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Osterreise durch Serbien

Karl Brodowsky, gefahren 2015-04-02 bis 2015-04-07, geschrieben 2016

Einleitung

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Zu Ostern hat man vier Tage frei, ohne Ferientage zu verbrauchen. Und um diese Zeit hat man in großen Teilen von Europa schon gutes Wetter. Es bietet sich also an, eine kleine Reise zu machen und Fahrradtouren sind immer eine tolle Möglichkeit dafür.

Die Suche nach Reisezielen konzentrierte sich zunächst auf Orte, die sich mit einem Nachtzug erreichen lassen. Da in dem Bereich die ÖBB sehr aktiv ist, gibt es viele gute Verbindungen in Richtung Ungarn, Serbien, Kroatien, Slowenien in die Slowakei und natürlich nach Österreich selbst. Dies interessierte mich sehr, aber als ich konkret nachschauen wollte, gab es keine Züge in dieser Richtung mit Fahrradmitnahme und freien Plätzen mehr.

So schaute ich mir die Anreise auf dem Luftweg als Möglichkeit an. Reiseziele im Norden von Kroatien sind doch normalerweise gut mit dem Zug in einer Nacht zu erreichen und das könnte ich in einem späteren Jahr einmal machen. Dagegen ist Belgrad (Београд) schon nicht mehr so gut mit dem Zug erreichbar, weil man eine Nacht und danach auch noch einen großen Teil des Tages unterwegs ist und erst nach 17:00 ankommt. Und in Serbien war ich auch vorher noch nie und es wäre sicher interessant, dieses Land kennenzulernen.

Bei den Wegweisern und überhaupt bei der Schrift gibt es eine Besonderheit: Serbisch kann man auf zwei Arten schreiben, mit dem lateinischen Alphabet, das wir auch verwenden. Dann kommen noch ein paar Zeichen dazu, wie man sie von anderen slawischen Sprachen auch kennt. Oder mit kyrillischer Schrift.

Die kyrillische Schrift ist ähnlich wie bei Russisch, aber auch hier gibt es ein paar zusätzliche Zeichen, die man für Russisch nicht verwendet. Generell ist Serbisch aber eine recht phonetisch geschriebene Sprache, das heißt, dass für denjenigen, der die Ausspracheregeln kennt, die Wörter ziemlich regulär lesbar sind. Das ist z.B. bei Englisch, Arabisch oder gar Chinesisch so nicht der Fall ist und nur mit großem Lernaufwand der einzelnen oder zumindest sehr vieler Wörter erreicht man die Fähigkeit, Wörter vorzulesen. Und bei Deutsch, Schwedisch, Russisch, Spanisch oder Französisch ist es nur teilweise der Fall, weil es zwar Ausspracheregeln gibt, an die sich die meisten Wörter halten, aber doch ein paar Unregelmäßigkeiten sich eingeschlichen haben oder weil ein Teil der Wörter rein von der Schreibweise mehrere Aussprachen erlauben würde.

Die Wegweiser sind zum Teil in der einen, zum Teil in der anderen Schrift und zum Teil in beiden Varianten beschriftet. Wenn Wegweiser zu verschiedenen Orten beieinander stehen oder sogar auf demselben Schild, findet man auch alle Mischungen dieser Varianten. Es ist also hilfreich, vorher die kyrillische Schrift ein wenig zu üben, egal ob mir Russisch, Bulgarisch, Serbisch, Ukrainisch oder Weißrussisch. Ich hatte Unterricht für Russich und übe die Vokabeln mit der App Duolingo. Um nur die Schrift zu üben, kann man Ukrainisch oder Russisch die ersten paar Lektionen in der App anfangen und hat nach ein paar Stunden genug, um die Schriftzeichen lesen zu können. Vielleicht gibt es Online-Kurse für Serbisch, was noch besser wäre.

Die Menschen sind meist Serben, obwohl es mindestens ein Dutzend nationale Minderheiten gibt. Es ist also ideal, wenn man Serbisch kann, was bei mir leider nicht der Fall ist. Deutsch können nur sehr wenige, jüngere Leute können oft etwas Englisch und ältere oft Russisch. Wie es scheint, ist im Moment die Schreibweise mit den lateinischen Buchstaben bei den Menschen etwas beliebter, denn die Werbung verwendet überwiegend diese Schrift. Man hat mir aber versichert, dass alle Schüler beide Schriften so gut lernen, dass keine von beiden eine Schwierigkeit oder Hürde darstellt und dass es rein eine Frage des Geschmacks und nicht des Könnens sei, welche Schrift man bevorzuge. Das finde ich glaubwürdig.

Tag 1: Anreise nach Belgrad (Београд)

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Schon am Donnerstag ging ich direkt nach der Arbeit zum Flughafen. Dort ließ sich das Fahrrad gegen Einwurf von etwas Geld in einen Karton verpacken und wurde dann gegen Einwurf von weiterem Geld auch gerne befördert. Beim Checkin schaute man etwas verblüfft, weil mein Pass gerade nach meiner Rückkehr ablaufen sollte, aber alles war gut.

Der Flug funktionierte auch bis auf eine größere Verspätung gut und weil es sogar mit der Landung geklappt hat, klatschten alle Passagiere. Die Reisenden waren ganz überwiegend aus Serbien. Ironischerweise war sogar eine Gruppe von Lehrern dabei, die in der Schweiz etwas lernen wollten, wie dort die Schulen sind. Dabei sind wohl die serbischen Schulen um einiges besser als die Schweizer Schulen, man macht zumindest in Mathematik und wohl auch in anderen Fächern einfach mehr als doppelt so viel wie in der Schweiz oder in Deutschland und kommt zu richtig ernsthaften Themen und richtigen Beweisen, die in den deutschsprachigen Ländern der Universität vorbehalten bleiben. Aber es kann ja trotzdem nicht schaden, sich Anregungen aus anderen Ländern zu holen. Nur die Arroganz, anzunehmen, dass in Deutschland, der Schweiz oder wo auch immer sowieso alles besser sei, sollte man sich abgewöhnen. Wirtschaftsdaten sind wichtig, aber sie sind nicht alles und sie stellen nur den heutigen Zustand dar, der auch Veränderungen und Verschiebungen unterworfen ist.

In Belgrad war es dann eine Herausforderung, alles wieder zusammenzubauen und irgendwann kam dann auch die nächtliche Schließung des Flughafens in Sicht, aber es war rechtzeitig fertig und man beruhigte mich eher noch, dass es nicht soo eilig sei. Taxichauffeure boten mir dann an, mich mitzunehmen, da es so billig sei. Aber ich fuhr natürlich selber. Die Straße parallel zur Autobahn in Richtung Stadt gab es nur auf google-Maps, nicht aber in der Wirklichkeit. Auf der Autobahn fuhr es sich aber gut und man wurde auch nicht von Idioten am Steuer angehupt. Der Randstreifen war breit und gut asphaltiert. Ein paar Abfahrten später war dann schon das Hotel, wo ich übernachten wollte.

Belgrad (Београд) heißt wörtlich übersetzt eigentlich "Weißenburg" und im Mittelalter und bis ins 19. Jahrhundert hinein wurde die Stadt auch Griechisch Weißenburg genannt, wohl um es von anderen, gleichnamigen Städten unterscheiden zu können. Im 19. Jahrhundert ist dieser Name in deutschsprachigen Texten aber durch "Belgrad" verdrängt worden.

Es war schon nach Mitternacht. Auf meine Frage, ob man mitten in der Woche noch irgendwo etwas trinken könne, um ein paar Leute zu treffen, war die Antwort, dass das doch wohl selbstverständlich sei. In Serbien war Ostern in diesem Jahr eine Woche später als in Mitteleuropa, deshalb war es mitten in der Woche. Aber der Unterschied zu einem Freitag oder Samstag war nicht wirklich zu erkennen.

Tag 2: Belgrad (Београд) - Neusatz (Novi Sad / Нови Сад)

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Nationalstraße Belgrad - Novi Sad

Nach einer etwas verkürzten Nacht und etwas spät am Morgen machte ich mich auf den Weg nach Norden. Aus Belgrad heraus war es kein Problem. Bald nach der Stadt wurde die Nationalstraße sehr schmal, so wie in Deutschland eher Nebenstraßen sind. Es war eine Betonstraße, die Gegend war eher landwirtschaftlich geprägt, einigermaßen flach. Oft war die Straße eine schöne Allee. Die Landschaft sah ähnlich aus wie in Mitteleuropa. Vor dem ersten Weltkrieg war die Grenze im heutigen Belgrad und dieses Gebiet gehörte zu Österreich-Ungarn.

Bald kam ich in die Vojvodina (Војводина, deutsch auch Wojwodina oder Woiwodina, ungarisch Vajdaság). Das ist ein Gebiet mit einer bedeutenden ungarischen Minderheit, aber ich habe doch in den Tagen fast ausschließlich Serben getroffen.

So am Abend wurde es etwas bergiger. Überall wurde Wein angepriesen. Serbien hat auch guten Wein, wenn der auch nicht seinen Weg in die Weinregale unserer Supermärkte findet. Man kann sich vorstellen, dass sich die Weinbauregion Slawonien auf der serbischen Seite der Grenze fortsetzt.

Donaubrücke in Novi Sad

Dann kam auch bald Neusatz (serbisch: Novi Sad oder Нови Сад, ungarisch: Újvidék, slowakisch: Nový Sad). In der Stadt musste ich die Donau auf einer langen Brücke überqueren. Dies war die im Jahr 2000 wieder aufgebaute Varadin-Brücke. Dann war ich schon bald mitten in der Stadt und fand auch mein Quartier für die Übernachtung.

Ach ja, man sagt, dass die Serben sehr aggressive Autofahrer seien. Das stimmt sicher, aber ich würde sagen, dass sie sich damit in dem Rahmen bewegen, den man aus anderen Ländern in Mitteleuropa kennt. Man kann also trotzdem ganz gut dort fahren.

Tag 3: Neusatz (Novi Sad / Нови Сад)

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Novi Sad

Die Stadt ist recht sehenswert. Es gibt eine tolle Burg, einige sehr schöne orthodoxe Kirchen, eine Synagoge und auch sonst einige interessante Gebäude. So beschloss ich, zwei Nächte zu bleiben und konnte mir die Stadt und die Burg und auch die Weinhändler in der Nähe in Ruhe anschauen. Eine Flasche Wein nahm ich mit.

Festung in Novi Sad Festung in Novi Sad

In der Burg gab es die Möglichkeit, serbisches Essen zum Mittag zu bekommen. Danach habe ich immer Ausschau gehalten, denn ich finde es interessanter, einheimisches Essen zu probieren als bei irgendwelchen Systemgastronomen etwas zu konsumieren, was überall auf der Welt gleich schlecht schmeckt.

Tag 4: Neusatz (Novi Sad / Нови Сад) - Schabatz (Šabac / Шабац)

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Donau

Über die Varadin-Brücke kam ich wieder auf das Südufer der Donau. Diesem folgte ich einfach bis kurz vor der kroatischen Grenze. Dann bog ich auf einer relativ kleinen Straße nach Süden ab. Sie führte teilweise durch kleine Bauerndörfer, war dann aber auch ein kurviger Anstieg durch Wald. Ich kam in das Naturschutzgebiet Fruška Gora (serbisch: Фрушка Гора, ungarisch: Tarcal-hegység, deutsch auch Frankenwald). Es ist ein typischer Mittelgebirgswald. Überhaupt hat die Landschaft hier sehr viel Ähnlichkeit mit Mitteleuropa.

Später erreichte ich die Hochebene. Dort kam irgendwann der Ort Syrmisch-Mitrowitz (Sremska Mitrovica / Сремска Митровица), eine gute Gelegenheit für eine Abendpause.

Es wurde schon dunkel und ich fuhr in der Save weiter nach Schabatz (Šabac / Шабац), wo ich übernachten konnte.

Tag 5: Schabatz (Šabac / Шабац) - Belgrad (Београд)

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Save Brücke über die Save

Von Schabatz (Шабац) nach Belgrad (Београд) war es nun nicht mehr so weit, zumal der Flughafen ja auf der Seite lag, von der ich kommen sollte. Etwa 30 km vor Belgrad wurde die Straße, auf der ich fuhr, vierspurig und führte in den Osten von Belgrad weiter, während eine relativ neue Kraftfahrtstraße zum Westen der Stadt führt und wohl mal zu einer vierspurigen weiträumigen Umgehungsstraße von Belgrad komplettiert werden soll. Sie brachte mich in die Nähe des Flughafens, den ich nun von der entgegengesetzten Seite erreichte.

Ich war 3 Stunden vorher da, alles war in Ordnung. So ließ ich meine Gepäckstücke in Folie einpacken, um sie zusammen zu bündeln und mein Fahrrad auch. Dann ging es zum Checkin. Nun war doch nicht mehr alles so gut. Mein Pass war genau an diesem Tag abgelaufen. Damit konnte ich unmöglich ausreisen. Nun war Ostermontag in Deutschland, aber in Serbien nicht.

Ich musste also zur deutschen Botschaft. Die Idee war natürlich, am selben Tag das zu erledigen und morgens am Dienstag zu fliegen.

Ein Taxichauffeur brachte mich also mit dem ganzen Gepäck zu der Botschaft. Dort war aber alles zu. Man machte vielleicht an deutschen und an serbischen Feiertagen frei. Also wurde es wohl der Flug am Dienstag abend, wenn alles klappen sollte.

Botschaften sind ja dafür bekannt, oft arrogant zu sein und man ist froh, wenn man sieh nicht aufsuchen braucht. Aber diese Leute waren freundlich. Man brauchte ein Foto. Eine nette serbische Fotografin in der Nähe machte Fotos, die für die deutschen Behörden gut genug waren. Gleich mehrere, denn sie waren gut und nicht sehr teuer.

Und dann bekam ich einen provisorischen Pass zur Ausreise, der in Verbindung mit dem abgelaufenen Pass gelten sollte. Meinen Flug hatte ich schon telefonisch umgebucht. Nun hatte ich noch einen Abend, um Belgrad anzusehen. Praktischerweise lag das Hotel genau in dem interessantesten Gebiet der Stadt.

Tag 6: Belgrad (Београд) und Rückreise

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Kirche in Belgrad Festung in Belgrad Festung in Belgrad Festung in Belgrad Festung in Belgrad Festung in Belgrad Festung in Belgrad

Da mein Flug wieder am Abend gehen wollte, hatte ich bis zum frühen Nachmittag Zeit, die Stadt anzuschauen. Belgrad soll tolle Museen haben, aber davon riet man mir in der Hotelrezeption ab, weil sie doch nicht so toll seien. Aber die Burg konnte ich mir ansehen und das passte zeitlich ganz gut. Die Burg ist riesig und recht gut erhalten.

So am frühen nachmittag machte ich mich auf den Weg zum Flughafen. Es gab bis Belgrad-West ganz gute Straßen. Wo die aufhörten, wechselte ich auf die Autobahn und fuhr bis in die Nähe des Flughafens. Da gab es dann wieder ein Stück weit eine schöne parallele Straße auf der Nordseite, die aber bald wieder aufhörte.

Ich war wieder früh genug beim Flughafen. Diesmal sollte alles ok sein. Es war aber noch spannend, ob es mit dem Fahrrad klappen würde. Das war aber dann der Fall, wie ich relativ kurz vor dem Abflug erfuhr. Meiner Ausreise sollte nun auch nichts mehr im Weg stehen.

Das Fahrrad und das Gepäck wurden noch einmal in Folien eingewickelt. Nun konnte es losgehen. Als wir schon im Flugzeug saßen, war aber irgendwas nicht in Ordnung. Die Piloten sagten zur Beruhigung, dass es mehr um Papiere als um Technik gehe, also kein Grund zur Sorge bestehe. Sie fuhren nochmal zum Gate zurück, dann ließ sich alles regeln und wir konnten etwas verspätet fliegen.

Nach der Landung gab es wieder Applaus, eine schöne Sitte, die aber wohl nur selektiv praktiziert wird. Und ich konnte im Zug nach Olten mein Fahrrad auspacken.

Ich freue mich schon darauf, dass ich dieses interessante Land irgendwann einmal wieder besuchen kann.

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