Teil 2
Die erste Nacht im Zelt verbrachte ich also etwa 200 km nördlich von Göteborg in der Nähe von Säffle (sucht es bitte nicht im Atlas, es ist zu klein!), in sicherer Entfernung von der Straße. Ich wußte damals noch, daß ich rechts von der Straße gezeltet hatte und konnte also in die richtige Richtung weiterfahren. Da tauchten dann Wegweiser nach Karlstad auf, denen ich wegen der Übereinstimmung mit meinem Vornamen folgte. Karlstad liegt irgendwo in der Mitte zwischen Oslo und Stockholm nördlich des Vänersees. Kurz vor Karlstad gab es dann einen Wegweiser nach Trysil (ca. 300 km). Der Ort ist so klein, daß ich ihn auf meiner Karte nicht fand, aber zum Glück gab es ja noch Nationalstraßennummern. Sobald man aus den dicht besiedelten Gebieten heraus ist, sind die Nationalstraßen übrigens so ziemlich die einzigen durchgehend asphaltierten Straßen. Aber wen stört es, wenn dann auch nur noch alle zehn Minuten ein Auto kommt?
Die Bilder habe ich hier nur als kleine Icons eingebaut. Wenn's Euch interessiert, könnt Ihr darauf klicken. Mit Netscape, Firefox oder einem anderen grafischen Browser kommt dann ein neues Fenster, in dem ab dann alle Bilder in etwas größerem Format angezeigt werden. Ich habe nicht regelmäßig Fotos gemacht, sondern je nach Laune, Wetter und Landschaft. Außerdem habe ich hinterher noch ein bißchen sortiert und nur vielleicht 10 % der Bilder gescannt. Deshalb gibt es gelegentlich starke Häufungen und dann wieder für viele Tage gar nichts.
Nördlich von Karlstad ging es durch das schöne Klarälvtal. Auf dem Klarälven, wie der Fluß dort heißt, waren viele Boote und vor allem Flöße mit Zelten drauf unterwegs. Die fuhren fast alle stromab, was verständlich ist, weil es für diese Wasserfahrzeuge noch keine Gangschaltung gibt, mit der man auch nur Steigungen von einem Prozent über längere Strecken hochkommt. Weil ich vorhatte, am nächsten Morgen noch in der Nähe meines Fahrrades aufzuwachen, baute ich mein Zelt lieber auf einem Zeltplatz als auf einem solchen Floß auf und badete dann auch vor dem Schlafengehen im Fluß anstatt nachts beim Auseinanderfallen des Floßes.
Die Berge wurden jetzt immer höher und die Strecken, die ich pro Tag fuhr wurden immer kürzer. Obwohl es jetzt durch das Flußtal ging, hatte man oft eine schöne Aussicht, wenn das Tal einmal zu eng für die Straße war und diese an dem einen oder anderen Rand etwas hochkletterte. Die Landschaft war herrlich. Eine kleine Insel im Fluß, immer noch die Flöße mit den Zelten drauf und ab und zu auch lose Baumstämme. Am Straßenrand gab es blühendes Heidekraut und dahinter dann Nadelwälder. Die Mücken freuten sich natürlich auch, aber davor kann man sich ja schützen. Ich hatte zwei Mückenmittel mit. Das eine war wohl mehr von psychologischem Nutzen, aber weil diese stechenden Mücken leider keine Krankheit sind, die sich psychologisch leicht beeinflussen läßt und weil es immer mindestens eine Mücke mehr gibt, als man mit den Händen flach machen kann, kam auch bei gutem Wetter nachts das Zelt und tagsüber das echte Mückenverjagungsmittel zum Einsatz.
Am Nachmittag entfernte sich die Straße ein Stück vom Klarälven und traf dann ein paar Male auf Buchten eines großen Sees, zu dem dieser Fluß hier kurz südlich der Grenze aufgestaut worden ist. Bei schönem Sonnenschein auf der kleinen, fast autofreien Asphaltstraße war das ein angenehmes Fahren.
Am Abend kam dann die norwegische Grenze und der Fluß hieß jetzt Trysilelva. Trotzdem ließ sich einmal wieder eine geeignete Stelle zum Zelten im Wald finden. Am nächsten Tag kam ich auch tatsächlich an einem kleinen Ort mit weniger als 5000 Einwohnern vorbei, der Trysil hieß. Die Berge wurden langsam so hoch, daß ihre Gipfel deutlich oberhalb der Baumgrenze lagen (hier vielleicht 1000m). Irgendwo zwischen den Bergen lag der Femundsee, den man erst aus geringer Höhe und später noch einmal von weit oben sehen konnte. Das war sehr hübsch, als sich die Abendsonne in dem See mit einigen langen Landzungen spiegelte.
Die Abendsonne kam jetzt immer später, aber dennoch wollte ich vorher wieder eine Stelle finden, um zu zelten. Das war diesmal etwas schwieriger. Einmal gab es über eine lange Strecke Moore zu beiden Seiten der Straße, in denen trotz der schon genannten Vorteile das Fahrrad dreckig geworden wäre, dann eine kilometerweit ausgedehnte Ansammlung von kleinen Felsbrocken, deren Zwischenräume mit Wasser gefüllt waren, dann dasselbe mit Luft in den Zwischenräumen und ab und zu ein paar Bäumchen drauf und so ging es immer weiter auf der Suche nach einem Platz zum Zelten, der sich schließlich finden ließ, weil ein Bauer mir das Zelten auf seiner Wiese erlaubte, wo mir allerdings Erlebnisse als Stierkämpfer erspart blieben. Dafür konnte ich mir aber wenigstens morgens ungestört ein bißchen Kaffee kochen, ohne diesen mit zu vielen Tieren teilen zu müssen.
Am nächsten Tag kam ich in das Tal, in dem die Bahnlinie Oslo - Røros - Trondheim verläuft. Auf der Straße gab es offene Weidehaltung und ab und zu lagen dann in die Fahrbahn eingelassene Rohre quer zu dieser, damit auf den Weiden die die Straße durchquerte, nicht zu viele Tiere zulaufen. Nach einer kleinen Übernachtung auf einen schönen kleinen Zeltplatz nördlich von Røros fuhr ich dann durch das immer enger werdende Tal, in dem unten ein immer reißender werdender Fluß brodelte weiter nach Nordwesten. Leider durfte man dort nicht baden, vielleicht ist das nicht gut für die Turbinen in dem Kraftwerk, das es da irgendwo gab.
In Trondheim fragte ich Leute nach der Jugendherberge. Das Fragen ist ja leicht, weil man sich die Formulierung lange vorher überlegen kann. Aber wenn die dann mit ihrem normalen Sprechtempo antworten und auf die Bitte, langsam zu sprechen, alles noch einmal mit doppelter Geschwindigkeit wiederholen, ist es doch ganz nützlich, wenn man sich zusätzlich daran erinnert, daß diese Jugendherbergen immer auf einem Berg liegen, damit die ganz erschöpften potentiellen Gäste dort nicht zu viele Betten belegen können. Ich war leider nur mittelerschöpft, aber gönnte mir dann doch einen Ruhetag und zwei Übernachtungen, obwohl das dort ungefähr so viel kostete wie im Parkhotel in Lüneburg, wo die Jugendherberge und die Billighotels voll waren. Damals waren auch die Lebensmittelpreise noch so hoch, daß sich das Verhungern eigentlich rentiert hätte, aber das hat sich inzwischen etwas geändert, weil billige Ladenketten aufgetaucht sind.
Mein Hinterrad gefiel mir nicht mehr so ganz gut und ich ersetzte es durch eines mit einer ziemlich stabilen Felge, einem noch stabileren Preis, aber einem so stabilen Kugellager (DBS), daß dieses nicht mehr für Probleme in Frage kommt. Es hat bis zum heutigen Tag schon mindestens 1500 km gehalten, ist also sogar nach den strengen Maßstäben der Stiftung Warentest "sehr gut". Das sind so die Kleinigkeiten, auf die man achten muß, daß das Fahrrad immer einigermaßen in Ordnung ist, bevor man durch Gegenden fährt, die extrem dünn besiedelt sind. Bremskabel, Schaltzüge und so etwas hatte ich auch dabei, aber die Anzahl der Ersatzrahmen hatte ich doch ziemlich klein gehalten, weil das sonst beim Zoll immer so kompliziert ist.
Ansonsten hatte ich natürlich Gelegenheit, die Stadt mit ihren schönen Holzhäuschen und dem Dom anzusehen und andere Reisende zu treffen. Und das Frühstück in der Trondheimer Jugendherberge ist jedenfalls auch nicht schlecht.