Einleitung
Nachdem ich schon mit Heidrun eine kleine Alpentour gemacht hatte, waren nun auch meine Söhne Bernhard und Ulrich damit an der Reihe. Weil Bernhard mit seinem eigenen Fahrrad fahren würde, suchten wir uns eine Route aus, die schöne Aussichten auf die Alpen bietet, aber doch nicht die großen Pässe enthält. Merkwürdigerweise gibt es zwischen Zürich und dem Rheintal bei Sargans ein Tal, das über gar keine Paßhöhe zu verlaufen scheint, sondern zwischen den Bergen hindurch auf fast konstanter Höhe bleibt. Vom Zug aus sah dieses Tal nun auch noch immer recht schön aus und da bot es sich an, von Chur aus in dieser Richtung zu fahren. Der Ursprung dieses Tals war wohl einmal ein Gletscherverlauf im Rheintal, der sich während der Eiszeit bei Sargans teilte. Natürlich waren auch Überlegungen im Raum, vielleicht auch den einen oder anderen Paß zu überqueren, aber letztlich entschieden wir uns doch für eine einfache Strecke.
Um das geringe Gefälle zu nutzen, wollten wir auch noch in Chur starten, was uns außerdem ein bißchen die Wahl ließ, wo wir später in der Nähe von Zürich unsere Tour beenden würden. Natürlich stand wieder ein Stück weit die Möglichkeit im Raum, kurzfristig den Tourenverlauf umzudrehen, wenn sich das wegen der Zugverbindungen anbieten sollte.
Anreise
Von Schaffhausen nach Zürich nahmen wir eine Doppelstockzug, was den Vorteil hatte, daß wir mit den Fahrrädern ohne Stufen hereinrollen konnten. Von Zürich nach Chur hatten wir wiederum Glück, daß um 10:09 und 10:10 Züge fuhren. Um 10:09 war ein IC, der nur einmal hielt und ziemlich schnell ankommen sollte. Und da der einen ganzen Fahrradwagen hatte, waren das Tandem für Ulrich und mich auch gut mitzunehmen. Normale Fahrräder kann man sowieso fast in jedem Zug mitnehmen. Der Kondukteur wußte nicht, daß man mit der Familienkarte Fahrräder mitnehmen kann, aber er war bereit, es mir zu glauben und wollte sich auch noch genauer informieren.
In Chur stellte sich heraus, daß Bernhards Fahrrad etwas Probleme mit dem Freilauf hatte. Der erste Fahrradladen konnte uns nicht weiterhelfen, aber im zweiten bekamen wir das relativ schnell repariert, während wir unser Mittag aßen.
Tag 1
Von Chur in Richtung Landquart folgten wir zunächst der N 3/N 13, da die Veloland-Schweiz-Route V 2 hier über Sandwege führen sollte. Aber kurz vor Chur konnten wir doch auf der V 2 einen kleinen Bogen in Richtung Osten fahren. Wir kamen an einer schönen Stelle zum Rasten vorbei, wo wir unsere erste Pause einlegten. Kurz danach sollte die V 2 als Asphaltstraße weiterführen, die N 28 vom Flüelapaß queren und ein kleines bißchen die Berge östlich des Rheins hochklettern, um dann irgendwann am Rhein entlang zu verlaufen.
Tatsächlich war die V 2 aber ab der N 28 zunächst ein Sandweg, so daß wir erst einmal auf der N 28 nach Landquart fuhren, von wo aus wir der Hauptstraße nach Vaduz folgten, von der wir bald wieder bei Jenins auf die V 2 wechseln konnten, die sich hier zwischen Weinbergen durchschlängelte. Anscheinend war das hier hauptsächlich ein Weg für Pferdewagen, denn uns begegneten bestimmt 10 Gespanne, als wir in dieser Gegend unterwegs waren. Einen kleinen Bogen über einen Sandweg, den die V 2 machte, schnitten wir einfach ganz frech ab, indem wir auf der Asphaltstraße durch die Weinberge geradeaus weiterfuhren. Wir kamen noch durch ein paar Weindörfer und querten die Hauptstraße nach Vaduz und bald darauf auch den Rhein. Jetzt hatten wir einen schönen asphaltierten autofreien Weg auf dem Deich des Rheines, der hier ein großes, aber doch recht trockenes Flußbett hatte. Da wollten wir auch gleich unsere nächste Pause machen, bevor wir den Rhein verließen.
In der Nähe von Sargans gab es dann einen Abzweig, wo wir die V 2 verließen und auf der V 9 weiterfuhren. Wir kamen mit etwas Zickzack und unter ein paar Brücken durch über ein paar Felder und landeten bei Sargans auf der N 3 in Richtung Zürich. Irgendwie verloren wir hier die Spur der V 9, obwohl die in diesem Abschnitt relativ gut ausgebaut sein sollte, und fuhren einfach auf der N 3 weiter, die zum Glück erfreulich autoarm war. Irgendwo fanden wir die V 9 wieder und fuhren zwischen Feldern auf einer noch autoärmeren asphaltierten Straße nach Walenstadt, wo wir uns bei der nächsten Pause ein Eis gönnten.
Ab hier war die V 9 sowieso mit der N 3 gebündelt. Es gab zwar anscheinend noch einen asphaltierten Weg am Ufer des Sees, aber der war wohl hauptsächlich für die Fußgänger gedacht. Dieser Abschnitt war jedenfalls sehr schön, weil wir eine wunderbare Aussicht auf den Walensee hatten, der in einem extrem engen Tal zwischen den Bergen liegt und ein wenig an einen norwegischen Fjord erinnert. Sogar die kleinen Wasserfälle kamen gelegentlich von der gegenüberliegenden Bergkante herunter. Ein erster Zeltplatz sollte etwa 3 Kilometer den Berg hinauf gelegen sein, aber wir wollten ja lieber am See zelten und es war auch noch nicht so spät. In Murg kamen wir tatsächlich zu einem schönen Zeltplatz direkt am See. Es war natürlich kurz nach 19:00 niemand mehr da, um die Anmeldung zu erledigen, aber das hatte ja Zeit bis zum nächsten Tag. Die Leute in den anderen Zelten schienen alle schon zu schlafen, es war fast wie ein Geisterzeltplatz, bis wir doch irgendwann einige der geheimnisvollen Wesen trafen, die auch hier übernachteten.
Nach dem Zeltaufbau gingen wir noch einmal kurz baden. In der Ferne kam ein Gewitter, das aber noch weit genug weg war und außerdem in der Nähe genug besser Blitzableiter gehabt hätte, weil in der Nähe der Badestelle eine Art künstlicher Tisch von etlichen Metern Höhe mit einem Sprungturm und einem kleinen Leuchtfeuer für die Süßwasserschiffe stand. Einige Orte am gegenüberliegenden Ufer des Walensees sind anscheinend nur zu Fuß oder mit dem Schiff zu erreichen. Beim Abendessen konnten wir sehr eindrucksvolle Blitze sehen, die uns aber schon regelrecht blendeten.
Tag 2
Wir schliefen eigentlich ganz gut und am nächsten Morgen hatten wir strahlenden Sonnenschein und Rückenwind. Ich ging noch kurz schwimmen und wir aßen am Seeufer Frühstück. Bernhard wunderte sich über das komplizierte Verfahren zur Berechnung des Preises bei der Anmeldung und wir überlegten uns noch kompliziertere Möglichkeiten, die Übernachtungskosten für Zeltplätze zu berechnen.
Aber um 9:30 waren wir schon auf der Straße. Es war jetzt ein bißchen verwirrend, da ab hier offenbar die V 9 und die N 3 wirklich getrennte Wege gehen sollten, aber nicht so ganz klar war, wo die nun sein sollten. Da die V 9 hier durchgängig asphaltiert sein sollte und schön am Seeufer entlang laufen sollte, fuhren wir auf dieser weiter. Es ging tatsächlich doch ein bißchen auf und ab, aber der See war hier wirklich sehr schön. Immer wieder wurde die V 9 ein Stück über die A 3 geführt, während die N 3 irgendwo weiter oben verlaufen dürfte. Dann kam ein kleines Seitental mit einem Dorf, wo wir ein Stück den Hang hochgeführt wurden, um dann im Bogen wieder herunter zum Seeufer zu kommen. Jetzt kam das Ende der Ausbaustrecke und wir hatten doch für ein Stück Sandwege, wobei immer wieder ein Asphalt- oder Betonabschnitt kam. Dann fuhren wir ein Stück links von der nördlichen Fahrbahn der A 3 und es war nicht so erkennen, wie die V 9 hier weitergehen sollte. Die A 3 verschwand in einem Tunnel, aber die V 9 sah aus wie eine Sackgasse. Als wir näher kamen, stellte sich heraus, daß wir auch durch einen recht kurvenreichen beleuchteten Tunnel kamen, der ca. 500 Meter lang war. Für Gegenverkehr war der Tunnel schon recht schmal, aber es ging doch.
Irgendwann kam dann noch ein Abschnitt, wo ausgerechnet auf der "Veloroute" stand "Velofahrer absteigen - 25 % Gefälle". Wir sind da zwar gefahren, allerdings nur mit Fußgängergeschwindigkeit (5 km/h!!), um nicht die Kontrolle über unsere Fahrräder zu verlieren. Dann kam nochmal ein Stück Sandweg, aber auch noch einmal ein gut 1 km langer Tunnel. Bald hatten wir den Walensee hinter uns gelassen und fuhren durch ein immer breiter werdendes Tal. Die Berge wurden langsam kleiner, aber wo es Seitentäler gab, konnte man sehen, daß südlich doch recht große Berge in den Alpen zu sehen waren, die zum Teil sogar mit Schnee bedeckt waren. Hier in dieser Gegend verließen wir die V 9 endgültig, weil diese auf der nördlichen Seite des Zürichsees bis Rapperswil verlaufen sollte, um diesen dann zu überqueren und nach Süden in die Berge zu verschwinden. Ein Stück fuhren wir wieder auf der N 3, wo wir immerhin einen schönen Eisladen für unsere etwas späte Vormittagspause fanden.
Auf der N 3 und teilweise auch etwas nördlich davon kamen wir nach Lachen am Zürichsee, wo wir unsere Mittagspause machten und vor dem Essen auch noch ein bißchen Schwimmen gingen. Nun kamen wir immer näher an Zürich und es stellte sich heraus, daß die Abstände zwischen den Orten an der N 3 immer kleiner wurden. Bald gab es nur noch einzelne Lücken von maximal einem Kilometern zwischen den Ortsdurchfahrten und es wurde mehr und mehr zum Regelfall, daß sich ein Ort direkt an den nächsten anschloß. Zwischen der N 3 und dem Seeufer verlief die Bahnstrecke und am Seeufer gab es offenbar Wege von wechselnder Qualität, die aber doch keine durchgängige Verbindung herzugeben scheinen.
Unsere letzte Pause machten wir bei Au auf einer Halbinsel kurz vor Thalwil. Wir nahmen uns vor, ab Thalwil den Zug zu nehmen, wenn wir zu einer sinnvollen Zeit dort ankämen und innerhalb der nächsten Zeit ein passender Zug fahren würde. Natürlich fahren von Thalwil nach Zürich beliebig viele Züge, aber der IR von Luzern war eigentlich hauptsächlich von Interesse, weil der wieder IC-Doppelstockwagen hat, in die man so leicht reinrollen kann und weil der einmal pro Stunde in Zürich einen Anschluß nach Schaffhausen bietet. Als wir aber nach Thalwil kamen, war das schon ungefähr die Zeit, zu der dieser Zug in Zürich ankommen sollte und da dachten wir, daß wir die letzten 11 km lieber noch kurz selber fahren.
Dieses letzte Stück war wirklich nicht mehr weit, und Bernhard fuhr auch noch einmal ein bißchen schneller. Allerdings bestand der Weg nur noch aus Ortsdurchfahrten. Auf Thalwil folgte Rüschlikon, dann Kilchberg und kurz danach waren wir schon in Zürich, wenn auch noch etwa 6 km vom Hauptbahnhof entfernt. Ach ja, die N 3 war immer noch zweispurig, also eine Spur pro Richtung, und sie sollte es auch noch innerhalb von Zürich zum größten Teil bleiben. Dafür ist die Bahnlinie ab Thalwil nach Zürich viergleisig, allerdings sind zwei der Gleise irgendwo in einem Tunnel versteckt, um Lärm und Platz zu sparen. Wenn man das mit Kopenhagen vergleicht, wo die Hauptstraße schon gut 40 Kilometer vorher vierspurig wird, ist das hier doch etwas gemütlicher. Insbesondere, wenn man bedenkt, daß Zürich im Gegensatz zu Hamburg, Berlin und München als Weltstadt gilt, jedenfalls nach Ansicht der Schweizer. Parallel zum Seeufer hatten wir kaum Querstraßen und kamen einigermaßen bequem, schnell, problemlos und vor allem sicher in die Stadt herein. Erst 2 oder 3 Kilometer vor dem Bahnhof wurde die N 3 vierspurig und sogar für ein kurzes Stück kreuzungsfrei. Wir kamen durch noch einen kleinen Tunnel, diesmal nur 250 m lang. Danach konnten wir für das letzte Stückchen am Sihl entlang fahren. Das ist ein Fluß der sich kurz unterhalb des Zürichsees beim Hauptbahnhof mit der Limmat trifft. Natürlich ist das alles am Sonntag nachmittag etwas gemütlicher als an einem Werktag zur Hauptverkehrszeit. Aber verglichen mit deutschen oder skandinavischen Großstädten, die ich kennengelernt habe, kommt man zumindest von dieser Seite sehr gut in die Stadt herein. Wenn man die geringere Fahrradfeindlichkeit als Maßstab nimmt, könnten sich Städte wie Stockholm, Oslo, Hamburg, Kiel, Karlsruhe, Mannheim, Münster, Heidelberg u.s.w. ruhig ein bißchen an Zürich orientieren und etwas weltstädtischer werden.
Rückreise
Irgendwann kam der Hauptbahnhof in Sicht. Um 17:50 waren wir da. Ich wußte, daß der Zug um 18:13 problemlos Fahrräder und auch Tandems mitnimmt und der Rest, einschließlich der letzten 70 Höhenmeter in Schaffhausen, war dann doch mehr oder weniger Routine.
Fazit
So eine kleine Wochenendradtour von den Alpen in die Stadt ist doch ein tolle Sache. Wir lassen uns überraschen, was die nächste Wochenendradtour wird.