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Ukraine-Ausflug von Mattias und Klaus im September 1992

geschrieben von Mattias Doffing

Teil 1

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Zum Jahreswechsel 1991/92 machte ich mit meinem Bekannten Klaus eine Radtour von Sonneberg (Thüringen) nach Prag, um dann in Prag Silvester zu feiern. Leider blieben wir in Sachsen kurz vor Annaberg-Buchholz im Schnee stecken. So mußten wir mit der Bahn weiterfahren. Erst ging es mit der DR bis Bärenstein, dort überquerten wir die Grenze an einem Fußgängerübergang nach Weipert, und dann fuhren wir in einem Schienenbus bis Komotau. Da konnten wir das Waldsterben am Südhang des Erzgebirges gut sehen. In Komotau gab es dann einen Direktzug nach Prag, selbstverständlich mit Packwagen. Auch die Rückfahrt im Zug von Prag nach Cheb (Eger) verlief ohne Schwierigkeiten. Von dort aus ist es dann nicht mehr weit bis Sonneberg.

Nachdem wir nun festgestellt hatten, daß die Fahrradmitnahme im Zug in der CSFR (das war damals noch ein Land) so gut funktioniert, fragten wir uns natürlich, welches Land wohl im Osten an die CSFR grenzt. Richtig, die Ukraine. Da wir beide nicht live bei der Öffnung der DDR dabei waren, fanden wir dies eine gute Gelegenheit, noch etwas vom realexistierenden Sozialismus zu erleben.

Die Informationsbeschaffung über die Ukraine gestaltete sich außerordentlich schwer: Reiseführer gab (und gibt) es fast ausschließlich von Städten und Orten in Rußland, Landkarten waren hier eigentlich auch noch nicht zu bekommen. Über die Versorgung mit Lebensmitteln wußte ich nur, daß die Leute in der Ukraine, im Gegensatz zu Rußland, genug zu essen hatten. Auf den Reiseführer haben wir dann verzichtet (nicht zuletzt auch, um Gewicht zu sparen :-)) und als Karten die TPC-Karten (Fliegerkarten im Maßstab 1:500 000 vom Britischen Verteidigungsministerium) mitgenommen. Für alle Fälle hatten wir dann noch jeder zwei Trockenmahlzeiten dabei und etwas Werkzeug (unsere Fahrräder gehen ohnehin nie kaputt). Das Touristenvisum kostete 50 DM, war dreißig Tage gültig und nur eine Formalität (wer ein russisches Visum wollte, mußte stundenlang Schlange stehen).

Eine Schwierigkeit war, daß der Konsulatsangestellte uns auf alle Fragen nach Problemen in der Ukraine nur antwortete, daß es diese Probleme nicht gebe. So durfte man z.B. so viele (Dia-)Filme mitbringen, wie man wollte, und durfte in der ganzen Ukraine rumfahren, ohne eine Route einhalten zu müssen. Eigentlich vermutete ich dahinter nur, daß man Probleme nicht öffentlich zugeben wollte, aber es stellte sich dann im Verlauf der Reise heraus, daß die aus der UdSSR bekannten Restriktionen in der Tat nicht mehr galten.

Nun steigen wir also am Montag, den 31.August 1992 abends in den Zug von Köln nach Frankfurt. Kurz vor Mainz haben wir dann schon die erste Showeinlage: Ein Lager mit Holzkisten brennt direkt neben der Bahnlinie ab; das gibt aber wenigstens noch ein schönes Photo mit dem Feuer in der Nacht. (Neulich hat's da schon wieder gebrannt.) Da der Zug dann einen größeren Umweg fahren muß, verpassen wir unseren Anschlußzug, der uns von Frankfurt über Cheb (Eger) nach Prag bringen sollte. Also fahren wir nach Nürnberg, von wo aus dann eine Verbindung über Furth im Wald nach Prag besteht. Günstigerweise verfügt dieser Zug über einen Packwagen, so daß die Radeln problemlos über die Grenze reisen können, wir müssen nur dem Zoll eine Bearbeitungsgebühr zahlen (oder war es ein Trinkgeld?).

Am Mittag können wir dann in Prag erst mal ein paar Pils trinken, um uns für die weitere Bahnreise zu stärken. Schon nach einer kurzen Fahrt kommen wir dann am Mittwochmorgen in Kaschau (Kosice) an. Da der Campingplatz abgeschlossen ist, klingelt Klaus an der Tür, und obwohl es ungefähr 4:00 Uhr ist, macht uns sofort jemand auf. Das ist einigermaßen erstaunlich, denn damit haben wir nicht gerechnet, und der Mann ist putzmunter. Nach dem Schlafen radeln wir dann zu einem Campingplatz in Michalovce, am Ufer des Sees Zemplinska Sirava.

Am nächsten Tag fahren wir einige Kilometer am dortigen Seeufer entlang. Im Sommer ist das wohl einer der größeren Ferienregionen, aber nun sind schon fast alle Hotels geschlossen. Weiter geht es durch Felder über Straßen, die sich sehr gut als Hochgeschwindigkeitsradwege nutzen lassen. Überhaupt ist die Qualität der Straßen in der CSFR sehr gut, was besonders auffällt, wenn man von der Ukraine oder Sachsen aus einreist. Nun erreichen wir also den Grenzübergang von Uzgorod. Abgesehen davon, daß wir nicht wissen, wer als nächstes den Paß sehen und stempeln muß, können wir die Grenze innerhalb von vierzig Minuten ohne Gepäckkontrolle überqueren. Manchmal ist es doch suboptimal, weder Russisch — das war damals noch die übliche Landessprache — noch Tschechisch zu können.

In Uzgorod folgen wir einige Kilometer dem Wegweiser zum Intourist-Hotel, um es zu erreichen. Als Klaus in dem Hotel einhundert Deutsche Mark umtauschen will, fragt ihn die Frau an dem Wechselschalter, was er denn mit so viel Geld wolle, es gäbe doch keine Möglichkeit, es auszugeben. Da begnügt er sich erst mal mit fünfzig Mark, die reichen dann auch einige Zeit.

Von Uzgorod fahren wir dann weiter ostwärts auf der N 17 durch eine hügelige Landschaft. Zum Abendessen kehren wir in einem Koop-Restaurant ein; es gibt Karpfen mit Kartoffeln und spärlichem Gemüse, und dazu natürlich für jeden eine Kanne Bier. In der Nähe des Restaurants zelten wir an einem Teich. Noch ist die Temperatur nachts 13 ° Celsius. Tagüber ist es um die 25 ° warm und der Himmel im wesentlichen blau.

Am anderen Morgen folgen wir der N 17 bis Mukachewo. Die Burg am Ortseingang kann man leider nicht besichtigen, da wohnt die Rote Armee drin. Um das festzustellen, sind wir allerdings einmal um den Burghügel gelaufen. Mukachewo hat einen alten Stadtkern mit vielen Geschäften. In den Straßen herrscht reger Betrieb. Im Mittag wird es noch etwas wärmer (30 °). Nach dem Mittagessen von etwas Gebäck suchen wir den Bahnhof, um uns nach einem Zug zum Schwarzen Meer zu erkundigen. Aber der Bahnhof versteckt sich sehr gut — sein Glück, daß wir in der falschen Richtung zu suchen anfangen. So fragen wir denn mal nach dem Weg. Als der Befragte merkt, daß wir aus Deutschland sind, holt er einen alten Schwaben heran, der uns den Weg auf Deutsch erklärt. Außerdem erklärt er einem lokalen Fahrradbesitzer, wo wir hin wollen. Dieser begleitet uns dann mit seinem Rad bis zum Bahnhof und hilft sehr bei der Organisation der Fahrkarten. Obwohl der Schalter gerade geschlossen ist, braucht er nur einmal "Tourista nemetzka" zu sagen, und ich werde zu der Stationsvorsteherin geführt, um zwei Fahrkarten nach Simferopol erwerben zu können. Bezahlen kann ich in Kuponi, der Ersatzlandeswährung für die Karbowanzen. Um 19 Uhr am selben Tag fährt der Zug dann ab. In der Ukraine und in Rußland haben alle Züge, die nicht nur regional verkehren, nur Schlaf- oder Liegewagenabteile, die man natürlich vorher reservieren muß. Wenn man bedenkt, wie lange so eine Zugreise dauert, ist das auch verständlich. Als wir abends durch die Karpaten rollen, regnet es ein wenig auf den Zug. Der hält dicht, ist aber auch DDR-Qualität.

Den ganzen folgenden Tag fahren wir nur Zug, die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt zwischen 40 und 50 km/h. Dies ist natürlich praktisch beim Photographieren, vor allen Dingen wenn es dann auch noch so hell ist. Ziemlich nervig ist das Geratter des Zuges, fast über die ganze Strecke sind die Schienen noch mit einer Dehnfuge verlegt und nicht geschweißt. Die Länge des Zuges unterscheidet sich ein wenig von dem, was man aus Westeuropa kennt: 23 Wagen hängen an den beiden Lokomotiven.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag rollt der Zug durch Dnjepropetrovsk. Dort gibt es ein sehr schöne Industrielandschaft, die nachts gut beleuchtet ist. Wir überqueren dabei den Dnjepr, um an seinem Ostufer weiterzufahren. Gegen fünf Uhr erreichen wir Simferopol auf der Krim. Da der vordere Schweinwerfer meines Fahrrades ausgefallen ist, wird die Fahrt durch Simferopol schon lustig. Überall sind große Schlaglöcher in den Straßen, oder es fehlen die Deckel über den Kanallöchern. Aber heldenhaft schaffe ich es, um alle Fallen herumzufahren. Ich muß mich an dem Scheinwerferkegel von Klaus orientieren, der vorfahren darf. Aber bereits um acht Uhr wird es hell, und wir verlassen die Stadt. Davor haben die zurückgekehrten Krim-Tataren (Stalin war der Ansicht, daß die Krim nicht der günstigste Wohnort für diese sei.) ihre neuen Häuser gebaut, ohne fließendes Wasser zur Verfügung zu haben. Jetzt frühstücken wir erst mal, um uns für die Fahrt über den Kamm des Krimgebirges vorzubereiten.

Am Scheitelpunkt des Passes haben wir dann zum ersten Mal die Möglichkeit, einen Blick auf das Schwarze Meer zu werfen. Nach dem Wurf fahren wir wieder ab, durch viel Gegend. In dieser wird der Krimsekt angebaut. Die "berühmten" Ferienorte sind nur noch Ansammlungen von Betonburgen. Baufieber! Ab Mittag folgen wir der Küstenstraße nach Jalta — entweder geht es bergauf oder wir haben Gegenwind, manchmal auch beides. Ätzend finde ich die Rußwolken von den qualmenden Bussen und Lkw.

Teil 2

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In Jalta suchen wir den Campingplatz. In der Ukraine gibt es nur fünf Stück, und einer ist in Jalta. Aber in der Stadt kann uns niemand sagen, wo der Campingplatz zu finden ist. Irgendwann finden wir dann doch noch heraus, daß er einige Kilometer außerhalb liegt. Für mich ist die Suche unangenehm, denn ich hatte einige Monate vorher einen Unfall und keine Kondition mehr. Mit letzter Kraft gelingt es, den Campingplatz zu erreichen. Unser Zelt brauchen wir nicht, weil es Hütten zu mieten gibt. Unter der Dusche erfriere ich dann beinahe, es sind nämlich Solarduschen, bei denen die Heizung ausgefallen ist. Wir treffen auf Sergej, Valentina, Olga und Alexander, die auch hier Urlaub machen. Sonst arbeiten sie in Kiew im Hotel Intourist, das ist das teuerste. Abends trinken wir ukrainischen Sekt, schmeckt etwas süß, aber gut. Zusammen besuchen wir eine Bar, die im zweiten Obergeschoß des Motels, welches zum Campingplatz gehört, versteckt ist. Alleine hätten wir das nie gefunden. Auch hier müssen wir wieder Sekt abpumpen. Man verabredet sich für den anderen Morgen um neun Uhr zu einer Wanderung im Krimgebirge. Selbige fällt erwartungsgemäß wegen Katerstimmung bei der einheimischen Bevölkerung aus. Dafür nehmen wir den Tag zum Waschen, Rasieren und Ordnen des Materials. Anschließend besichtigen wir Jalta und die Touristen dort. Mit unseren Rädern fallen wir natürlich schon sehr auf.

Am folgenden Tag machen wir unsere Wanderung. Während der Hauptferienzeit müssen dort die Menschen in Massen durch die Wälder gezogen sein. Die Feuerstellen liegen dicht und überall finden wir Müll. Unterholz gibt es fast gar keines, statt dessen Trittspuren. Ich treffe keinen einzigen Käfer an, obwohl ich als Hobbyentomologe ziemlich intensiv suche. Seltsam, seltsam. Abends gehen wir mal wieder Essen und fressen uns durch die Speisekarte: Hammelfleisch, Gemüse, Tintenfisch, Krewetten und Sekt, mehr gibt's nicht.

10.Tag: Wir fahren wieder rauf in das Krimgebirge. Auf 1100 m ist eine Hochebene; dort befindet sich auch ein Horchposten. Dann geht es langsam wieder bergab. Auf der Abfahrt kommt uns eine Gruppe einheimischer Reiseradler entgegen. Ihre Räder und Ausrüstung unterscheiden sich deutlich von unseren. Sie müssen am Berg schieben, statt im Schneckengang hochkurbeln zu können. Nachdem wir abends gekocht haben und weiterfahren, um nach einem Schlafplatz zu suchen, hat das Fahrrad von Klaus einen Platten. Falsche Materialwahl, der Reifen ist nämlich dafür optimiert, die Welt zu umrunden, wir würden aber noch nicht einmal Europa verlassen. Da es schon dunkel wird, wollen wir in den Wald, um dort zu zelten, aber ein Anwohner aus dem einzigen Haus weit und breit macht uns darauf aufmerksam, daß dort Naturschutzgebiet ist und das Zelten verboten. Deshalb lädt er uns ein, auf seinem Heuboden zu übernachten. Er sieht wie ein Tatare aus, aber wir können das mangels Sprachkenntnissen nicht verifizieren. Statt lange rumzureden, schnappte seine Frau sich unser Kauderwelsch-Wörterbuch und suchte nach den Begriffen, um dann auf die deutsche Version zu zeigen.

Am anderen Morgen erklärt er uns noch den Fußweg durch das Naturschutzgebiet, den Cañon, von dem er Aufseher ist und fährt dann auf seinem Gespannmotorrad zur Arbeit. Wir machen also den Spaziergang und radeln gegen Mittag los nach Simferopol. Wir kommen an Baktschisarai vorbei, biegen aber leider nicht von der Ortsumgehung in die Innenstadt ab. Wie ich nachher erfahren werde, befindet sich in der Stadt ein Palast von den Tataren. Das Radfahren macht nicht so viel Spaß, weil die Sonne brennt, die Hauptstraße stark befahren ist und von den Zementwerken sehr viel Staub in der Luft ist. Die Mischung aus Schweiß, Abgasen und Staub brennt auf der Haut.

Das Doppelzimmer im Hotel Ukraina in Simferopol kostet 1180 Kuponi, ca. sieben DM pro Nacht und verfügt über Telephon und Fernseher. Offenbar weiß das Personal nichts von dem Westtouristentarif, der üblicherweise 30 US-Dollar pro Person beträgt. Den nächsten Tag brauchen wir dazu, eine Fahrkarte nach Kiew zu erwerben, für Touristen gibt es nämlich besondere Schalter und Preise, aber wenn man die Leute nicht versteht, weiß man leider nicht, wo man eine Fahrkarte herbekommt. Irgendwie gelingt es Klaus dann doch, aber als wir unsere Fahrräder in den gebuchten Zug einladen, weigert sich das Personal, die mitzunehmen. Bevor der Zug abfährt, laden wir ganz schnell die Packtaschen durch ein Fenster wieder aus. Böse Falle, da stehen wir nun auf der Krim und kommen nicht mehr nach Hause. Klaus schafft es sogar, die Fahrkarten nochmals umzutauschen für den nächsten Zug, wir zerlegen unsere Räder vorsichtshalber und werden dann tatsächlich mitgenommen. Die 'Mafia' will dann im Zug 20.-DM von uns haben, begnügt sich aber mit sechs US-Dollar. Dafür haben wir dann ein Abteil für uns alleine. Die Fahrräder leiden allerdings etwas, von meinem wird der Frontscheinwerfer geklaut (so ein Trottel, der war für Halogenbirnen und außerdem defekt), von dem anderen der Rückspiegel und eine Trinkflasche.

In Kiew angekommen tauschen wir neues Geld. Inflation: neuer Kurs 185 statt 180. Auf der Suche nach einem Hotel werden wir von Andrej angesprochen. Er sieht aus wie Jesus und kommt gerade von einem Gig. Andrej wohnt in Yuris Atelier, zusammen mit seiner Frau Lena. Er lädt uns ein, auch in dem Atelier — einer Wohnung ganz in der Nähe des Bessarabischen Marktes — zu übernachten. Unsere Räder verschwinden in dem Atelier hinter einer Stahltür für die nächsten Tage. Yuri studiert Außenwirtschaft und spricht deswegen Spanisch — endlich jemand, den ich verstehe — und hat eine Firma, die Postkarten, Kalender und ähnliches nach seinen Entwürfen vertreibt. Abends treffen wir ein Mitglied der ukrainischen Grünen, der auch Bildhauer ist. Seine Frau hat uns am Nachmittag schon in der Stadt gesehen, allzu häufig werden dort sicher keine roten Packtaschen spazieren gefahren.

Andrej und Lena brechen am nächsten Morgen zu einer Radtour nach Deutschland auf. Leider haben wir nie wieder etwas von ihnen gehört. Wir brauchen mal wieder fast einen ganzen Tag, um Fahrkarten zu kaufen. Diesmal fahren wir auf Yuris anraten erster Klasse: ein Zweierabteil mit eigenem Waschbecken, und wir haben genügend Platz, um auch die Räder im Abteil verschwinden zu lassen. Es ist viel sauberer und gepflegter, dafür zahlen wir aber auch jeder 1,60 DM für diese Fahrt. Teuer, teuer.

In Uzgorod brechen wir zu unserer Karpaten-Tour auf. Wir haben schon auf der Hinreise eine Landkarte mit einem Radtourenvorschlag gekauft. Witzigerweise zeigen diese Karten immer nur ein schmales Band um den vorgeschlagenen Weg. Dies habe ich auch bei Wanderkarten für die Krim beobachten können.

Da wir in Uzgorod nicht mehr einkaufen, und wir unterwegs an keinem Geschäft mehr vorbeikommen, gibt es zum Abendessen Brotsuppe und Outdoortrockennahrung. Bei der Fahrt über die Dörfer sehen wir viele Frauen, die in der Uz die Wäsche waschen. Die Bewohner der Dörfer sind sehr schlecht gekleidet, sie haben häufig verfärbte oder schmutzige Kleidung. Abends haben wir versucht, den Kohl zu kochen, das war ein Fehlschlag.

In den folgenden Tagen wird die Suche nach Nahrung wesentlich schwieriger als in den Städten oder auf der Krim. Wir fahren jetzt hoch in die Karpaten, die Straße ist nur noch ein übler Feldweg. In den Dörfern werden wir von freilaufenden Hunden verfolgt. Es kommt das CS-Gas zum Einsatz, aber es ist bei Hunden nicht wirkungsvoll. Dann müssen wir über 100 Höhenmeter steil den Berg über eine Wiese heraufschieben. Oben, auf 700 Meter Höhe haben wir dann eine schöne Aussicht.

Langsam sinkt die Nachttemperatur nahe an den Gefrierpunkt. In Volowitch kaufen wir leckeren Kuchen und Mutzen, Brot oder Kartoffeln gibt es aber nicht. Also leben wir den ganzen Tag von Gebäck. Wir folgen noch einige Zeit einem sehr schlechten Feld- und Waldweg, kehren aber vor der zweiten Furt wieder um.

Am nächsten Tag fahren wir ca. zwanzig Kilometer bergab. Der Straßenbelag ist so rauh, ungefähr 5cm große scharfkantige Steine ragen weit aus dem Teer heraus, daß ich angestrengt in einem kleinen Gang treten muß. Wir treffen zwei Radler aus der Schweiz, die auf der Durchreise von Ungarn nach Polen sind. Die einzigen westeuropäischen Radfahrer, denen wir auf der ganzen Reise begegnen. Langsam endet unsere Rundfahrt und wir treffen wieder in Uzgorod ein.

Uzgorod hat doch eine schöne Altstadt, wir haben sie nur auf der Hinfahrt übersehen. Wir haben also in der Ukraine zweimal fünfzig DM getauscht und jetzt noch die Taschen voller Kuponi im Wert von zehn DM. Als wir den Laden mit dem Touristenkitsch zum zweiten Mal besuchen, um dort doch noch etwas Geld zu lassen, ist dort gerade neue Ware eingetroffen. Deshalb ist das Geschäft geschlossen und wir müssen unser Geld als Souvenir mit über der Grenze nehmen. Andere Möglichkeiten, Geld auszugeben, gibt es nämlich nicht.

Bei der Ausreise überholen wir die kilometerlange Autoschlange und rücken bis zur ersten Sperre an der Grenze vor. Dort fragt einer der Grenzer bei seinen Kollegen unten nach, ob noch Platz für zwei deutsche Touristen mit Fahrrad sei. Es ist! Der deutsche Paß ist ja doch noch was wert. Keine Gepäckkontrolle bei uns, aber einige ukrainische Autos werden gründlich gefilzt, zum Beispiel die Türverkleidungen abgenommen. Auch fordert ein tschechoslowakischer Grenzerchef zwei seiner Mitarbeiter in einem unfreundlichen Ton auf, sich um uns zu "kümmern", während wir auf die Paßkontrolle warten. Diese unterhalten sich aber nur ein wenig mit mir, und dann kommen auch schon unsere Pässe, und Gute Fahrt. Das Ganze dauert gerade mal 45 Minuten, viele Automobilreisende verbringen sicherlich die Nacht vor der Grenze.

Auf dem Campingplatz in Michalovce gibt es eine böse Überraschung: Das Wasser ist abgestellt! Kein Spülen möglich — Kochen nur mit mitgebrachtem Wasser. Den nächsten Tag verbringen wir damit, Michalovce zu besichtigen. Sind die Regale der Geschäfte hier gut gefüllt! Abends am Bahnhof probiert Klaus ein unscheinbares öffentliches Telephon aus und hat tatsächlich seine Eltern an der Strippe. Danach steigen wir dann in den Zug nach Prag.

Morgens kommen wir in Prag an und nehmen uns ein Privatzimmer. Erstmal wird geduscht. Da pellt die Haut ab. Danach wird Prag weiterbesichtigt und am folgenden Tag auch. Wir nehmen den Nachtzug nach Nürnberg.

Letzter Tag! Früh sind wir in Nürnberg. Die Räder sind noch nicht da, weil die DB nur nachts Fahrräder verschickt, der Zoll aber nur tagsüber arbeitet. Deshalb befinden sie sich noch in Schirnding an der Grenze. Wir veranlassen, daß sie weitergeschickt werden. Das klappt selbstverständlich nicht, nach einer Woche muß ich erst mal die Staatsdiener in Nürnberg antreiben zu arbeiten.

Als die Fahrräder endlich Köln erreichen, haben sie auf den letzten 500 km mehr Schaden erlitten als auf den 6500 km davor. Bei meinem ist sogar das Oberrohr verbogen — nun habe ich einen Maßrahmen, von der Bahn bezahlt.