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Fahrradtour durch Deutschland, Schweden, Norwegen und Finnland

Karl Brodowsky, gefahren 1987-07-21 - 1987-09-04, geschrieben 1994

Teil 5

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In Oulu blieb ich für zwei Tage auf dem Zeltplatz. Da war einmal wieder ein Ruhetag fällig. Es gab dort beim Zeltplatz auch einen herrlichen Strand, der auf irgendwelchen Postkarten auch so überfüllt war, wie ein Strand in Italien oder Spanien es sein würde, wenn das Mittelmeer sauberer wäre. Aber um diese Zeit, vielleicht Anfang August oder so, war das schon vorbei und das Wasser war mir schon zu kalt, um dort mehrere Minuten zu schwimmen. Schade. An dem Tag, als ich wegfuhr machte der Zeltplatz dann auch konsequenterweise zu. Und mit ihm wohl auch so ziemlich alle anderen Zeltplätze und Jugendherbergen. Ich nahm einmal an, daß das auch für Hotels galt. Also blieb mir nichts anderes übrig, als Tag und Nacht weiterzufahren, da wildzelten in Finnland wohl nicht so erlaubt ist, wie in Norwegen oder Schweden, obwohl es schöne Stellen dafür gab, die auch nicht so einsehbar waren, daß es jemand merkte.

Aber das mußte sich dann schon irgendwie ergeben. Jetzt fuhr ich wieder nach Süden, in Richtung Helsinki. Am Abend wollte ich irgendwo eine Bratwurst oder so etwas essen. Der Laden war leicht zu finden, er hieß "Grilli". Aber die Verkäuferin konnte nur Finnisch. Zum Glück merkte ich nach einer Viertelstunde, daß "Bratwurst" auch ein finnisches Wort ist, zufällig sogar mit der erwarteten Bedeutung. Und die Verkäuferin merkte, daß sie mir zeigen mußte, was sie anzubieten hatte,... Ich schaffte es also, mich mit ihr zu einigen. Da kam ein Finne, der sich die ganze Zeit mit ein paar anderen Leuten vor dem Laden aufgehalten hatte, herein, und fragte, ob er uns mit einer deutsch-finnischen Übersetzung aushelfen könnte. War ja nicht mehr nötig. Er lud mich ein, ihn noch einmal kurz zu besuchen, was ich dann auch vor der Suche eines Zeltplatzes im Wald tat. Da erzählte er mir dann, daß sich alle gewundert hätten, als ich mein Fahrrad vor dem Grilli abschloß. So etwas sei doch dort nicht üblich. Ein paar Jahre früher seien übrigens dort einmal zwei Amerikaner auf einer Radtour vorbeigekommen. Die hatten ganz alte Fahrräder, einer konnte nur Russisch, der andere konnte mit starkem russischen Akzent ein bißchen Englisch. Die wollten Rubel in Dollar oder Finnmark tauschen....

Wenn das keiner merkt, daß man im Wald zeltet, dann merkt das keiner. Südlich von Piipola merkte das keiner. Nördlich von Kuopio merkte das komischerweise auch keiner. Irgendwie ließ sich eine Stelle im Wald finden, die so gut durch eine dichte Blätterwand verdeckt war, daß es keiner sehen konnte. Und Fahrräder darf man doch wohl auch in Finnland für eine Nacht im Wald abstellen, oder? Es gab da einen riesigen Wald, der ab und zu durch Seen oder Städte unterbrochen wurde. Kurz vor Kuopio ging die Straße auf einer schmalen Landzunge zwischen zwei Seen hindurch. In Kuopio gab es dann gutes Essen, warmes Essen im Supermarkt. Überhaupt war das Essen in Finnland wirklich gut, wenn auch nicht so billig. Die Leute sind auch sehr nett (und sehr ehrlich und sehr gastfreundlich), man merkt es nur nicht so schnell, weil man die Sprache nicht so versteht und weil die Tragweite des Inhalts der Äußerungen sich nicht in der Betonung wiederspiegelt, wenn eine andere Sprache als Finnisch zur Anwendung kommt.

Die nächste Nacht verbrachte ich bei einem Feuchtgebiet zwischen Kuopio und Jyväskylä. Es gab ja keine Übernachtungsmöglichkeit. Nirgendwo tauchte so etwas wie ein Zeltplatz auf. Es wurde dann auch schon bald dunkel. Bei der nächsten Abzweigung eines Waldwegs beschloß ich, da zu zelten. Witzigerweise sind die Stellen zum Zelten in 80 Prozent der Fälle rechts von der Straße, aber hier war nichts zu machen. Alles Moor oder Sumpf, zu beiden Seiten des abzweigenden Weges, und vielleicht sogar Mücken. Auf der linken Seite ging es ein bißchen hoch. Da schob ich den Weg ein ganzes Stück weit. Etwas weg vom Waldweg waren Felsenblöcke von wenigen Metern Größe verstreut. In einem Zwischenraum zwischen diesen Steinchen war eine schöne flache Stelle, die für ein Zelt groß genug zu sein schien. Beim näheren Hinsehen erwies sie sich leider als Tümpel. Da ich kein aufblasbares Zelt mithatte und nicht auf das Zufrieren warten wollte, bevorzugte ich solch eine freie Stelle neben dem Weg, die dem Zelt genug Platz bot, ohne daß der Weg dadurch versperrt wurde. Am nächsten Morgen sah ich mir die Gegend etwas genauer an, was mir ein kleiner Hochsitz erleichterte. Dort wurde gerade ein Nadelwald aufgeforstet. Drei oder vier Meter hatten die Bäumchen schon und ein bißchen Erde unter den Bäumchen gab es auch zwischen manchen Felsenstückchen, nicht nur Wasser.

Zwischen Jyväskylä und Tampere fand ich (natürlich wieder als es schon dunkel war) eine kleine Waldwiese. So langsam kamen dann auch Ackerbaugebiete zwischen den Wäldern und Seen vor. Dichter besiedelt wurde es auch. Aber witzigerweise war die Gegend an der Nordseite der Ostsee, zwischen der schwedischen Grenze und Oulu auch recht dicht besiedelt. Weiter im Osten war das dann natürlich anders, aber jetzt ging es ja auch wieder in Richtung Küste. Zwischen Tampere und Turku suchte ich mir wieder nach Einbruch der Dunkelheit eine schöne Stelle zum Zelten. Das war in der Nähe einer landschaftlich reizvoll gelegenen Kiesgrube, wie sich am nächsten Morgen herausstellte.

Im Stadtpark von Turku (schwedisch Åbo) wollte ich dann am nächsten Abend doch nicht zelten. Ausnahmsweise war es ja auch noch so hell, daß ich das nicht aus Versehen machen konnte. Und ausnahmsweise hatte in Turku auch die Jugendherberge noch offen. So suchte ich die auf und kam einmal wieder mit anderen Leuten zusammen. Turku ist eine sehr schöne Stadt. Irgendwo gibt es einen alten Stadtteil, der zum Freilichtmuseum geworden ist und wo vorgeführt wird, wie die Handwerker früher gearbeitet haben. Ein alter Professor aus Karlsruhe war zufällig am selben Tag in Turku und sah mich dort wohl auch. Aber ich war angeblich so in Gedanken versunken, daß er glaubte, eine neue wissenschaftliche Erkenntnis sei auf dem Weg und dürfe von ihm nicht gestört werden. So sah ich ihn nicht... Sooo klein ist die Welt nun auch wieder nicht.

Am Abend machte ich mich dann auf den Weg nach Naantali, wo ein Nachtschiff nach Kappelskär (100 km nordöstlich von Stockholm) über die Ostsee fuhr. Das war übrigens extrem billig, sogar mit Kabine. Die Zeit war auch so kurz bemessen, daß man fast die ganze Schiffsfahrt verpennen mußte, um am nächsten Tag noch die Fähigkeit zum Verlassen des Schiffs zu haben. Den Stockholmer Stadtverkehr tat ich mir an dem Tag allerdings nicht mehr an. Lieber sah ich mir noch in Vaxholm ein bißchen die Schären und eine alte Festung an. Dort scheint das Bootfahren so attraktiv zu sein, daß es sogar eine Bootstankstelle auf einem Steg gab. Für mich müßte es schon ein Ruderboot oder wenigstens ein Segelboot sein, aber die gab es da ja auch. Am Abend besuchte ich Verwandte, die zu der Zeit in einem Stockholmer Vorort (Täby) lebten.

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Am nächsten Tag kam dann die Ortsdurchfahrt durch Stockholm. Das ist vom Fahren her weniger angenehm, wenn ich auch durch eine längere Pause in der schönen Altstadt belohnt wurde. Hier war jetzt auch der Sommer noch nicht ganz vorbei. Landschaftlich ist die Stadt sehr schön gelegen. Im Osten ist das Meer, eine mit beliebig vielen kleinen bewaldeten Felsinselchen (Schären) bedeckte Bucht, im Westen ist der Mälarsee und insbesondere im Süden steigen die Felsen etwas höher an. So liegt die Stadt selbst auch teilweise auf verschiedenen Inseln, die durch viele Brücken verbunden sind. Irgendwie fand ich dann auch den Weg aus der Stadt heraus nach Södertälje, von wo ich der E 3 in Richtung Göteborg folgte. In Gripsholm kam ich an einem der schönsten Schlösser Schwedens vorbei (ja, das ist hier wirklich wieder ein bewohntes Gebiet) und in Strängnäs fand ich einen schönen Zeltplatz. Aber am Abend danach war ich noch dekadenter und baute nicht einmal ein Zelt auf, sondern ging in die Jugendherberge in Örebro.

Irgendwo überquerte eine Frachtseilbahn die Straße. Sie fuhr nicht und ich weiß auch nicht, welchem Zweck sie einmal diente. Bis Kiruna reicht sie aber wohl nicht, denn dort habe ich nichts derartiges gesehen. Südlich von Örebro fuhr ich wieder auf der A 3 bzw. später auf der E 3 weiter. Solch eine schwedische Autobahn fährt sich doch gut. Sehr viel weniger Autos als auf einer deutschen Bundesstraße, beidseitige Radstreifen, Höchstgeschwindigkeit 110, kein Querverkehr,... Aber die hörte südwestlich von Örebro auch bald wieder auf und die E 3 war dann wieder eine normale Nationalstraße mit beidseitigem Radstreifen. Jetzt kamen wieder mehr Wälder und weniger Felder. Die Bauernhäuser waren natürlich alle dunkelrot gestrichen. Und die Seen wurden langsam wieder etwas wärmer. In Lyrestad kreuzte ich den Götakanal. Das ist eine Binnenwasserstraße von Söderköping an der Ostküste nach Göteborg, der heute insbesondere von einem Passagierschiff, das von Stockholm in 2 1/2 Tagen nach Göteborg fährt, benutzt wird. Zufällig kam das Schiff auch gerade vorbei. Aber so bin ich ja nicht gerast, ich brauchte vier Tage. Andererseits schafft man es mit dem Zug heute sogar in drei Stunden. Ich habe mir eben etwas Zeit gelassen, die schönste Umschreibung für "Trödeln". Aber im Urlaub darf man das ja auch einmal. Die Stellen im Wald zum Zelten gab es natürlich noch. In der Nähe von Skara sah ich mich danach etwas genauer um. Es gab eine schöne Möglichkeit im Wald ohne "widowmaker". Ich fragte Leute, deren Haus in der Nähe stand, ob sie etwas dagegen hätten, daß ich da zelte. Die waren nur über die Frage verwundert.

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Am nächsten Tag machte sich dann auch irgendwann Göteborg aus der Ferne bemerkbar, wo ich noch eine Nacht (schon wieder in einer Jugendherberge, die aber nicht den höchsten Standard hatte) blieb, um am nächsten Tag ein bißchen die Stadt anzusehen und eine Grachtenrundfahrt zu machen. Abends fuhr ich wieder auf ein Schiff. Die Ausfahrt aus Göteborg war sehr reizvoll. Es gab auch hier viele kleine Felsinselchen (Schären), aber die sind auf der Göteborger Seite alle unbewaldet. Erst nach einer Stunde kam das offene Meer. Morgens kam ich in Kiel an. Nach einer so langen Reise freute ich mich dann, wieder in Deutschland zu sein. Allerdings mußte ich mich erst wieder daran gewöhnen, daß die Leute in den Läden, insbesondere in den Eisläden, kein Schwedisch konnten.

Wer sich noch genauer für die Kilometer und die genauen Kalendertage interessiert, kann hier noch eine kleine Tabelle mit solchen Informationen finden. Durchschnittsgeschwindigkeiten habe ich damals aber noch nicht gemessen.

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