Teil 2
In Gällivare machte ich morgens ganz früh noch eine kleine Runde nach Malmberget. Dann brachte ich zunächst mein Fahrrad für die eine oder andere kleine Reparatur weg. Bei mir war die Kette zu lang. Danach begab ich mich mit den Kindern noch auf eine kleine Grubenbesichtigung und ich besorgte uns so nebenbei noch ein bißchen Regenkleidung, Mückennetze, Sonnenhüte und vor allem besseres Mückenmitteln ("Dschungelöl"). Beim Zeltplatz konnte man sogar baden, wenn auch das Flüsschen ein bisschen zu kalt war, um da Stundenrekorde in Weitschwimmen aufzustellen.
Der nächste Ort, den ich ins Auge fasste, war Jokkmokk. Das war angeblich mit einem so tollen Lappen-Museum ausgestattet, dass man das auf keinen Fall verpassen dürfe. Dummerweise waren das aber 95 Kilometer weit weg. Für einen Tag war das definitiv zu weit. Vielleicht gut für zwei Tage, aber dafür war es schon fast wieder zu nah. Ich würde schon sehen. Erstmal ging es auf der N 45 steil bergauf auf eine Hochebene, der ich eine Weile folgen sollte. Eine beachtliche Umstellung nach der weitgehend flachen Tour bisher, denn die Hochebene ist zwar hoch, aber zumindest in dieser Gegend überhaupt nicht eben. Dafür fand ich mittags eine sehr schöne Stelle zum Rasten, die so hoch gelegen war, dass es keine richtigen Bäume, sondern nur noch Latschen gab. Gegen Abend war ich dann in Porjus, wo ich mit den Kindern noch so gerade das Kraftwerk besichtigen konnte. Da gab es doch einiges zu sehen weil man alte stillgelegte Turbinen aufgeschnitten hatte.
Dann fuhr ich weiter, im Tal des Stora Luleälv hinab, zwischen schönen Felslandschaften, aber doch in langsam immer stärker zunehmendem Regen. Bei der Brücke über den Stora Luleälv dachte ich, es sei zwar verrückt, aber wir könnten doch einfach bis Jokkmokk durchfahren. Noch eine schöne Steigung hoch und dann war ich auf einer anderen Hochebene in sicherer Begleitung der Bahnlinie, die ja nicht 23 % Steigung bewältigen kann. Es wurde um 23:00 so langsam hell, weil der Regen aufhörte. Oder weil die Sonne schon wieder aufging? Ich kam dann an einen schönen See und über ein Stauwehr des Lilla Luleälv und irgendwann erreichte ich tatsächlich Jokkmokk. Da sollte der Zeltplatz sein, ganz nah.
Nun, ein paar Kilometer waren es noch, aber die Frau, die um die Zeit noch zu Fuß unterwegs war und mir entgegenkam, machte mir Mut, dass es nicht mehr so weit sei. Die Rezeption sei schon zu, aber ich könnte mein Zelt ja einfach aufbauen und am Morgen bezahlen. Irgendwann traf ich sie dann später auch in der Rezeption, an diesem Abend hatte sie aber endlich Feierabend. Die Sonne schien ja hier um Mitternacht schon nicht mehr, aber es war doch noch hell genug, um das Zelt aufzubauen.
In Jokkmokk sahen ich mir dann das Museum an, das wirklich ganz toll war und einiges über die Gegend, vor allem über das Leben der Lappen (Schwedisch Samerna) zeigte. Anscheinend bilden sie heute in keiner Gemeinde Schwedens die Mehrheit. Vor etwa hundert Jahren hatte man in Schweden Interesse für den "brachliegenden" Norden entwickelt. Da wollte man Landwirtschaft, Industrie und Lebensraum für Millionen von Menschen schaffen. So etwas wie eine Auswanderungsmöglichkeit im Inland. Also förderte man den Eisenbahnbau, z.B. die Inlandsbahn von Gällivare nach Mora, und die Landwirtschaft. Die Lappen und Leute aus dem Süden sollten da oben Bauern werden und dann könnten viel mehr Leute da leben als mit der ursprünglichen nomadischen Lebensweise der Lappen. Technisch und biologisch ist es auch damals schon möglich gewesen, da oben Ackerbau zu betreiben. Aber ökonomisch erwies es sich als nicht sehr sinnvoll. Die Erträge sind nicht so hoch und die Preise, die man in Konkurrenz zu billigem Getreide aus dem Süden erzielen kann, rechtfertigten den Aufwand nicht. So ist die Landwirtschaft inzwischen fast vollständig aus dem hohen Norden verschwunden und es gibt heute dort fast nur Wald und natürlich wie immer schon sehr viele Moore und Gewässer.
Der Zeltplatz in Jokkmokk hatte aber auch noch eine tolle Badestelle im See und ein Schwimmbad mit einer riesigen Rutschbahn. Vor allem gab es einen großen Spielplatz, der sogar einen kleinen See umfaßte, über den man mit einem Seil ein Floß ziehen konnte. Da konnten wir die Kinder kaum wegbekommen.
Als ich morgens endlich die Zelte abgebaut hatte, war Christina verschwunden. Ich suchte auf dem ganzen Zeltplatz und in der Umgebung. Ich ging zur Rezeption und da hatte sich schon jemand gemeldet, der Christina gefunden hatte. Sie hatte sich an den Zelten orientiert und als die abgebaut waren, konnte sie mich nicht mehr finden und war natürlich sehr traurig.
Etwas spektakulärer gestaltete sich diesmal die Überquerung des Polarkreises, die kurz hinter Jokkmokk angesagt war. Es gab da einen kleinen Rastplatz, an dem wir nicht so einfach vorbei gefahren sind. Am Abend kam dann eine Baustelle, der Anfang von insgesamt über 70 Kilometern Baustellen auf den folgenden Strecken. Aber ich fand eine sehr schöne Stelle für die Nacht. Etwas erhöht auf einer nicht ganz so schmalen Landenge zwischen zwei verschieden hoch gelegenen Seen.
Die in Gällivare beschafften Mückenabwehrmöglichkeiten bewährten sich schon recht gut, vor allem die Netze, die man sich über das Gesicht hängen konnte. Dennoch nervten mich die Mücken morgens so sehr, dass ich ohne Frühstück erst einmal aufbrach und auf eine geeignete Stelle für eine Frühstückspause hofften. Die kam auch schon nach wenigen Kilometern, wo am Straßenrand jemand Kaffee anbot. Wir konnten an einem schönen Tisch an einem Flüsschen sitzen und dort auch gleich noch die Wasservorräte auffüllen. Diesmal achteten ich im Gegensatz zu den Anglern nebenan darauf, nicht zu viele Fische zu fangen, denn die vertragen es nicht so gut, getrunken zu werden.
Auch südlich des Polarkreises fuhr ich durch schöne Gegenden, es gab viele Flüsse, Seen, Berge, Wälder und natürlich ab und zu Rentiere. In einer etwas höher gelegenen Gegend bot es sich an, als Schutz gegen die Mücken eine kleine Feuerstelle zu nutzen. Das ist nicht immer erlaubt, aber hier war es wohl zulässig und es gab auch einen kleinen Fluss daneben, in dem wir nicht nur alle badeten, sondern aus dem wir uns auch vorher genug Wasser beschafft hatten, um hinterher alles zu löschen.
Fast alle größeren schwedischen Flüsse sollte ich noch kreuzen. Das kommt dabei heraus, wenn man den skandinavischen Tiger quer zu seinen Streifen durchfährt. An diesem Abend war der Piteälv dran. Dort gab es einen schönen Rastplatz direkt am Ufer. Das normale Ufer war natürlich wegen des Hochwassers verschwunden, aber der Rastplatz war zum Glück noch trocken. Ich konnte geräucherten Fisch kaufen und die Schlittenhunde bewundern, die dort in der Nähe jemand hielt. Wir fuhren danach nur noch bis Moskosel, wo es einen sehr schönen, sehr kleinen Zeltplatz am See gab. Dort liefen auch noch ganz viele Eichhörnchen herum.
Auf dem Weg nach Arvidsjaur machte ich schon wieder ein Feuer, das ich diesmal auch noch nutzte, um Würste zu braten. Abends kamen wir nach Arvidsjaur, wo der Zeltplatz angeblich mitten in der Stadt sein sollte. Jedenfalls war das Zentrum noch zu durchfahren, bis wir zu jener Stadtmitte kamen. Das war wieder nur eine Nacht.
Ich fuhr auf dem Silvervägen, der von Fauske in Norwegen zur Schwedischen Küste führt. Hier liefen ein paar Rentiere auf der Straße herum. Davon sollten wir noch einige sehen. unsere Straße zweigte irgendwann nach Süden ab. Da kam die nächste größere Baustelle. So gab es immer wieder unbefahrbare Abschnitte, bei denen der alte Asphalt schon abgetragen war, der neue aber noch nicht aufgetragen. Zum Teil ließen ich die Mädchen auch aussteigen und ein Stück laufen, aber das war selbst auf der wenig frequentierten N 45 ein wenig stressig. Abends kamen wir bei einem Wetter mit leichter Regenneigung in Slagsnäs an, das sogar eine kleine etwas versteckte Badestelle im Skelefteälv zu bieten hatte. Natürlich war die große Fernstraße auf der wir fuhren, hier als Umgehungsstraße an dem Ort vorbeigeführt und sogar teilweise kreuzungsfrei gestaltet.