganz hübsch, die Häuser alt und urig. Und wieder fällt mir auf, daß die meisten Häuser mit bunt blühendem Blumenschmuck üppig dekoriert sind. Ein wunderschöner Anblick ist das, diese blühende Farbenvielfalt. Das macht ein Haus, ein Dorf so lieblich, so lebendig. Alles wird geschmückt, Fenster, Türen, Balkone etc.

Die Leute hier sprechen alles Mögliche oder Unmögliche, ein Mischmasch aus deutsch, italienisch und räthoromanisch. In einem Lokal, das einzige, wo man noch draußen und in der Sonne sitzen kann, lassen wir uns durch die Speisetafel verführen, die vor dem Eingang an der Hauswand lehnt. Wir bestellen das dargebotene Gericht, Buchweizennudeln mit Mangold und Knoblauchbutter. Läßt auf ein verlockendes Essen schließen, schmeckt aber leider nicht halb so gut. Das ganze Essen (oder Gemansche) schwimmt in der Butter, die wie Suppe in dem Teller steht - igitt-igitt. Ich esse gerade soviel, daß der ärgste Hunger gestillt ist, den Rest lasse ich stehen.

Der Hinterreifen von Rolands Fahrrad ist nicht in Ordnung. Wahrscheinlich hat die Felge einen "Schlag". Leider gibt es hier kein Radgeschäft. Unser nächstes Ziel ist "Livigno" in Italien. Vielleicht gibt es ja dort ein entsprechendes Geschäft. Hoffentlich hält sein Rad bis dahin durch. Jetzt sitzen wir in der Kneipe unserer Pension und trinken noch etwas. Inzwischen hat Ro doch noch mit Wasser duschen können.

Höhenmeter:1'200 m
Strecke:38 km.10
AVS:9.4 km/h
Fahrzeit:6 h

Mittwoch, 2001-08-01

Ein Frühstück bekommen wir zu dieser frühen Stunde (6.00 Uhr) noch nicht serviert. Wir dürfen aber die Kaffeemaschine benutzen und uns selbst bedienen. Nachdem wir den Kaffee getrunken haben, wollen wir hinaus gehen, und müssen feststellen, daß die Haustüre abgeschlossen ist. Das Schlüsselkästchen finde ich gleich, doch das quillt über vor Schlüsseln. Mist, der richtige Schlüssel ist leider nicht dabei. Aber wir wissen von einem anderen Ausgang an der Rückwand des Hauses. Zum Glück ist der nicht verschlossen und wir können endlich raus. Es ist zwar noch ganz schön kalt, aber der Tag beginnt sonnig. Und wenn die Sonne erst mal "über'n Berg" ist, wird's sicher wieder ein herrlich warmer Sommertag. Und wieder sitzen wir im Sattel. Bis jetzt wird's mir eigentlich nie zuviel. Täglich trage ich dieselbe Radlerhose und frage mich, wie lange das Sitzpolster in der Hose wohl noch dämmt ...? Blöderweise habe ich noch eine Ersatzradlerhose dabei, die ich ja doch nicht anziehe. Wir haben sowieso viel zu viel Gepäck dabei. Der Rucksack dürfte eigentlich nicht mehr als fünf Kilo wiegen. Ich dagegen schnalle mir jeden Morgen an die neun Kilo auf den Rücken.

Nachdem wir "S-Chanf" hinter uns gelassen haben steigt es gleich wieder an. Der Weg ist gut befahrbar und nicht zu steil, so daß wir durchweg fahren können. Wir radeln durch Wald. Rechter Hand rauscht ein Bach ins Tal. Dann führt der Weg weiter durch eine Alpenweide über den flachen Talboden, vorbei an vielen Kühen. Wir essen Müsliriegel und Bananen, denn nun wird der Pfad immer steiler und anstrengender. Schließlich ist der Weg mal wieder zu steil und steinig und ... wir schieben. Die Umgebung ist wunderschön. Wir sind alleine mit den Kühen, die aber mit zunehmender Höhe letztlich auch immer weniger werden. Mich begeistern die vielen knalligen Farben der kleinen Blumen, die in dieser doch recht kargen Felslandschaft richtig leuchten. Wie ein Fleckerlteppich überziehen sie die Steine. Nach einem zweistündigen, schweißtreibenden Anstieg stehen wir schließlich auf dem 2700 m hohen "Chaschauna-Paß". Ein Stein markiert die Grenze zwischen Schweiz und Italien. Ein tiefes Gefühl der Freude überkommt uns beide auf dem Paß in dieser wunderschönen Landschaft. Der Blick über "Livigno" hinweg bis zum Ortlermassiv ist überwältigend. Es ist total warm, hier auf 2700 m!, so ruhig und wahnsinnig schön. Eine Zeit lang genießen wir diese Stimmung und die herrliche Aussicht in die Ferne und ins Tal. Schließlich treibt's uns weiter, abwärts, hinunter nach Italien. Ein Stück schieben und heben wir die Räder über die steilen, steinigen Wege. Teilweise kann man aber auch fahren. Im Laufe der letzten Tage hatte ich ja genug Möglichkeiten Geschicklichkeitsfahren zu trainieren, und ich habe auch schon Fortschritte gemacht. Kurz unterhalb des Passes steht das bewirtschaftete Refugio "Casana". Zunächst sind wir die einzigen Gäste und genießen die Ruhe und die "bella vista". Es ist heiß, wenn der eisige Wind nachläßt, und wir sitzen an einem sonnigen Platz und essen Polenta mit Suppe. Die freundliche Wirtin spricht ausschließlich italienisch, aber wir verstehen uns trotzdem. Sie zeigt uns ihre neugeborenen, niedlichen Kätzchen. Später kommt noch eine vierköpfige Radlergruppe an. Da ist sogar mal wieder eine junge Frau dabei! Wir ziehen unsere Helme auf und ab geht die steinige Fahrt hinab ins Tal. Am Bach entlang und weiter nach "Livigno". Dort verbringen wir die nächsten drei Stunden, denn beide Räder müssen in die Werkstatt. Ro's Fahrrad bekommt hinten eine neue Felge verpaßt und mein Rad braucht einen kompletten Satz neuer Bremsen. Jetzt fühle ich mich wieder sicherer am Berg, obwohl ich inzwischen immer übermütiger werde ... Zudem lasse ich eine neue Flaschenhalterung anbringen, da die ursprüngliche Halterung abgebrochen ist. Die Wartezeit ist kurzweilig. Wir schlendern durch den sehr touristisch überfrachteten Ort, trinken Kaffee (im Schatten!!!), schreiben Ansichtskarten und genießen die kleine Zwangspause. Natürlich essen wir auch wieder. Hoffentlich übertragen sich diese üppigen Eßgewohnheiten nicht auf den Alltag zu Hause - ich würde kugelrund. Soviel kann ich dann gar nicht joggen, um dem gerecht zu werden. Hier aber haben wir ja täglich und den ganzen Tag anstrengende Belastungen, die den Körper fordern.

Um 16.00 Uhr sind die Räder fertig. Unser nächstes Ziel ist der 2285 m hohe "Passo Alpisella". Die meiste Strecke bis oben können wir fahren, d. h. immer ca. 4 km/h. Bei dem Tempo kann ich wenigstens die Landschaft um mich herum intensiver genießen. Und die ist so traumhaft. Wiesen, Wälder, Bäche, eingerahmt von grünen Hügeln und schneebedeckten Bergen. Ab und zu kommt uns ein Radler oder Wanderer entgegen. Sonst ist es recht einsam. Am Paß oben liegt ein kleiner See. Die Sonne "zaubert" kleine "Diamanten" aufs Wasser, die glitzern und funkeln. Ro macht eine Aufnahme, aber ich glaube, diese Schönheit läßt sich nicht einfangen. Die felsigen Gipfel auf beiden Seiten des Übergangs sind atemberaubend schön. Eine steinige Strecke führt jetzt hinab zu einem großen Stausee. Nachdem wir ihn umrundet haben, gelangen wir zu einem zweiten Stausee und erreichen gegen 18.30 Uhr das Refugio "Val Fraele". Die Wirtsleute sprechen deutsch und sind sehr freundlich. Wir bekommen ein Zweibettzimmer und können gleich duschen. Ah - ist das eine Wohltat, nach diesem anstrengenden, heißen Tag. Lange Zeit stehe ich nur unter der Dusche und genieße den warmen Wassersegen von oben.

Das Abendessen schmeckt hervorragend. Es gibt Spaghetti-Pesto (was sonst), Gemüse, Fleisch und Obst. Wir unterhalten uns mit Glenn und Vroni aus München, die auch mit ihren Rädern eine Alpentour machen. Allerdings haben die beiden eine andere Strecke als wir. Hier kreuzen sich unsere Wege nur.

Höhenmeter:1'600 m
Strecke:40 km
AVS:9 km/h
Fahrzeit:4.23 h

Donnerstag, 2001-08-02

Um 7.30 Uhr gibt es Frühstück mit Müsli usw. Danach schwingen wir uns gleich wieder auf die Räder, und fahren die erste Stunde gemeinsam mit Glenn und Vroni. Wolken tummeln sich, igitt, welch' häßlicher und ungewohnter Anblick. Das Wetter könnte kippen. Aber noch ist es sonnig und warm. Zunächst fahren wir über die Staumauer ans andere Ufer des Sees, und auf guten Waldwegen am See entlang. Nachdem wir uns von Vroni und Glenn getrennt haben geht es auch noch eine Zeit lang in flottem Tempo durch die Landschaft. Dann aber wieder der unvermeidliche Anstieg zum 2300 m hohen "Passo di Verva". Der Weg ist zwar nicht so steil, aber total steinig, so daß wir meistens schieben müssen. Hinter dem Paß fahren wir auf recht steilem, steinigen Gelände abwärts. Schließlich wird der Weg zur asphaltierten Straße. Nun beginnt die längste und rauschendste Abfahrt, die wir bisher erlebt haben. 17 km geht es eine halbe Stunde lang in Serpentinen abwärts bis wir den Ort "Grossio" erreichen. Den Ort kann man schon lange vorher von oben sehen, bevor wir tatsächlich unten ankommen. Wir sind noch ganz benommen von diesem Geschwindigkeitsrausch. Meine schnellste Geschwindigkeit bei dieser Abfahrt waren 48 km/h!

In "Grossio" ist es heiß wie in einem Backofen. Das Thermometer zeigt 32 Grad. In einer hübschen Bar an der Straße essen wir je ein Panini und trinken Kaffee und Saft. Wir futtern zwar ständig Banane und Müsliriegel, aber jetzt müssen wir uns stärken, da ein langer, schweißtreibender Anstieg bevorsteht. Der Anstieg zum "Passo Foppa". Um 14.20 Uhr starten wir auf einer asphaltierten, wenig befahrenen Straße. In Serpentinen windet sich die Straße mal steil, mal weniger steil nach oben. Die Straße führt durch Wald, Wiesen und an Weilern vorbei. Überall rauscht Wasser die Felswände hinab. Die Landschaft ist traumhaft schön, alles wirkt so idyllisch und beschaulich. Letztendlich benötigen wir für diese 1200 Höhenmeter 3 ½ Stunden. Das erste Drittel trete ich noch recht zügig, hochmotiviert und Panini-gestärkt kräftig in die Pedale. Im zweiten Drittel zeige ich erste Schwächen und falle sogar mal vom Rad. Das letzte Drittel schaffe ich nur noch schiebend, mit gutem Zureden und durch Ro's Hilfe. Zeitweise schiebt er nämlich unsere beiden Räder, da ich völlig entkräftet bin. Immer wieder bleiben wir stehen, trinken, essen Banane oder Müsliriegel. 1999 ist hier sogar der Giro d'Italia rübergefahren - und jetzt ich! Der Asphalt ist flächendeckend mit Anfeuerungen für die Fahrer bemalt. Wenn mir jetzt eine Menschenmenge zujubeln würde, wäre ich vielleicht auch ein wenig schneller. Die Straße zieht sich wie Kaugummi - es sind die längsten 3 ½ Stunden meines Lebens! Trotzdem verliere ich den Blick für die reizvolle Umgebung nicht. Wir kommen an einzeln stehenden Höfen vorbei oder an kleinen Weilern. Endlich, endlich, der Paß ist erreicht. Meine Beine und mein Rücken schmerzen, ich spüre jeden Knochen in meinem Leib'. Noch ein paar Meter abwärts, und da steht das Albergo "Mortirolo". Zum Glück können wir hier heiß duschen - ein Balsam für meinen wunden Körper. Da ich so erschöpft und zu nichts mehr fähig bin, falle ich aufs Bett, während Ro unserer beider Klamotten am Waschbecken wäscht. Später, als ich mich wieder ein wenig erholt habe bestellen wir das Abendessen. Spaghetti Pomodoro, Polenta, Fleisch und Früchte. Mit einem älteren Pärchen sind wir anscheinend die einzigen Gäste in dem großen Haus. Anschließend falle ich wie ein Stein ins Bett, schlafe aber schlecht. In der Nacht gibt es ein heftiges Gewitter.

Höhenmeter:1'700 m
Strecke:67 km
AVS:10.1 km/h
Fahrzeit:6.36 h

Freitag, 2001-08-03

Bis 7.00 Uhr schlafen wir und klettern dann mühsam aus den Betten. Wir wollen bei Zeiten weiter. Um 7.30 Uhr gibt es Frühstück, das allerdings recht spartanisch ausfällt. Wir bekommen nicht mal einen Teller hingestellt ... !? Um 8.30 Uhr sitzen wir schon wieder auf unseren geliebten Rädern. Zunächst brausen wir eine asphaltierte Straße nach "Monno" runter. Das werden meine schnellsten 12 km, die wir in 25 Minuten ins Tal hinabdüsen. Unten angekommen, müssen wir erst mal tief Luft holen. Es ist wie ...., wie fliegen, fliegen ohne Flügel, ein Wahnsinnserlebnis. Ich habe tatsächlich eine Höchstgeschwindigkeit von 52 km/h erreicht. Ro ist natürlich noch schneller. An mancher Kehre steht er dann und wartet auf mich. Von "Monno" aus radeln wir teils auf Radwegen, teils aber auch auf der Straße nach "Ponte di Legno". Dort trinken wir einen gemütlichen Cappuccino. Heute ist es zwar ziemlich bewölkt, aber trotzdem sehr warm. Nun geht es bergauf, da wird es ohnehin gleich wieder heiß. In knapp zwei Stunden strampeln wir die 11 km hinauf zum "Passo Tornale". Unterwegs versorgt Ro mich ständig mit Banane und Müsliriegel, damit mich die Kräfte nicht völlig verlassen. Außerdem müssen wir viel, viel trinken. Zudem kommt täglich je eine Magnesiumtablette in die Trinkflaschen. Aber trotz all' dieser Vorbeugemaßnahmen habe ich oft das Gefühl auf dieser Tour, ich fahre mit letzter Kraft. Und dennoch hole ich dann irgendwo Reserven aus meinem Körper, an die ich nicht geglaubt habe.

Am Paß angekommen ist es bereits 13.15 Uhr. Es gibt einige Hotels, Restaurants und Geschäfte. In einer Kneipe essen wir eine Kleinigkeit. Und wieder folgt eine gigantische Abfahrt, die in vielen Kehren nach "Dimaro" hinab führt. In Anbetracht der Tatsache, daß uns jetzt noch mal eine längere Steigung bevorsteht, bis zur nächsten Unterkunft, schlägt Ro vor, die Nacht hier in "Dimaro" zu verbringen und die Tour morgen fortzusetzen, d. h. um noch einen Tag zu verlängern. Es ist 15.45 Uhr, und ich bin bereits jetzt schon ziemlich erschöpft, will aber unbedingt weiter, die geplante Tour einhalten. Zunächst irritiert mich das selbst, warum ich so hartnäckig darauf bestehe. Doch treibt mich wahrscheinlich der Wunsch, jetzt endlich anzukommen, die Tour zu beenden. Der Gedanke, es könnte sich noch mal um einen Tag hinziehen behagt mir im Moment gar nicht. Ich denke, mein Kräftepotential, mein Schwung, mein Elan, meine Energie sind ganz einfach ausgeschöpft. Also mobilisiere ich für den heutigen Tag nochmals meine letzten Kraftreserven und hieve mich und meinen 9-kg-Rucksack aufs Rad. Und wenn wir vier Stunden brauchen, irgendwie bringe ich mich jetzt da hoch, zum "Passo di Campo"!

Da ich aber tatsächlich schon auf "Schmalspur" fahre, was meine Energie angeht, wird schnell klar, daß das für mich ein absoluter Mammutanstieg wird. Den steinigen Waldweg kann ich nur noch schieben, und auch das nur sehr langsam. Ein junger Radfahrer ohne Gepäck strampelt lustig, freundlich grüßend an uns vorbei. Sehnsüchtig blicke ich ihm hinterher. Im Augenblick ist das für mich unvorstellbar. Irgendwann bietet Ro mir an, meinen Rucksack zu übernehmen. Ich glaube, er ist ziemlich verdutzt, als ich total erleichtert dieses großzügige Angebot spontan annehme. Er schnallt sich also meinen Rucki vorne auf die Brust und schiebt nun sein Radl nach oben. Ich aber, auf einmal um 9 kg leichter, schwinge mich in den Sattel und fahre die Steigung nach oben. Ganz entzückt darüber, wie leicht das plötzlich geht, überhole ich sogar den Radler von vorhin, der vor lauter Schreck die Kurve nicht kriegt und ins Straucheln gerät. Er hat uns nie mehr eingeholt ... ! So könnte ich jetzt noch länger fahren, bleibe aber natürlich immer wieder stehen, damit Ro wieder aufholen kann. Eine halbe Stunde gewährt er mir, dann muß ich meinen "Hinkestein" wieder selber tragen. Ro ist pitschnaß geschwitzt. Nicht zum ersten Mal wird uns klar, daß wir viel zu viel Gepäck dabei haben. Kein anderer Transalper hat einen so schweren Rucksack. Wir muten uns damit eine Wahnsinns Strapaze zu. Das nächste Mal wird das optimiert, ganz klar. Dann macht's unterm Strich gesehen auch noch mehr Spaß.

Die nächsten Stunden fahren, schieben, stehen, trinken, essen wir, und der Berg scheint nicht enden zu wollen. Doch endlich erreichen wir die Paß-Straße und nun sind es nur noch wenige Kilometer bis zu dem Albergo "Genzianella", das unser heutiges Ziel ist. Mühsam und erschöpft, aber fahrend kommen wir um 18.00 Uhr am Albergo an. Hier geht's offensichtlich ein bißchen feiner zu, die Übernachtung mit Frühstück kostet 70,00 DM/Person. Egal - ich würde jetzt jeden Preis bezahlen. Wir beziehen das Zimmer und ich dusche, dusche und dusche ...

Wir stürzen uns auf ein leckeres und reichhaltiges Abendessen. Aber das brauchen wir jetzt auch nach dieser Anstrengung.

Höhenmeter:1'800 m
Strecke:79 km
AVS:11.8 km/h
Fahrzeit:6.40 h

Samstag, 2001-08-04

Der letzte Radltag bricht an. Ein Blick aus dem Fenster - seufz - der Himmel ist völlig bedeckt. Um 8.00 Uhr gibt es Frühstück. Ein Buffet ist aufgebaut mit Müsli, Brötchen Marmelade. Ro bedauert allerdings, daß es keine Wurst und keinen Käse gibt.

Um 8.45 Uhr fahren wir los, die letzten zwei Kilometer zum "Passo Campo" (1.860 m). Von dort haben wir einen herrlichen Blick auf das gewaltige Brentamassiv, das teils von Wolken eingehüllt ist. Am Paß ist es kühl, und da jetzt eine rasante Abfahrt folgt, ziehen wir uns wärmende Shirts an, Brille und Helm auf, und huibuuuuuu, ab geht's. Die Straße führt direkt hinunter nach "Madonna di Campiglio". Mit Begeisterung jagen wir den Hang hinab. Zum Glück funktionieren meine Bremsen zuverlässig, denn auch bei dieser Abfahrt erreiche ich Geschwindigkeiten bis über 50 km/h. In "Madonna" ist es wieder so warm, daß ich bequem in Top und kurzer Hose weiterfahren kann, obwohl es weiterhin bewölkt bleibt. Wir fahren auf einem geschotterten Radweg, vorbei an einem Bach durchs Tal bis nach "Tione". Ab hier geht's nun wieder bergan auf einer sehr wenig befahrenen Paß-Straße. Dieser letzte Paß ist nicht mehr hoch, lediglich 1000 m. Doch ich spüre in meinen Muskeln und Knochen die vergangenen Tage. Mit einiger Kraftanstrengung und viel gutem Willen schaffe ich diese letzte Hürde und komme völlig verschwitzt oben an - Ro wartet bereits, er ist ja immer schneller. Die Klamotten stinken, ich stinke - Endzeitstimmung! Bin ich froh, wenn wir den Gardasee endlich erreicht haben. Eine längere Pause von einigen Tagen brauche ich nun dringend, denn meine Kräfte und auch die Motivation schwinden jetzt immer mehr.

Wieder folgt eine angenehme schöne, etwas kürzere Abfahrt. Mit einem Mal beginnt es zu regnen, nicht viel, aber stetig. Dicke Tropfen klatschen auf die Straße. Schnell ziehen wir Rucksackhüllen und Regenjacken über. Im warmen Sommerregen fahren wir weiter bis zu einer Trattoria. Wir sitzen im Freien, überdacht und warten bei Toast und Cappuccino auf das Regenende. Bald ist's so weit und wir können wieder weiter. Jetzt noch der krönende Abschluß - eine ewig lange Talabfahrt mit Blick auf den "Lago di Garda". Ich könnte heulen, vor Freude. Wir haben's geschafft, wir sind mit dem Fahrrad über die Alpen! Lange Zeit fahren wir die Straße in Serpentinen hinab, immer den Blick auf "Riva" und den See. gerichtet. Das überschäumende Gefühl, das jetzt aufkommt in mir, kann ich kaum beschreiben. Hier sitze ich nun in meinem Sattel, rausche die Straße hinunter, mit mir und der Welt alleine, Ro ist natürlich längst wieder ein paar Kehren weiter als ich, weit unter mir der wunderschöne See und hinter mir die Berge. Gleich platze ich vor Freude, vor Erleichterung, vor Stolz - ein Wahnsinn. Endlich sind wir unten. Die Sonne bricht durch, der See funkelt und wir steuern unser Rad nach einer Woche in den Alpen endlich zum Ortseingang "Arco". Wau - von Oberstdorf zum Gardasee. Ein großartiges Abenteuer geht zu Ende. Ich kann das noch gar nicht fassen, daß es nun wirklich geschafft ist, daß es vorbei ist. Ro und ich beglückwünschen und umarmen uns gegenseitig.

Glücklich und fassungslos kommen wir an in "Arco". Wir radeln durch den Ort, grinsend und strahlend von einem Ohr zum anderen. Alles um uns herum erscheint so unwirklich. Jetzt folgt der spannende Moment, ob das Auto wohl noch dasteht -wir biegen um die Ecke und fahren auf den Platz, und da steht die Kutsche, unversehrt. Ich spurte gleich zum nächsten Telefon, um die freudige Botschaft der glücklichen Ankunft nach Hause weiterzuleiten. Die Wolken haben sich nun fast gänzlich verzogen, die Sonne strahlt und es ist brütend heiß. Wir sind fertig, völlig ausgepowert und verschwitzt, aber superglücklich. Die Strapazen der vergangenen Tage sind vergessen, und jeder Schweißtropfen wird verehrt. Den restlichen Nachmittag verbringen wir im angrenzenden Freibad mit duschen, sonnen, ausruhen. Wir liegen in "Arco" im Schwimmbad, es ist Samstag 16.15 Uhr, und können's noch gar nicht glauben.

Der ganz realistische Hunger treibt uns schließlich ins "Pace", "unsere" Pizzeria in "Arco". Vor der leckeren Pizza verdrücke ich noch eine große Portion Eis, und im Café "Trentino" genießen wir den warmen Abend. Später jedoch ergießt sich ein kräftiges Gewitter über Arco, ein milder Sommerregen.

vmax:56.2 km/h (Maximalgeschwindigkeit)
Strecke:77.83 km
AVS:16.6 km/h
Fahrzeit:4.40 h

Relaxen am Lago di Garda

Sonntag, 2001-08-05

Es ist bewölkt, aber herrlich warm. Mit dem Auto fahren wir am Westufer des Sees Richtung Süden auf der Suche nach einem hübschen Plätzchen für unser Frühstück. Die Sonne kämpft sich durch! In "Fasano" schließlich werden wir fündig. Auf einem Mäuerchen, direkt am See essen wir unser leckeres Müsli mit frischem Obst und trinken dazu den selbstgekochten Kaffee. Ah ist das herrlich! Zum Nachtisch gibt es für jeden noch ein Brioches.

Wir fahren ein Stück weiter bis "Montinelle" und stellen das Auto dort ab. Von hier aus fahren wir mit den Rädern weiter, und erkunden die Umgebung. Hier radeln wir auf ruhigen Nebenstraßen hinunter zum See. Nach einem ausgiebigen Sonnenbad radeln wir eine Weile gemütlich durch die Gegend. Es ist wenig Verkehr und die Gegend wirkt recht beschaulich. Später geht's weiter mit dem Auto ins Hinterland zum "Lago d'Idro". In "Storo" essen wir zu Abend und am "Lago di Ledro" stellen wir das Auto ab für die Nacht. Es ist gar nicht so einfach, einen geeigneten Stellplatz zu finden, da es bereits dunkel ist. In der Nacht regnet es auch noch so heftig, daß wir die Fenster fast völlig schließen müssen. Das ist sehr unangenehm, da es schnell ziemlich stickig wird im Auto.!

Montag, 2001-08-06

Es ist bewölkt, es ist warm. In "Riva" kaufen wir ein und frühstücken unten am See auf einer Ufermauer. Die Morgenstimmung ist herrlich- alles wirkt noch so verschlafen, so ruhig. Anschließend sitzen wir ziemlich lange in einem Café in "Riva", trinken Cappuccino und genießen die gelassene Urlaubsstimmung. Es macht Spaß, die Menschen um uns herum zu beobachten. Die Touristen, wie sie in ihren dünnen Sommerklamotten, noch blaß oder schon mit roten Gesichtern vorbeiflanieren, oder die Italiener, wie sie sich laut und mit den Händen gestikulierend unterhalten.

Gegen Mittag fahren wir mit den Rädern von "Arco" aus Richtung Norden zu einem kurzen, aber knackigen Klettersteig, am "Castello Drena", Der Steig führt durch eine Schlucht. Dort herrscht eine Atmosphäre wie im Dschungel. Kaum ein Sonnenstrahl dringt durch diese üppig und dicht gewachsene Pflanzenwelt. An einem Bach entlang führt der Weg wieder nach oben zu dem Schloß. Zurück bei den Rädern geht's dann weiter zum einsamen, aber wunderschönen See "Cavedine". So was, am Gardasee treten sich die Leute halb tot, und hier unweit davon entfernt, tut sich gar nichts. Dabei liegt dieser See so wunderschön eingebettet in die Natur. Aber die meisten suchen und brauchen wohl den Trubel und die Infrastruktur. Wir dagegen genießen eine Zeit lang den Frieden hier. Fahren dann um den See herum zurück nach "Arco". Das ist ganz lustig und macht viel Spaß, denn dieser Weg ist eine wunderbare Mountainbikestrecke, die ich inzwischen recht kühn und mit mehr Sicherheit bewältige.

In der Pizzeria "California" etwas oberhalb des Campingplatzes beschließen wir diesen schönen Tag.

Dienstag, 2001-08-07

7.30 Uhr - Augen auf - strahlender Sonnenschein, keine Wolke! Juchhu - ein neuer phantastischer Tag! Um 9.00 Uhr ist es bereits schön warm - kein Wunder - der Himmel ist ungetrübt. Direkt unter dem Colodri-Felsen sitzen wir auf Steinstufen und genießen unser Müsli mit Milchkaffee. Einige fleißige Kletterer sind bereits auf dem Weg zum Fels. Gerne würde ich jetzt auch ein bißchen Klettern, doch leider haben wir die Kletterschuhe zu Hause liegen lassen. Na, nicht so schlimm, der Gardasee und Umgebung bieten ausreichend Möglichkeiten sich sportlich oder auch nicht zu beschäftigen. Schließlich fahren wir mit den Rädern auf einem schönen Radweg die 5 ½ km von "Arco" nach "Torbole". Der Radweg führt am Fluß "Sarca" entlang und ist rechts und links gesäumt von bunt blühenden Oleandersträuchern - wir fahren durch eine prächtige Oleanderallee. Und direkt vor uns blicken wir auf die gigantischen Gardaseeberge. Ein Wahnsinn, diese Landschaft, so schön, so abwechslungsreich. In "Torbolé" sind wir heute unheimlich faul. Wir dösen in der Sonne, springen mal ins erfrischende Wasser, trinken Cappuccino oder beobachten die bewegte Umgebung - die Zeit vergeht. Beim anschließenden Bummel durch "Torbole" landen wir in einem Sportladen, wo Ro sich zwei neue Radtrikots zulegt. Es ist viel los in diesem hübschen Örtchen. Abgesehen von den vielen Menschen gefällt es mir hier gut. Als wir durch die engen Gassen fahren, muß ich immer wieder stehen bleiben. Die Häuser sind so schön alt und liebevoll geschmückt mit bunten Blumen - es ist eine Augenweide. Später essen wir in einem der vielen gut besuchten Straßenlokale. Zurück in "Arco" gibt's noch ein leckeres Eis und einen Schlummertrunk im Café "Trentino".

Mittwoch, 2001-08-08

7.00 Uhr - bewölkt, aber warm. Um 7.45 Uhr starten wir mit den Rädern Richtung "Malcesine". Nie, nie wollte ich je mit dem Rad durch diese vielen Tunnels am Gardasee. Jetzt mache ich es doch! Bis "Torbolé" geht ja dieser schöne Radweg. Aber ab da müssen wir auf der Straße und durch fünf Tunnels fahren um nach "Malcesiné" zu kommen. Ich fahre schnell und zügig und Ro immer dicht hinter mir im Windschatten. Aber so schlimm ist es gar nicht. Zum Einen ist zu dieser frühen Stunde fast kein Verkehr, zum anderen sind die meisten Tunnels zur Seeseite hin offen. Wir kommen flott voran und sind 45 Minuten später, völlig verschwitzt in "Malcesiné". Mit der Seilbahn geht's nun den "Mt. Baldo" auf 1800 m hinauf. In der Gondel sind noch mindestens zehn andere Radler. Wir wollen von oben zurück nach "Arco" fahren. Das stelle ich mir sehr schön vor. Doch als wir oben aussteigen, schlägt mir zunächst nur kalte Luft entgegen. Es ist -brrr- kalt und neblig. Erst mal ein gemütliches Frühstück in der Seilbahnstation, bevor wir uns auf die Räder schwingen. Schließlich geht's auf steinigem Weg den Hang hinab und auf Asphaltstraße auf der anderen Seite wieder hinauf. Die Charakteristik der Berge - auf und ab! An einem Refugio lassen wir die Räder stehen und gehen zu Fuß weiter. Unser Ziel ist der Gipfel eines über 2000 m hohen Grasbuckels. Einige junge Typen strampeln da auch noch mit den Rädern rauf und auf der anderen Seite wieder runter. Das Gelände ist äußerst steinig und steil. Wir wollen den Bergklotz später auf bequemere Art lieber umfahren. Nach 50 Minuten stehen wir auf dem Gipfel, und hätten sicher eine gigantische Aussicht, wenn die vielen Wolken und der Nebel nicht wären - schade. Ab und zu reißt die Wolkendecke dann doch mal auf, und wir können zumindest einen kurzen Blick auf den See erhaschen.

Als wir zu dem Refugio zurückkehren wird es immer kühler, so daß wir drinnen eine leckere Minestrone verdrücken. Dann rauschen wir in hoher Geschwindigkeit auf der Straße hinab bis "Mori". Diesmal "schaffe" ich sogar 62 km/h, weil hier lange keine Kehre kommt, bei der ich abbremsen müßte. Bei der Geschwindigkeit wird mir aber schon langsam unheimlich, und schwindelig bei dem Gedanken, jetzt könnten die Bremsen versagen ...! Aber zum Glück sind sie zuverlässig. Während der Abfahrt beginnt es zu regnen, aber je weiter runter wir kommen, desto wärmer wird es auch wieder. Von "Mori" bis "Torbolé" führt ein wunderschöner Radweg direkt an einem Biotop entlang. Hier kann man Vogelkundler beobachten, die Vögel beobachten ... ! Einer schaut mit seinem Fernglas wie gebannt auf das sumpfige Gebiet, wo aber außer einer gewöhnlichen Stockente nichts Interessantes zu entdecken ist. Wir suchen uns lieber ein nettes Plätzchen (ohne Fernglas) und essen unsere Vorräte auf. Inzwischen ist auch die Sonne wieder voll da. Gut gelaunt düsen wir weiter, nach "Torbolé" hinein und auf dem schnellsten Wege in ein Strandcafé, denn der letzte Cappuccino liegt ja schon wieder ein paar Stunden zurück. Es ist eine herrliche Stimmung am Lido, in der wärmenden Sonne zu sitzen, einen Cappuccino vor sich und das rege Treiben an sich vorbeiziehen zu lassen. Auf dem See tummeln sich zahlreiche bunte Segel, die blühenden Oleander wiegen sich sanft im Wind und am Strand gibt es jede Menge Menschen zu bewundern, einer schöner als der andere ...! Anschließend gönnen wir uns noch ein Stündchen am Strand. Und ich schlafe auch sofort ein. Zurück in "Arco", "schleichen" wir auf den Campingplatz in die Duschen und waschen u. a. auch mal wieder stinkige Klamotten. Zum Essen gehen wir wieder ins "California". Hier bedienen fast ausschließlich Männer, gut aussehende, junge Männer (ui-ui-ui - sind die knackig!) Außerdem schmecken die Pizzen klasse - der Teig schön dünn und ... auch knackig.

Donnerstag, 2001-08-09

7.30 Uhr - bewölkt. Wir frühstücken unser Müsli wieder unterhalb des Colodrifelsens. Es wird kühler, und als wir später die Rucksäcke für die Brentatour packen, wird's unangenehm kühl. Schließlich fängt's an zu regnen und wird immer heftiger. Ab 11.00 Uhr sitzen wir in der Piscina-Bar, warten und hoffen, der Regen möge doch endlich aufhören. Denn so kann man ja schlecht am Auto den Rucksack packen. Na ja, bei dem Wetter fällt das Wegfahren wenigstens nicht so schwer.

Als wir dann später auf der Fahrt sind Richtung "Malé", wird es schnell wieder schön warm. Ich kann Fleece und Socken also wieder ausziehen. In "Malé" erwarten wir Andreas, der hier mit dem Zug ankommen soll. Mit ihm wollen wir die nächsten fünf Tage in der Brenta wandern und Klettersteige gehen.

An einer Würstchenbude, direkt an der Straße halten wir und stärken uns mit Panini, Pommes und Saft. In sehr kurviger Fahrt geht's dann weiter nach "Malé". Das ist ein kleiner, hübscher, aber etwas verschlafener Ort.

Ro macht sich auf einmal Gedanken, ob es vielleicht nicht doch besser wäre, wir hätten Steigeisen für die bevorstehende Tour. Auf 3000 Meter Höhe muß man auch im August noch mit größeren Schneefeldern rechnen. (Die Bedenken kommen aber recht spät ... !) Wir müßten also für drei Leute noch Leichteisen besorgen.

Andreas wird gegen 16.30 Uhr ankommen. Bis dahin haben wir noch etwas Zeit und nutzen diese für einen Bummel durch den Ort. Inzwischen ist es wieder richtig heiß und sonnig geworden. Wir trinken Cappuccino und beobachten einen Kletterer, der damit beschäftigt ist, an einer künstlichen Kletterwand Plastiktritte und -griffe anzubringen. Am kommenden Wochenende soll hier ein Kletterwettbewerb stattfinden. Einem Akrobaten gleich bewegt sich der junge Mann tänzerisch die stark überhängende Wand nach oben. Da er nur eine kurze Hose trägt, kann man auch ganz deutlich das Muskelspiel am Rücken und den Armen erkennen.

Nachdem Andreas eingetroffen ist, fahren wir gleich weiter nach "Madonna di Campiglio", da die Zeit drängt. In "Madonna" erfahren wir, daß Leichteisen an die 200,00 DM kosten würden - puh. Anschließend befragen wir einen ortskundigen Bergführer nach den Schneeverhältnissen auf unserer geplanten Tour. Der meint ganz klar, daß wir keine Steigeisen, wohl aber einen Pickel und Seil brauchen. Na wunderbar, Pickel und Seil haben wir dabei. Dann kann's ja losgehen - ohne Steigeisen. Das Auto wird etwas oberhalb von "Madonna" auf einem kostenpflichtigen Parkplatz vor dem Gasthaus "Vallesinella" abgestellt. Inzwischen sind die Temperaturen bereits wieder auf 20 Grad gesunken. Aber beim Bergansteigen wird uns schnell wieder warm. Wir sind noch nicht lange unterwegs, da beginnt es zu regnen. Erst nur sehr wenig, dann aber immer kräftiger. Schließlich entwickelt sich das ganze zu einem heftigen Gewitter mit starkem Nebel und natürlich wird's auch immer kühler. Nach und nach zieht jeder von uns Rucksackhülle, Regenjacke usw. über. Andreas hat noch seine Brille auf, bei der die Gläser ständig beschlagen und er so kaum noch etwas sieht. Ro und mir geht's allerdings auch nicht viel besser, da der aufziehende Nebel immer dichter wird. Zum Glück sind die Wegmarkierungen so zahlreich vorhanden, so daß wir trotz Nebel den Weg eigentlich nicht verfehlen können. Obwohl wir uns zeitweise trotzdem nicht immer sicher sind, da es auch unterschiedliche Wegweiser gibt. Wir laufen schnell und immer schneller, da wir uns auf freier Fläche befinden. Um uns herum blitzt und donnert es. Nach einiger Zeit, kommen schon starke Bedenken, ob wir uns nicht vielleicht doch verlaufen haben. Da entdecke ich auf einmal das Refugio im Nebel. Um 20.20 Uhr kommen wir, naß bis auf die Haut, dort an. Und just in dem Moment hört der Regen auf, der Himmel reißt auf und der Nebel löst sich auf - eine Gemeinheit ist das. Das Haus ist ein größeres Ski-Hotel. Wir hatten die Übernachtung wohl vorreserviert, doch haben wir den Eindruck, die Wirtsleute hatten offensichtlich heute abend nicht mehr mit uns gerechnet. Wir werden trotzdem freundlich empfangen und bekommen sogar noch ein heißes Essen. Wir beziehen zwei Zimmer, und haben das ganze Haus wohl für uns alleine. Offenbar sind wir die einzigen Gäste. Wunderbar, wir stürzen uns auf Spaghetti und Minestrone und hinterher leeren wir noch gemeinsam eine Flasche Rotwein. Die beiden Männer haben die nötige Bettschwere und legen sich gleich hin. Ich dusche vorher noch ausgiebig. Als ich kurz drauf auch ins Bett krieche, schläft Ro schon tief und fest.

Wandern in der Brenta

Freitag, 2001-08-10

Während des Frühstücks regnet es schon wieder. Wir lassen uns also Zeit. Mit einemal hört es auf, und wir könnten raus. Wir können aber doch nicht, weil in dem Moment, als wir dann tatsächlich gehen wollen, es schon wieder anfängt zu regnen. Also, das ist doch zum ... was weiß ich. Wir trinken noch einen Cappuccino und sind nun ziemlich verunsichert, was wir nun anziehen sollen. Letztlich reißen wir alle noch mal den Rucksack auf und kramen die Regenklamotten raus, die bei Sonnenschein halt schnell viel zu warm werden. Und die Sonne kommt und geht hier im Minutentakt. In einer Regenpause gehen wir dann endlich los. Mein BH und auch meine Schuhe sind noch total naß vom Vortag - igitt. Nach kurzer Zeit lockert sich zum Glück die Bewölkung und die Sonne knallt gleich wieder. Schnell ziehe ich die Shirts aus, damit der BH während des Laufens trocknen kann. Die Umgebung bietet uns herrliche Blicke. Um uns herum ragen die steilen Felswände der Brenta empor. Majestätisch und mächtig stehen sie da, wie übergroße Festungstürme. Der Weg führt über blühende Grasmatten, und vor uns liegt ein kleiner See. Die Idylle wird komplett durch muntere Kuhglocken. Und in der Sonne wird die Welt zur schillernden Traumwelt.

Gerade, als wir um 10.30 Uhr am Refugio "Graffer" eintreffen, fängt es plötzlich schon wieder an zu regnen. Schnell eilen wir in die schützende Hütte, wo wir viele andere Wanderer antreffen. Die Jungs essen schon wieder Panini und trinken dazu Cappuccino. Ich dagegen begnüge mich mit einer Apfelsaftschorle. Ich kann jetzt nicht schon wieder essen, wo wir doch gerade erst gefrühstückt haben. Die unfreiwillige Pause nutze ich, und schreibe Postkarten an Andrea und die Eltern.

Das Wetter wirbelt zwischen regnerisch kühl mit Nebel und sonnig warm. Weiter geht es bergauf unterhalb einer Skiliftanlage, steil und schweißtreibend. Im Sommer sieht so ein Ski-Gebiet wenig reizvoll aus. Als es immer weiter hinauf geht, müssen wir teilweise auch schon mal die Hände zum klettern benutzen. Der Weg wird immer ausgesetzter und der Blick nach unten immer tiefer. Wieder ziehen dicke Nebelschwaden an uns vorbei. Trotzdem der Himmel immer dunkler wird, bleibt es trocken. Nun ist es sicher nicht mehr weit zum Klettersteigeinstieg. Einige Wanderer kommen uns entgegen, die den Klettersteig bei diesem unsicheren Wetter nicht gehen wollen. Zwei Holländer allerdings sind den Steig gegangen und bewerten ihn als gut machbar. Ro und ich wollen schon positiv gestimmt durch diese aufmunternden Worte weitergehen, als uns Andreas zurückruft. Er hat kein gutes Gefühl mit dem Wetter, und würde lieber den Alternativweg wählen. Nach kurzer Beratung kehren wir gemeinsam um, und gehen den bequemeren Wanderweg zu unserem nächsten Ziel, dem Refugio "Tuckett". Auch die beiden Holländer wollen heute zur Tucketthütte. Nachmittags kommen wir an und bestellen gleich Kaffee und Kuchen. Die Wanderung war schön, und wenig anstrengend, da wir stets auf einer Höhe gelaufen sind. Das Wetter bleibt die ganze Zeit über sehr wechselhaft, aber das Barometer steht auf gut!!! Unser Lager befindet sich in einem Nebengebäude im ersten Stock. Hier gibt es sogar die Möglichkeit zum Duschen. Fünf Minuten kosten allerdings 5.000,00 Lire. Ro und ich teilen uns die fünf Minuten. Eine heiße Dusche nach so einem Wandertag, naß, stinkig und verschwitzt ist einfach ein Traum.

Die Zeit bis zum Abendessen verbringen wir im Speiseraum mit lesen und reden. Die Holländer wollen morgen den gleichen Klettersteig gehen wie wir. Doch zunächst muß man ein längeres Schneefeld, das steil nach oben ansteigt queren. Daher beschließen wir, die morgige Tour zu fünft zu machen. Es gibt immer ein sicheres Gefühl, wenn man sich in der Gruppe befindet.

Ich habe einen Bärenhunger, und bin froh, als endlich die Spaghetti und die Suppe kommen. Ich könnte Berge verschlingen, aber dann reicht mir der eine Teller doch, und ich bin hinterher pappsatt.

Die folgende Nacht ist eher etwas mühsam, denn ein Schnarcher sorgt für Unruhe. Zuerst habe ich Ro im Verdacht, der im Stockbett über mir liegt. Mit dem Fuß drücke ich leicht gegen die stark durchhängende Matratze. Doch das Schnarchen geht unvermindert weiter, und kommt wohl doch aus einem anderen Bett. Hier hört mein Einflußbereich leider auf ...!

Samstag, 2001-08-11

Nach dem Frühstück, bestehend aus Weißbrot, Marmelade, Kekse und einem großen Pott Milchkaffee, brechen wir so gegen 7.30 Uhr auf. Auf einer steinigen Seitenmoräne geht's zunächst bergauf bis zu einem langen, steilen Gletscher, der an einer Scharte endet. Wenn Spuren im harten Schnee sind, läßt es sich ganz gut laufen. Oft aber ist keine Spur im Schnee, und dann wird's schwierig, weil die Schuhe keinen festen Halt finden auf dem rutschigen Eis. Jetzt wären Steigeisen doch klasse. Mit uns steigen viele andere Bergsteiger auf. Einige wenige haben Steigeisen, und man sieht, daß sie sich viel leichter tun. Man muß halt sehr konzentriert gehen, und kommt nur sehr langsam voran. Ich bleibe immer dicht hinter den beiden Holländern, die für mich das richtige Tempo haben. Ro und Andreas sind mal wieder schneller. Oben angekommen bläst ein heftiger, unangenehmer Wind. Mir wird so kalt, daß ich eilig Fleece, Regenjacke, Überhose, Stirnband und Handschuhe anziehe. So dick eingepackt bin ich noch nie geklettert, das hatte ich mir schon etwas angenehmer vorgestellt. Erst müssen wir eine Leiter emporsteigen, die senkrecht nach oben führt. Der Klettersteig ist stellenweise so ausgesetzt oder ohne Drahtseil, daß Andreas und mir öfters mal die Knie schlottern. An einer Stelle will Andreas sogar lieber wieder zurück gehen. Aber wir sind schon so weit gegangen, und zurückgehen ist auch nicht einfacher. Wir müssen uns da also durchkämpfen. Und gemeinsam mit den Holländern, die sich sehr fürsorglich um uns kümmern schaffen wir das auch. An besonders schmalen und ausgesetzten Wegen, an denen zudem kein Seil vorhanden ist, führt mich Ro an der Hand haltend zügig daran vorbei. Bis auf ein paar solcher unangenehmer Stellen ist der Klettersteig sehr schön, und bietet atemberaubende Blicke auf die umliegenden Fels-türme. Im Laufe des Tages wird's immer wärmer, die Wolken immer weniger. Als wir nachmittags bei der "Alimontahütte" ankommen, ist schon ziemlich viel Trubel. In der Sonne sitzend genießen wir guten hausgemachten Kuchen und Kaffee. Später beziehen wir die Lagerbetten im ersten Stock. Duschen kann man hier leider nicht. Die Katzenwäsche am Waschbecken muß genügen. Wir genießen die letzten Sonnenstrahlen, bis der rote Feuerball hinter einem hohen Bergzacken verschwindet. Die "Alimontahütte" ist eine Privathütte und heute abend sehr voll. Wir sitzen mit dem holländischen Pärchen an einem Tisch und haben eine nette Unterhaltung. Die Speisekarte bietet ein sehr umfangreiches Angebot an warmen und kalten Gerichten. Ich aber entscheide mich wieder für mein Leibgericht, die Spaghetti. Dazu trinken wir gemeinsam Rotwein. Die Nacht ist sternklar und die Silhouette der Berge zeichnet sich im hellen Mondlicht deutlich ab - kitschig schön, wie im Bilderbuch.

Sonntag, 2001-08-12

Die netten Holländer steigen ab ins Tal, für uns geht's weiter, wieder bergauf. Der sonnige Morgen verspricht ein schöner Tag zu werden. Erst aber ist es noch kalt, als wir wieder ein Schneefeld nach oben stapfen. Diesmal ist es aber wesentlich einfacher. Es sind tiefe Spuren im Schnee, der Gletscher ist weniger steil und kürzer. Bald sind wir oben und haben ein herrlichen Blick auf die andere, bereits sonnige Seite der Scharte. In Erwartung eines warmen Tages ziehe ich hier schon meine lange Hose aus und behalte nur die langärmelige Jacke zunächst noch als wärmendes Teil an. Noch stehen wir im Schatten, und der ist recht kühl. Ich habe mein Klettergeschirr schnell angelegt und steige schon mal die erste Leiter senkrecht nach oben Richtung Sonne! Heute fühle ich mich ausgezeichnet und moralisch viel sicherer. Ich zögere nur einen Augenblick, als ich über einen kurzen, aber schmalen und sehr luftigen Grad hinüber muß. Ich überlege, ob ich auf die Jungs warten soll, damit ich da nicht alleine rüber muß. Aber letztendlich muß ich ja doch alleine gehen, und ein Drahtseil ist ja vorhanden. Als ich gerade mitten auf diesem schwindelerregenden Grad stehe, höre ich auf einmal Andreas von hinten rufen, ich solle warten. Auch daß noch!!! Na, mitten auf dem Grad bleibe ich bestimmt nicht stehen und gehe zügig weiter bis zur nächsten Felswand. Ich sichere mich und warte. Da ich keinen Blickkontakt mehr habe und hier auch nichts mehr hören kann, weiß ich nicht was los ist. Inzwischen stehe ich bereits in der warmen Sonne und genieße die wunderschöne Aussicht. Ein netter Wanderer, der vorbeikommt fotografiert mich an dieser ausgesetzten Stelle. Denn ich stehe auf einem schmalen Felsband, das in die riesige, senkrechte Felswand gehauen wurde. Das wirkt schon gewaltig. Dann endlich kommt Ro angeklettert. Andreas geht alleine zurück. Ich beuge mich ein Stück vor, und sehe ihn tatsächlich in der Tiefe über das Schneefeld zurückgehen. Ihm gehe es nicht gut, und er fühle sich heute den luftigen Höhen nicht gewachsen. Schade, wo doch gerade heute das Wetter so einzigartig ist. Wir gehen weiter, genießen die tollen Fernsichten und Ausblicke auf die gewaltigen Brentaberge und kommen gut voran. So gut, daß wir etliche Wanderer sogar überholen. Es macht total Spaß, vor allem bei diesem Kaiserwetter. Bald kommt eine steile Schneerinne, die wir queren müssen. Damit es leichter geht, schlagen einige Leute vor uns Stufen in den Schnee. Ein anderes Mal muß ein breites Schneefeld im Balanceakte gemeistert werden, da es keine Möglichkeit zum festhalten gibt ... ! Dafür ist eine gut ausgetretene Spur im Schnee. Mutig, mit festen Schritten stapfe ich zügig zur anderen Seite. Nur nicht lange hadern und drüber nachdenken. Uff - ich hab's geschafft! Außerdem, wenn ich sehe, wie andere Leute da sicher rübergehen, dann muß ich das doch auch hinkriegen.

Schon gegen 12.30 Uhr kommen wir an der Tosa-Pedrotti-Hütte an, wo wir Andreas treffen wollen. Um die ganze Hütte herum liegen und sitzen die müden Wandersleut', und genießen die Sonne. Wir verspeisen Kaffee und Kuchen und überlegen gerade, ob wir Andreas nicht entgegen gehen wollen. Auf einmal biegt der lachend um die Ecke und erzählt uns, er liege schon seit einer halben Stunde hinterm Haus auf den flachen Steinen und sonnt sich. Wir sind baff erstaunt, denn so früh hatten wir ihn nicht hier erwartet, da der Wanderweg doch weit außen herum führt. Den restlichen Nachmittag liegen wir dann also gemeinsam in der Sonne und brutzeln vor uns hin. Je später der Tag, desto öfter müssen wir mit der Sonne "wandern", denn im Schatten ist es empfindlich kühl. Liegen wir aber windgeschützt in der Sonne, ist es schön heißßßßß!

Mangels Dusche und Kleiderwäsche müffeln wir drei inzwischen ganz gewaltig. Die Jungs halten abends immer noch ihre stinkigen Socken an die Nase und schnüffeln daran - igitt, igitt! Ich bin momentan ganz froh drum, daß meine Füße so weit weg sind von der Nase. Und wenn ich abends das Tagshirt gegen das Nachtshirt eintausche, halte ich beim Umziehen die Luft an, sonst wird mir übel.

Diese Hütte ist nicht so gemütlich, hier fehlt es etwas an der gewohnten Hüttenatmosphäre, wirkt ein wenig wie eine nüchterne Kantine. Aber das Essen ist gut und wir schlagen wieder kräftig zu. Die Touren sind halt letztendlich auch strapaziös, und den ganzen Tag draußen, das zehrt schon am Körper und macht hungrig.

Das Lager ist diesmal ein Zimmerchen, das wir mit zwei Italienern teilen. Als wir zu Bett gehen, schlafen die allerdings schon ...

Montag, 2001-08-13

... und als wir in der Früh' wieder aufstehen, schlafen die immer noch! Während dem Frühstück diskutieren wir, ob wir heute den knackigen Klettersteig oder lieber den Wanderweg zur Agostinihütte "nehmen". Wir entscheiden uns für den Wanderweg. Der Weg ist wunderschön, wie auch das Wetter. An der Agostinihütte sind wir gegen Mittag und verzehren gierig jeder ein Panini (als ob wir heute noch nix gegessen hätten ...!) und trinken Apfelschorle dazu. Ein kalter Wind kommt auf. Doch der nächste Anstieg ist gleich wieder schweißtreibend. Es folgt ein kurzer, aber luftiger Klettersteig mit vielen senkrechten Leitern, der in einer Scharte endet. Bunte, kleine Blumen wachsen hier am Fels. Die Präsenz und die Schönheit dieser kleinen Geschöpfe der Natur faszinieren mich immer wieder aufs Neue. Gibt es doch sonst hier "nur" Fels und Stein, ein paar Flechten noch in kräftigen Farben. Oben an der Scharte angekommen, erwartet uns ein Blick ins andere Tal. Tief unten können wir ganz klein schon unser heutiges Ziel erkennen - die XII-Apostoli-Hütte. Die Stimmen der Menschen dort unten kann ich ganz schwach bis hierher hören. Über ein recht langes Schneefeld müssen wir nun absteigen. Ro benutzt als Stütze seinen Eispickel, ich habe zum Glück meine Wanderstöcke dabei, die Andreas und ich uns jetzt teilen. Nach ca. 1 ½ Stunden Gehzeit erreichen wir schließlich die Hütte. Der Außenbereich ist belagert mit vielen sonnenhungrigen, dürftig bekleideten Menschen. Andreas meint, diese Szenerie erinnert ihn an den Strand von Rimini - recht hat er!

Nach einem erfrischendem Getränk holen wir uns einen Chip für 5.000,00 Lire und können endlich mal wieder duschen und Haare waschen - welch' ein Segen. Als wir frisch geduscht jeder von uns Cappuccino und Kuchen nach draußen balanciert, ist fast kein Mensch mehr zu sehen. Wir staunen nicht schlecht, ob dieser plötzlichen Leere und angenehmen Ruhe. Die vielen Leute waren fast ausschließlich Tagesgäste. Die Hütte selbst ist gar nicht so groß und bietet nur wenige Übernachtungsmöglichkeiten. Die dafür sind erste Sahne. Wir haben ein Zimmer mit acht Betten, aber richtige Betten, mit Lattenrost und so. Die ganze Hütte ist ein einziges Schmuckstückchen. Sie ist wohl frisch renoviert, ganz liebevoll hergerichtet mit Blick fürs Detail und sehr netten Wirtsleuten. Gegenüber der Hütte ist ein riesiges Kreuz in den Fels gehauen. Hinter dem Kreuz befindet sich ein Hohlraum, in dem ein Altar steht. Wir gehen zwar nicht hin, aber das habe ich auf einer Postkarte gesehen. Wir bleiben so lange draußen sitzen, bis die Sonne lange, kühle Schatten wirft. Das Abendessen ist köstlich und wir essen wieder ohne Ende (beinahe). Mit am Tisch sitzt ein junges Pärchen aus Regensburg. Ihnen sind wir in den vergangenen Tagen schon ein paar mal begegnet. Später setzen wir uns hinter die Hütte auf eine Bank und warten auf den Sonnenuntergang hinter einer zackigen Bergkulisse. Wir wetten, wann die Sonne denn nun exakt hinter den Bergen verschwindet. Ich sage 20.15 Uhr - und auf die Minute genau versinkt der rote Feuerball um 20.15 Uhr ... Die meisten Hüttengäste sind jetzt draußen und genießen ebenfalls die schöne Abendstimmung. Direkt neben uns stehen zwei junge Männer und ein Mädchen, vermutlich Italiener. Auf einmal fangen die drei an in englischer Sprache zu singen. Die Gespräche um uns herum verstummen, und alles lauscht dem Acapella-Gesang. Nach Beendigung der spontanen Darbietung ernten die drei jungen Künstler heftigen Applaus - zu Recht, denn die haben das ganz klasse gemacht. Anschließend geht ein Gast mit einer Flasche Rotwein herum und schenkt jedem einen Schluck ein.

Dienstag, 2001-08-14

Aufstehen, zusammenpacken, frühstücken, Zähne putzen und ab in die Wanderschuhe. Weiter geht's auf unsere letzte Etappe. Wieder ist's ein schöner Tag. Es geht über Stock und Stein, über Schnee und Fels. Wir wandern um einen Bergstock herum, und es öffnet sich uns ein neues Tal. Die Brentaberge ragen zackig und mächtig vor uns auf, und in der anderen Richtung "ergießt" sich ein liebliches, saftig grünes Tal. Gegen Mittag kommen wir bei der Brentahütte an und füllen unsere Mägen. Ab jetzt geht's nur noch bergab ins grüne Tal hinab. Eigentlich war noch mal eine Übernachtung eingeplant. Doch wir liegen so gut in der Zeit, daß wir gleich bis zum Auto weiter laufen. Dort kommen wir um ca. 15.00 Uhr an. Im Vallesinella gibt's noch einen Abschlußcappuccino (schnüff!) und dann fahren wir wieder ab, Richtung Heimat.

In einem italienischen Supermarkt kaufen wir noch kräftig ein (Ramazzotti, Öl, Käse, Wein ...).

In der Nacht, ca. 23.30 Uhr sind wir in Lauf. Diese Nacht verbringen wir im Elternhaus von Andreas. Es ist eine wunderbar warme, sternklare Nacht. Gerne würde ich heute Nacht draußen schlafen. Das sage ich auch Andreas. Er stellt mir eine Liege auf die Terrasse, ich hole meinen Schlafsack aus dem Auto und fertig ist das Nachtlager. Früh erwache ich natürlich als Erste - es ist herrlich im Freien aufzuwachen. In Schnaittach will ich Brötchen holen, doch leider haben die Bäcker geschlossen, weil heute in vielen Gemeinden Feiertag ist. Als ich zurückkomme, ist Andreas aber auch schon wach. Er kümmert sich um die Brötchen, während ich auf der Terrasse das Frühstück richte. Es wird wieder ein heißer Tag, der heißeste in diesem Sommer laut Wettervorhersage - 35 Grad!

Ro und ich unternehmen eine kleine Wanderung durch den Wald bei Hirschbach. Eigentlich wollen wir den Norisklettersteig gehen. Aber zuerst finden wir lange nicht den richtigen Einstieg und dann stellt sich heraus, daß dieser Klettersteig mehr was für Kinder ist. Na ja, wir wandern durch den schönen, schattigen Wald zurück zum Auto. Den verbleibenden Nachmittag fahren wir mit den Rädern an der Pegnitz entlang. Eine wunderbare Stimmung erwartet uns hier - ruhig, idyllisch, landschaftlich einfach schön. Wir beschließen diesen herrlichen Tag, und damit auch den ereignisreichen und sehr aktiven Urlaub mit einem köstlichen Forellenessen in einem Gartenlokal in Hirschbach. Anschließend geht es -schluchz- endgültig zurück nach Würzburg.

© Monika Güttler