Einleitung
So in der zweiten Augusthälfte merkt man leider manchmal, daß der Sommer nach den Sommerferien gar nicht mehr so lang ist. Aber auch noch nicht vorbei. Der eine oder andere Besuch in den Alpen läßt sich noch einrichten.
So ging es mit Ulrich an so einem Wochenende ziemlich gegen Ende des Monats August nach Italien. Es gibt ein Gebiet von Italien, das nach seinem Hauptort Livigno genannt wird. Eines der größten Täler Italiens, das zum Schwarzen Meer und nicht zum Mittelmeer entwässert wird. Man kommt dorthin nur über Pässe, die im Winter gesperrt sind oder durch einen Tunnel in die Schweiz, der einspurig ist und Richtungsampeln hat. Man muß also warten, bis der ganze Gegenverkehr durch den 3.5 km langen Tunnel durch ist, bevor man durchfahren darf. Und für Autos kostet es immerhin 10 EUR bzw. 15 CHF. Jedenfalls war es immerhin noch Sommer und die Pässe waren noch offen und über einen davon bin ich mit Ulrich gefahren. Ein ganz kleines Sträßchen, aber es gab wirklich sehr viel Verkehr an dem Tag und nicht nur Radfahrer. Aber es war halt schönes Wetter, da muß man wohl noch schnell ein bißchen raus in die Natur... Der Paß heißt je nachdem, wen man fragt Livignopaß, Passo di Livigno, Forcola di Livigno oder Passo di Forcola oder so ähnlich. Da sich in der Gegend drei Sprachen auf engem Raum treffen, Rhätoromanisch, Deutsch und Italienisch, gibt es natürlich jeweils noch mehr Varianten, man denke erst noch an die vielen Dialekte dieser drei Sprachen. Selbstverständlich kennt jeder in der Gegend, den man fragt, nur jeweils einen Namen, die anderen sind alle falsch. Zum Glück konnten wir den Weg aber finden, ohne zu fragen.
Tag 1: 2006-08-26 (6)
Mit insgesamt fünf Zügen kamen wir zu einem Bahnhof Berina-Diavolezza, der mitten in der Landschaft ganz ohne begleitenden Ort an der Nordrampe des Berninapasses liegt. Man kann dort mit der Seilbahn zu irgendeinem hochgelegenen Punkt, der eigentlich Diavolezza heißt, kommen. Oder mit dem Fahrrad zum Berninapaß, es ist nicht mehr so weit und die Station "Berninapaß" liegt doch eigentlich recht weit weg von der Straße, da die Bahn einen anderen Übergang als die Straße nimmt. So haben wir den Berninapaß recht schnell erreicht und gönnen uns oben eine kleine Pause.
Nach einer kurzen Abfahrt kommen wir zu einer Abzweigung nach links. Natürlich muß man von der Schweiz nach Norden fahren, um über diesen Multinamenspaß nach Italien zu kommen. Ein paar hundert Meter Anstieg über eine sehr schöne, aber eben leider doch an diesem Tag etwas stark befahrene kleine Straße brachten uns auf den Paß. Dort kann man gleich nach der Grenze Sigarette, Tabak, Schnaps, Wein, Schokolade, Käse u.s.w. kaufen. Alles billig, vor allem wenn man vergißt, daß es nicht ITL und nicht CHF, sondern EUR sind. Oder wenn man wie wir gleich das Kaufen ganz vergißt, denn zum Glück hatten wir nicht viel Platz im Gepäck und so haben wir unsere EUR behalten und nur zwei Aufkleber "Passo Forcola" gekauft.
Das Tal scheint ein kleines Disneyland oder Neuschwanstein oder so etwas zu sein. Alles sind echt original alpen-stil Holzhäuser, mitten in Italien. Naja, vielleicht ist das auch der italienische Baustil in den Alpen. Und es gab einen Zeltplatz nach dem anderen. Im Laden an der Grenze hat uns die Verkäuferin genau beschrieben, wo die beiden Zeltplätze sind. Der erste nach 12 km und der zweite nach 27 km am Livignosee. Den wollten wir nehmen. Erst kam der Ort Livigno und noch ein paar Orte des Umfeldes. Es gab natürlich viele asphaltierte Wege, zum Teil sogar zwei direkt nebeneinander, vielleicht einer für Wanderer und einer für Fußgänger, zum Teil noch ein dritter auf der anderen Seite des Flusses. Nur leider bogen die irgendwann in eine Richtung ab, die nicht uns interessiert und so waren wir nicht traurig, auf der Straße geblieben zu sein.
Der Livignosee ist ein Stausee kam auch bald, man konnte dort auch wunderbar baden, aber der Zeltplatz kam nicht. Es war auch kein Platz, denn dieser See lag doch eingezwängt zwischen ziemlich steilen Bergwänden. Nach den besagten 27 km waren wir schon im Tunnel und da war auch kein Zeltplatz, schon gar nicht ein Zeltplatz am See. Kurz vor dem Tunnel kam erst die Grenze mit den italienischen Zöllnern, dann fuhren wir über die Staumauer und auf der Staumauer war die Mautstation, wo die Kassiererin uns erst nicht so recht durchlassen wollte, bis wir ihr sagten, daß wir tatsächlich durch den Tunnel fahren wollten, daß wir sogar bereit wären, zu warten, bis die Ampel grün wird und daß wir uns auch damit abfinden würden, daß es im Tunnel kalt sein könnte. Die Ampel wurde bald grün und nachdem uns ein Auto überholt hatte, hatten wir die ganze Röhre für uns alleine. Es ging leicht bergab, so daß wir mit 30 km/h und mehr fahren konnte und so war das Tunnelerlebnis ausgesprochen kurz, sicher kurz genug um nicht zu erfrieren.
Auf der anderen Seite kamen wir auf die Ofenpaßstraße, aber wir wollten herunter nach Zernez, nicht herauf zum Paß. Vielleicht in einem anderen Jahr einmal, denn da geht es auch zum Etschtal, nach Stilfs, zum Stilfser Joch, zum Reschenpaß, nach Meran, zum Umbrailpaß und überhaupt bis nach Slowenien und in die Ukraine. Ein anderes Mal wäre das ja noch eine Idee, wenn wir mehr Zeit haben als ein Wochenende oder wenn Ulrich so fit ist, daß er mit mir so etwas mit dem Tandem nur mal so eben kurz erledigt... Also sollte es natürlich herunter gehen, aber das war auch wieder nicht so, wir mußten doch noch 180 Höhenmeter bewältigen und nach nach "Ova Spin" fahren. Man sich merken, "Ofenpaß spinnt". Die Gegend war aber schön. Das ist sogar ein Schweizerischer Nationalpark.
Tag 2: 2006-08-27 (7)
In Zernez haben wir dann gezeltet und am nächste Tag sind wir nur noch bis Schuls gefahren. Das war alles im oberen Inntal, wir haben sogar ein paar Kajakfahrer im Fluß gesehen. Schuls (Scuol-Tarasp) ist der letzte Bahnhof, danach kommt noch Martina und dann die Grenze.
Das Inntal war stellenweise sehr schmal und man konnte teils hoch über den Fluß und dann wieder in der Nähe des Wassers fahren. Wenn man der Veloland-Schweiz-Route folgt, kommt man über ein hochgelegenes Dorf mitten im Hang und hat noch kurz 400 Höhenmeter extra, wohlgemerkt innabwärts. Vielleicht machen wir das beim nächsten Mal so.
Die Rückfahrt war etwas einfacher, wir hatten von Schuls nach Landquart einen Schmalspurzug durch den Vereinatunnel und dann war es nicht mehr so schwierig, bis Schaffhausen zu kommen.