Eindrücke einer Fahrradreise durch Litauen, Lettland und Estland
Im Zuge der Auflösung der ehemaligen Sowjetunion erreichten die Baltischen Staaten ihre Unabhängigkeit und existieren seitdem wieder in ihren früheren Grenzen als eigenständige Republiken. Es sind Eesti (Estland) im Norden, Latvija (Lettland) in der Mitte und Lietuva (Litauen) im Süden. Hier zu Lande hört man über diese Staaten kaum etwas. Was liegt also näher, als sich selbst ein Bild davon zu machen?
Weite Ebenen, sanftes Hügelland
Am letzten Tag im Mai fahren mein Freund Georg und ich mit dem Zug von Speyer aus zur Insel Rügen - die Fahrräder sind wie immer unsere treuen Begleiter. Da das Fährschiff nach Klaipeda in Litauen erst am nächsten Tag loslegt, verbringen wir noch eine Nacht auf Rügen. Beim Aussteigen am Bahnhof in Sargad kommen wir mit einer Frau und ihren Kindern ins Gespräch und können kurze Zeit später unser Zelt auf einer Wiese hinter dem Pfarrhaus von Bobbin, einem kleinen idyllischen Dorf, aufschlagen. Obwohl am nächsten Tag ein Feiertag ist, besorgt uns der Pfarrer persönlich (!) frische Brötchen und lädt uns zum Frühstück ins Haus ein. Nach diesem unerwarteten "Traumstart" erreichen wir am übernächsten Tag die Stadt Klaipeda (früher: Memel) in Litauen, wo uns gleich ein satter Regenschauer empfängt.
In einem Lokal wärmen wir uns auf und lernen erstmals die gute einheimische Küche kennen. Weite Ebenen, sanftes Hügelland, dichte Wälder mit Sumpfgebieten, zahlreiche Flüsse und Seen: das sind die Hauptelemente Litauens, die uns erwarten. Über Kretinga führt die Fahrt durch den Zemaitijos-Nationalpark in Richtung der Grenze zu Lettland. In Salantai erhalten wir vom dortigen Pfarrer den Schlüssel für ein leerstehendes Haus direkt neben der Kirche. Da wir hungrig sind, gehen wir in ein von außen kaum zu identifizierendes winziges Lokal. Die Speisekarte ist in litauischer Sprache abgefaßt und auch der Wirt spricht keine andere Sprache. So lassen wir uns auf das erste kulinarische Abenteuer ein - die Kartoffelklöße mit Fleischfüllung schmecken gut! Anschließend bringt der Wirt uns noch ein anderes Gericht, das er uns später gar nicht berechnet. Dazu noch ein hervorragend schmeckendes litauisches Bier und wir können getrost die nächsten Tage in Angriff nehmen.
Bei Ezere überqueren wir am nächsten Tag die Grenze zu Lettland. Da ein Visum für die Baltischen Staaten nicht mehr erforderlich ist, gestaltet sich der Grenzübertritt für uns Radfahrer problemlos. Wir wollen nach Saldus, wo wir von einer lettischen Organisation mit dem Namen "EVA" zu einem Besuch eingeladen sind. Ziel dieser Organisation ist das lettische Kulturerbe zu bewahren und Talente verschiedenster Art auf dem Land zu fördern.
Begegnungen der ländlichen Art
Von den rund 65 000 km² der Landoberfläche Lettlands sind 39 % mit Wald bedeckt. Daneben gibt es noch über 3000 Seen und 12 000 Wasserläufe. Die Fahrt nach Saldus vermittelt uns einen ersten Eindruck von der Naturschönheit Lettlands. Dazu ist das Land noch sehr dünn besiedelt (38 Einwohner pro Km²/Deutschland: 228 Einwohner pro Km²) und auf dem Land hält sich der Straßenverkehr in Grenzen. Nach einer Fahrt von 120 Km erreichen wir die Stadt Saldus, wo wir von Frau Aija Maurina, der Leiterin der Organisation "EVA" herzlich begrüßt werden. Sie spricht sehr gut Deutsch und wir können in ihrer kleinen, aber hübsch eingerichteten Wohnung die nächsten zwei Tage bleiben. Während dieser Zeit erfahren wir viel über die Geschichte und Kultur Lettlands. Da sie auch noch einen Bauernhof betreibt, werden wir mit frisch zu-bereiteten lettischen Speisen verwöhnt. Selbst hergestellte Milchprodukte, Marmeladen, Honig, Kompott - um nur einige zu nennen. Das lettische Schwarzbrot (mit Kümmel) schmeckt hervorragend und hält jeden Vergleich mit einem deutschen Brot stand. Selbst gezapfter Birkensaft ist für uns ungewöhnlich - schmeckt aber sehr erfrischend und hat Heilwirkung. Frau Maurina zeigt uns die Wirkstätte eines Holzkünstlers, der mit verschiedenen Holzarten wunderschöne Drechselarbeiten fertigt. Überhaupt werden die traditionellen Kunsthandwerke wie Holzschnitzen, Weben, Herstellen von Keramik, Korbflechten sehr gepflegt. In einer Schule werden wir (an einem Sonntag!) von der Schuldirektorin und einer Lehrerin persönlich empfangen. Das Schulgebäude in Remte ist ein ehemaliges Schloß eines deutschen Grafen. Man zeigt uns das interessante Schulmuseum, führt uns durch den riesigen Park mit mächtigen Eichenbäumen und eine Schülerin spielt extra für uns auf der Gitarre und singt lettische Volkslieder. Nach diesem beeindruckenden Aufenthalt fällt es schwer Abschied zu nehmen. Auf endlos er-scheinenden Straßen fahren wir weiter in Richtung Riga, der Hauptstadt und mit 850 000 Einwohnern auch größten Stadt in Lettland.
Quer durch Lettland nach Norden
Beim Bummel durch die Straßen Rigas wird einem sofort klar, weshalb in den 30-iger Jahren die Stadt die Bezeichnung "Paris des Nordens" erhielt. Die großartige Architektur mit Beispielen aller Baustile vom Mittelalter bis zur Moderne ist Grund dafür, daß Riga im Verzeichnis des Weltkulturerbes der UNESCO eingetragen ist. Prächtige Bauwerke aus dem Mittelalter bis in die Zeit des Jugendstils, alte Stadtmauern und Kirchen prägen die Altstadt (Vecriga). Am nächsten Tag fahren wir auf der Autobahn (!) bis Riga und durch die Stadt weiter in Richtung des Gauja-Nationalparkes (auch Livländische Schweiz genannt).
Der Gauja-Fluß zieht sich in zahlreichen Kehren und Mäandern durch unberührte Wälder und hat sich im Laufe der Jahrtausende dabei tief ins Gestein eingegraben. Bis zu 30 m hohe rotbraune und goldgelbe Sandsteinkliffs mit Höhlen, Grotten und Klammen säumen seinen Lauf.
Bevor wir die mittelalterliche Stadt Sigulda erreichen, heißt es erst einmal eine kilometerlange Baustelle mit aufgerissener Straßendecke zu durchqueren. Für den Autoverkehr ist hier gesperrt - um so ruhiger können wir später weiter fahren. Sigulda liegt in der Vidzeme-Region - viele Burgen, alte Holzhäuser und jede Menge Natur sind die Hauptanziehungspunkte dieses Gebietes. Die Burg Turaida, einst eine alte Festung der Liven und die Umgebung Siguldas erkunden wir am nächsten Tag per Rad und zu Fuß. Abends übernachten wir in einem relativ neuen Gästehaus. Der Inhaber kommt mit dem Auto vorbei und erkundigt sich persönlich nach unserem Wohlbefinden. Dann fährt er weg, doch eine Stunde später - es ist schon fast 22 Uhr - kommt er wieder vorbei und schenkt mir eine Musikcassette, nach der ich mich vorher erkundigt hatte ...
Mit der Frau an der Rezeption unterhalten wir uns noch lange am Abend bei einem Glas Bier. Auch das lettische Bier schmeckt hervorragend. Am nächsten Morgen laden wir sie vor unserer Abfahrt noch zum gemeinsamen Frühstück ein. So etwas hat sie bisher noch nicht erlebt; sie kann es kaum fassen und findet es "very, very interesting".
Césis, eine Stadt mit fast unverändert gebliebenen Holzhäusern und einer imposanten Festung ist einen Zwischenstop wert. Ebenso der dortige große Markt. Wie sehr naturverbunden die Letten sind, zeigt auch der in allen Städten anzutreffende Blumen- und Pflanzenmarkt. Die Vielfalt der Feld- und Wiesenblumen, die hier angeboten wird, ist atemberaubend.
Hinter Valmiera geht die Fahrt weiter in Richtung der Grenze zu Estland. Unser Zeltplatz am Gauja-Fluß bei Strenci beschert uns einige Schnaken beim Abendbrot, aber auch zwei Biber, die am Flußufer ihr Bauwerk verrichten. Nur das gegenüber liegende Sägewerk hat wohl von Nachtruhe noch nie etwas gehört ...
Estland - Offenheit und Weite
Bei Valka überqueren wir die Grenze nach Estland - eine Beschilderung ist so gut wie nicht vorhanden.
Estland hat rund 1,5 Millionen Einwohner: 450 000 davon leben allein in der Hauptstadt Tallinn. Auch Estland ist dicht mit Wald bewachsen und hat viele offene Freiflächen. Wenige Höhenzüge, dafür viele Moränenlandschaften und ausgedehnte Moorlandschaften sowie sich weithin erstreckende Sandstrände prägen weite Teile des Landes. Diese Weite, die wir seit einigen Tagen spüren und erleben, wirkt sich beruhigend auf uns aus und erzeugt außerdem eine neue Form von Offenheit, die wir den dortigen Menschen entgegenbringen und die vor allem auch uns entgegen gebracht wird. An einem Haus mitten auf dem Land fragen wir an, ob wir unser Zelt aufstellen dürfen. Der Mann spricht Englisch und sogar etwas Deutsch und wir können uns den Platz auf dem riesigen Grundstück sogar aussuchen. Zwei Stunden später werden wir zum Essen ins Haus gerufen und am nächsten Morgen dürfen wir den Platz nicht verlassen, bevor wir die köstlichen Pfannkuchen mit Marmelade, die vor unseren Augen frisch zubereitet werden, nicht probiert haben. Frisch gestärkt geht es durch eine seenreiche Landschaft. Das Bad im See ersetzt heute die Dusche. Otepää und Tartu sind die weiteren Stationen. Tartu, eine alte aber lebendige Universitätsstadt wurde 1632 gegründet. Der Rathausplatz lädt zu einer Rast mit Blick auf neuklassizistische Fassaden ein.
Entlang von Wiesen und kilometerlangen Birkenwäldern führt die Fahrt über Jogeva weiter in Richtung Tallinn. Ein Bauernhof am Waldrand ist unser heutiger Übernachtungsplatz. Diesmal brauchen wir gar nicht erst unser Zelt aufzuschlagen, denn man überläßt uns das Zimmer eines Sohnes im Haus ... Trotz Sprachschwierigkeiten verstehen wir uns prächtig. Alles hier ist sehr, sehr einfach - doch die Gastfreundschaft ist herzlich und echt. Vor dem Schlafengehen unternehmen wir noch einen Spaziergang im nahegelegenen Wald. In einem kleinen Flußlauf beobachten wir zu unserer Überraschung aus nächster Nähe ein Prachtexemplar eines Bibers. Ein unvergeßliches Erlebnis!
Wieder dürfen wir das Haus nicht verlassen, bevor wir etwas gegessen haben. Voller neuer Eindrücke setzen wir unsere Fahrt nach Tallinn fort. Die Nebenstrecke, die wir ausgesucht haben, ist kaum befahren und unsere Stimmung steigt von Tag zu Tag. An einem abgelegenen Anwesen dürfen wir unser Zelt unter Obstbäumen aufschlagen. Später werden wir zu einem spontanen Grillabend eingeladen. Während Georg sich als Meister im Grillen erweist, erzählt uns der Mann des Hauses, ein Hochschulprofessor aus Tallinn (!) viel über Estland, seine Menschen und die Probleme des Landes. So können wir mehr Verständnis für Dinge mitbringen, die wir ansonsten gar nicht oder verzerrt durch die Medien erfahren würden.
Straffer Gegenwind bläst uns heute ins Gesicht, als wir die Außenbezirke von Tallinn erreichen. In einem Hostel in der Nähe der Altstadt bleiben wir eine Nacht und sind die einzigen Gäste. Die Fahrräder dürfen wir getrost in den Flur stellen.
Tallinn besteht aus einem unversehrten, mittelalterlichen Stadtkern, umgeben von Gebäuden aus der Sowjetzeit. Die reiche geschichtliche Vergangenheit der Stadt mit ihrer prachtvollen Architektur veranlaßte die UNESCO, Tallinn in die Liste der "Kulturerbe der Welt" aufzunehmen.
Der Raekoja plats (Rathausplatz) bildet das Herz der Stadt, das vom mittelalterlichen Rathaus (1371 - 1404 erbaut) beherrscht wird. Tallinn ist eine mittelalterliche Stadt, die noch von den ursprünglichen Befestigungsmauern umschlossen ist und viele historische Schätze birgt.
Noch einmal Richtung Osten
Während Georg mit der Fähre von Tallinn nach Rostock und von dort aus wieder nach Hause fährt, habe ich noch eine Woche Zeit und fahre zunächst mit dem Zug von Tallinn über Tartu nach Valga an die estnisch-lettische Grenze. Ohne Beschilderung ist der richtige Weg nach Lettland gar nicht so einfach zu finden. Nach einem Zwischenstop in Smiltene ("Town of Three Hills") und einer Fahrt ohne nennenswerte Dörfer oder Städte frage ich in einem kleinen Weiler, ob ich hinter dem Haus mein Zelt aufschlagen kann. Man erlaubt es mir, doch kaum habe ich es aufgebaut, ruft man mich ins Haus. Hier teilt mir die Tochter der Familie in sehr gutem Englisch mit, daß die Familie heute nur zu Besuch war und früher in diesem Haus die Großmutter lebte. Da die Familie jetzt wieder nach Hause fahren muß, soll ich die Nacht im Haus verbringen. Sie übergeben mir den Haustürschlüssel, den ich morgens nach dem Verlassen des Hauses neben der Toilette deponieren soll ...
Nach so viel Entgegenkommen - wohlbemerkt einem wildfremden Menschen gegenüber - bin ich am nächsten Morgen immer noch sprach-los, als ich parallel zur russischen Grenze in Richtung Madona weiter fahre. In Cesvaine entdecke ich ein Jagdschloß, das eine Familie Wulf aus Deutschland im 18. Jahrhundert hat errichten lassen. Bei einer Führung zeigt man mir die Räumlichkeiten und als ich mehr beiläufig nach einem Übernachtungsquartier im Ort frage, bietet man mir gleich ein geräumiges Zimmer im Schloß an! Da das Zimmer zudem nicht teuer ist, bleibe ich sofort hier. Später stellt sich heraus, daß die Dusche nicht funktioniert und so gibt man mir, ohne das ich überhaupt gefragt habe, einen Teil des Übernachtungspreises wieder zurück.
Überall in Lettland begleiten Störche meinen Weg. Nur wenige Meter von der Straße entfernt gehen sie ungestört ihrer Futtersuche nach. Jékabpils ist der letzte größere Ort vor der Grenze nach Litauen. Nach einem Einkauf in einem Tante-Emma-Laden werde ich von einer Familie spontan zu Kaffee und Kuchen nach Hause eingeladen. Diesmal ist es eine russische Familie. In dem Gebiet, das ich jetzt durchfahre, wird fast nur russisch gesprochen. Die Tochter im Haus geht noch zur Schule und kann recht gut Englisch, was die Verständigung sehr erleichtert. Nach dieser unerwarteten Stärkung fahre ich am Abend - erst gegen 23 Uhr kommt die Dämmerung - bis zu einem kleinen Bauernhof. In der Nähe des dortigen Storchennestes (Nachwuchs ist bereits vorhanden) kann ich mein Zelt aufschlagen. Obwohl die Bewohner kein Wort Englisch oder Deutsch verstehen und ich auch nur wenige Wörter Lettisch kann, bringen sie mir einen Teller mit Essen. Einfachste Küche - aber von Herzen kommend.
Über den Mittelpunkt Europas nach Vilnius
Eine 23 Km lange Kalk- und Schotterstrecke schlimmster Art fordern mich und mein Rad heraus, bevor es bei Subate - wieder einmal fast ohne jegliche Beschilderung - über die Grenze nach Litauen geht. Zu meiner Überraschung wird die Topographie jetzt immer hügliger und auch der Wind setzt mir zu. An einem See mit wunderschön blühenden gelben Seerosen lege ich eine Pause ein und biete zwei zufällig dazukommenden Einheimischen ein paar Nüsse an. Kurz darauf werde ich zum Übernachten eingeladen. Da es aber noch sehr früh am Tag ist, lehne ich dankend ab und fahre weiter. Nur wenige Kilometer später sehe ich mehrere Rehe auf einer Wiese äsen. Nach einer weiteren Übernachtung in der Nähe eines Anwesens fahre ich am darauf folgenden Tag über Utena und Molétai nach Vilnius, der Hauptstadt Litauens. Vorher passiere ich noch den geographischen Mittelpunkt Europas- der, wer hätte das gedacht, tatsächlich in Litauen liegt.
Vilnius überrascht mit geschlossen restaurierten Straßenzügen, zahlreichen Kirchen, einer Kathedrale und Häusern im Barockstil. Ein offenes, westlich orientiertes Publikum ist nicht nur nahe der Universität zu finden. Über ein Drittel der Stadtfläche von Vilnius besteht übrigens aus Parks und Alleen. Einen guten Überblick über die Stadt erhält man vom Gediminas-Turm der Burganlage, die im 14. - 16. Jahrhundert errichtet und nach ihrer Zerstörung zu Beginn unseres Jahrhunderts teilweise restauriert wurde. Die Litauer sagen nicht umsonst: "Wer nicht auf dem Gediminas-Turm gewesen ist, der hat Vilnius nicht gesehen". Abends lasse ich mir in den zahlreichen Straßenlokalen das gute einheimische Bier schmecken.
Per Bus unternehme ich am nächsten Tag einen Ausflug zur Wasserburg von Trakai, die malerisch am Galvessee liegt und nur über einen Steg zu erreichen ist. Als Residenz der Großfürsten von Litauen und als Bollwerk gegen die Kreuzritter wurde sie im 14. Jahrhundert gebaut. Heute beherbergt sie ein historisches Museum. In Trakai selbst lebten bzw. leben sog. Krim-Tataren, die einst von der Krim hierher verschleppt wurden. Bei meiner Radtour durch die Ukraine zur Halbinsel Krim hatte ich diese Bevölkerungsgruppe bereits kennengelernt.
Klaipeda und die Kurische Nehrung
Ein Abenteuer besonderer Art ist die Fahrt mit dem Zug von Vilnius nach Klaipeda. Denn das Abenteuer besteht darin, das Fahrrad trotz zahlreicher Bedenken der Schaffnerin in den Zug zu bekommen. Nach einigem Hin- und Her wird es senkrecht in das Dienstabteil gestellt und das Abteil verschlossen. Nun kann die fünfstündige Fahrt losgehen.
Den Ausgangs- und Endpunkt der Reise, die Hafenstadt Klaipeda, erreiche ich am späten Abend. Ich übernachte in der Jugendherberge, die ich allerdings erst nach langem Suchen und Fragen in einer Seitenstraße finde. Bevor ich mit dem Fährschiff wieder nach Deutschland zurückfahre, unternehme ich am nächsten Tag noch eine Radtour entlang der Kurischen Nehrung. Neben den größten Dünen Europas ("Litauische Sahara"), Fischreiher- und Kormorankolonien, sind kleine, ehemals von deutschen Siedlern gegründete Ortschaften (wie Nidda mit dem Thomas-Mann-Museum) eine Augenweide. Leicht hügelig windet sich die Straße durch Heidegebiete, durch abwechslungsreiche Laub- und Nadelwälder und gibt immer wieder Blicke auf das Kurische Haff und die Ostsee frei. Ein Bad im Meer an einem kilometerlangen Sandstrand rundet einen wunderschönen Tag ab.
Drei Wochen mit dem Rad durch drei Länder gehen langsam zu Ende. Wir haben eine intakte Natur, unbeschreibliche Gastfreundschaft, warme und offenherzige Menschen kennengelernt und neue Bekanntschaften geschlossen. Litauen, Lettland und Estland sind uns näher gerückt.