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Fahrradtour durch elf Länder und zum Nordkap

Karl Brodowsky, gefahren 2017-05-24 - 2017-07-01, geschrieben 2017

Einleitung

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1987 habe ich eine längere Radtour gemacht, die mich nach Nordskandinavien führte. Damals war es schwierig, in Ost-West-Richtung zu fahren, weil der eiserne Vorhang noch existierte und speziell für Radfahrer ziemlich undurchlässig war. Und ich bin damals wohl weit nach Norden gefahren, bis über den Polarkreis, aber nicht bis zum Nordkap.

Das sollte sich nun alles ändern. Die ehemals von kommunistischen diktatorischen Regimen regierten Länder sind heute alle Demokratien geworden und man kann sie ziemlich einfach bereisen. Ja, wir hatten in der Schule gelernt, dass dies alles vor 1990 und ausdrücklich auch unter Stalin Demokratien waren (in Schleswig-Holstein). Aber ein selbständig denkender Mensch kann sich sein eigenes Urteil dazu bilden.

Nur für Russland und Weißrussland braucht man Visa, aber die kann man einigermaßen leicht bekommen. So war es an der Zeit, einmal in Richtung Osten zu fahren. Und zum Nordkap sollte es dann auch gehen, aber dazu kommen wir später.

Eigentlich wollte ich mal von zuhause losfahren. Wenn man dann aber schaut, wieviele Ferien man so hat und es sind nur fünf oder sechs Wochen, dann muss man die Route schon genauer durchrechnen. Fünf oder sechs Wochen am Stück sind für die meisten Berufstätigen in Deutschland und in der Schweiz schon mehr als man je bekommen kann, außer man ist Lehrer oder Freiberufler. Und doch war das der Zeitraum, mit dem ich in diesem Jahr planen konnte.

So zerlegte ich die Radtour in zwei Teile. Zu Ostern hatte ich vier Tage Zeit und fuhr von Basel nach Linz, ein Stück über den Schwarzwald und dann grob dem Lauf der Donau folgend. Erst ab Passau bis Linz nahm ich wirklich den Donauradweg. Da es für die praktischen Nachtzüge von Prag und Wien via Linz nach Zürich keine (freien) Fahrradplätze gab, machte ich die Rückfahrt am Tag. Vielleicht gibt es dazu mal einen eigenen Radtourenbericht.

Wie auf anderen Radtouren auch sind die Leute, die ich getroffen habe, das beste auf der Radtour, aber darüber schreibe ich in einem öffentlichen Bericht fast nichts.

Teil 1: Österreich, Slowakei und Ungarn

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Österreich

Ich hatte nun also am ersten Tag eine ziemlich frühe Zugverbindung nach Linz. Da es bis zum Schluss noch viel Arbeit gab und auch das Packen ein paar Minuten dauert, war ich schon recht müde, als es losging. Die Donau ist in Deutschland ein ganz kleines Flüsschen, unterhalb von Regensburg so gerade mit mittleren Binnenschiffen befahrbar, aber optisch immer noch sehr klein. In Passau münden drei Flüsse zusammen, von denen der aus der Schweiz kommende Inn mehr Wasser mitbringt als die Donau selbst und dann kommen immer wieder kleinere Flüsse dazu, so dass die Donau in Österreich schon ab der Grenze ein großer Fluss ist und auf die gesamte Länge bezogen ja sogar einer der größten Flüsse in Europa, viel größer als der Rhein.

Linz ist eine sehenswerte Stadt, aber das interessierte mich diesmal nicht, weil ich schon bei der "Vorradtour" etwas Zeit dort hatte. Der Donauradweg verläuft teilweise auf beiden Seiten der Donau und teilweise nur auf einer. Man kann die Route so planen, dass man Fähren vermeidet. Wer gut informiert ist, weiß, wo welche Seite Baustellen hat oder auch nur schöner zu fahren ist. Mein Plan war einfach auf der Nordseite zu fahren und nur auf die Südseite zu wechseln, wo es keine Norduferroute gibt. Von Passau bis Wien war der Donauradweg, wie ich ihn gefahren bin, vollständig asphaltiert, was auf den deutschen Abschnitt und auf den österreichischen Abschnitt ab Wien stromabwärts nicht zutrifft.

Die Donau ist in diesem Abschnitt als Verkehrsweg und Energieträger genutzt und entsprechend gibt es in passenden Abständen Staustufen mit Schleusen und Kraftwerken. So haben auch die Schiffe ein ruhiges und ausreichend tiefes Fahrwasser. Der Schiffsverkehr war allerdings erstaunlich gering. Lange vor der nächsten Staustufe kam typischerweise ein Abschnitt, in dem man auf einem Damm fuhr. Links neben dem Damm waren in dem breiten Tal Auenlandschaften, die tiefer als der Wasserspiegel rechts lagen. Nach der Staustufe kam dann wieder ein Abschnitt, in dem der Fluss tief eingeschnitten war. Bei günstigem Wind ließ sich da gut Tempo machen. Es gab aber auch andere Abschnitte. Teilweise wurde das Tal etwas schmaler und die Umgebung hügeliger. Zum Teil führte der Donauradweg dann durch Dörfer und es war auch ein bisschen ein Gebastel. Dann gab es auch Abschnitte, die wie der Rhein zwischen Koblenz und Mainz durch ein schmales Tal mit steilen Wänden verliefen. Das wechselte immer wieder und man kann sagen, dass es eine abwechslungsreiche und weitgehend verkehrsarme Route ist.

Der erste Zeltplatz fand sich dann irgendwo zwischen Linz und Wien. Ich war so müde, dass ich zwölf Stunden schlief. Morgens konnte man in der Donau baden. Gut, dass die Wasserqualität heute so gut ist. Auf dem Zeltplatz traf ich Leute, die eine Kanutour durch die Donau machten. Dabei scheint es spannend zu sein, wie man die verschiedenen Grenzen überquert, bei denen es angeblich Schwierigkeiten geben kann, insbesondere zwischen Ungarn und Serbien und zwischen Serbien und Rumänien.

Die Tour ging ganz gut weiter bis in die Nähe von Wien. Hier bot sich eine Alternative zum Donauradweg an. Es gibt eine langgestreckte Donauinsel, auf der kaum Autos fahren und auf der man in Längsrichtung mindestens eine asphaltierte Straße für Radfahrer hat. Das brachte mich durch Wien bis in den Osten der Stadt, wo ich dann einen Zeltplatz fand. Der lag verkehrsgünstig, insbesondere für unsere autofahrenden Freunde, was nicht gerade Optimismus für eine schlaftaugliche nächtliche Verkehrslautstärke ausstrahlt. Aber ich war so müde, dass ich trotzdem gut schlafen konnte.

Am nächsten Morgen ging es am Donauufer weiter. Die Insel ließ sich wieder ein Stück nutzen. Da konnte man auch gut schwimmen gehen. Nur war das Donauufer dann eine Sackgasse. Ein Seitearm mit dem Hafen zweigte nach Norden ab und ich musste zurück, um den zu umfahren. Der Donauradweg war nun auf Sandwegen, die weit weg vom Fluss durch Wälder und Auenlandschaften verliefen, ausgewiesen und ich wechselte auf das normale Straßennetz. Etwa in der Mitte zwischen Wien und Pressburg (Bratislava) gab es eine Brücke, die mich wieder auf die Südseite brachte. Auf der Nationalstraße fuhr ich weiter in Richtung Slowakei und irgendwann gab es für eine Teilstrecke eine asphaltierte Alternativroute über den Donauradweg. Ich traf dort einen Radfahrer, der von Zentralasien nach Hause fuhr und kurz vor dem Ziel war.

Slowakei

Die Grenze überquerte ich wieder auf der Nationalstraße. Der Slowakische Donauradweg war sehr gut ausgebaut. Es war weitgehend eine eigene breite Straße mit gutem Asphalt und wenigen Querstraßen. Man konnte richtig Tempo machen. Leider musste ich dann viel zu früh nach rechts abbiegen, um nach Ungarn zu kommen.

Ungarn

In Ungarn war dann auch ab und zu etwas von "Donauradweg" o.ä. zu lesen, aber darauf achtete ich jetzt nicht mehr so sehr.

Abends fand ich einen ganz tollen kleinen Zeltplatz zwischen Pressburg (Bratislava) und Raab (Győr). Dort war ich 2015 schon gewesen.

Ungarn ist ein tolles Land, aber es ist nicht sehr fahrradfreundlich. Exzessive Fahrradverbote sind die Regel und nach dem, was ich bis jetzt kenne, ist es nach den Niederlanden und Dänemark das fahrradfeindlichste Land in Europa. Für mich sind die Fahrradverbote da ein wichtiges Kriterium. Aber ich hielt mich daran, Fahrradverbote weitgehend zu ignorieren, soweit sie keine offensichtliche und brauchbare Umfahrungsmöglichkeit aufwiesen und damit soll das Thema hier erst einmal erledigt sein.

Ich hätte nun ab Rab (Győr) einfach der Donau weiter folgen können, aber einerseits fand ich es interessant, deren Verlauf etwas abzukürzen und andererseits wollte ich unbedingt den Plattensee (Balaton) einmal kennenlernen. So ging es nun nach Süden. In dieser Gegend war Ungarn etwas hügelig und es gab so eine typische mitteleuropäische Mischung aus Wäldern und Kulturlandschaft. Am Plattensee (Balaton) sollte es viele Zeltplätze geben, aber letztlich fuhr ich da abends noch eine Weile im Uhrzeigersinn dem Seeufer entlang oder auch etwas weiter vom See entfernt auf den Straßen, bis es einen guten Zeltplatz auf der Südseite in Szabadifürdő gab. Am nächsten Tag war meine gewählte Route wieder ein Stück zurück zu der Straße, die den See östlich tangiert und dann nach Süden.

Abends kam ich wieder in die Nähe der Donau. Ich blieb zunächst auf der Westseite und wechselte dann bei Baja auf die Ostseite. Die Straße führte lange durch ein kaum bewohntes, bewaldetes Auengebiet. Es war schon dunkel. Am Straßenrand sah ich in wenigen Metern Entfernung ein paar Frischlinge. In Baja gab es einen sehr schönen Zeltplatz an einem Seitenarm der Donau.

Am nächsten Tag ging es in Richtung Sombor (serbisch Sombor / Сомбор, ungarisch Zombor).

Teil 2: Serbien und Rumänien

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Serbien

Die serbisch-ungarische Grenze ließ sich ziemlich problemlos passieren. Es gab Wechselstuben, die aber nur EUR oder CHF, nicht aber HUF gegen RSD tauschen wollten. Da hoffte ich auf Bankomaten, was aber eine Weile dauern sollte. Ich wollte erst nach Sombor (Сомбор) und dann nach Neusatz (Novi Sad / Нови Сад) fahren. Da gab es nun zwei Routen und witzigerweise war es an der Kreuzung, wo man sich entscheiden musste, auch einfach in beide Richtungen als "Нови Сад" oder "Novi Sad" ausgeschildert. In Serbien sind die Varianten in kyrillischer Schrift, in lateinischer Schrift oder auch in beidem je nach Wegweiser verwendet, oft verschiedene Varianten auf demselben Schild. Die kyrillische Schrift zu kennen, hilft jedenfalls sehr.

Ich nahm die westlichere Route und kam dann abends in Neusatz. In dieser Gegend sind die Serben heute die Bevölkerungsmehrheit, aber man sieht doch Orte, in denen viele Ungarn oder Slowaken wohnen. Gelegentlich haben die Orte dann in diesen Sprachen noch alternative Namen, die meistens dem serbischen etwas ähnlich sind. Die Orte ähneln sehr den Orten in Ungarn, sie haben eine sehr breite Schneise für die Hauptstraße und damit viel Platz zwischen der Straße und den Häusern. In Serbien waren die Leute mit Rasenmähern beschäftigt, um diese Flächen zu pflegen. Man sieht, dass Serbien wie Ungarn und die Slowakei immer noch zu den relativ wohlhabenden Ländern gehört.

Abends war ich in Neusatz (serbisch: Novi Sad oder Нови Сад, ungarisch: Újvidék, slowakisch: Nový Sad). Wörtlich übersetzt heißt der Name eigentlich "neuer Garten". Dort war ich 2015 zu Ostern. Es ist eine sehr schöne Stadt, aber diesmal sollte es nur eine Übernachtung geben.

In Norwegen ist man es gewohnt, dass eine "flache" Strecke trotzdem ziemlich bergig ist und auch in flacheren Gegenden hat man immer wieder kleine Steigungen, teils kaum wahrnehmbar, teils auch etwas mehr, die sich zu einigen Höhenmetern addieren. Nordöstlich von Neusatz (Нови Сад) ist die Vojvodina (serbisch Војводина, deutsch auch Wojwodina oder Woiwodina, ungarisch Vajdaság) sehr flach und es gab wirklich nichts an Erhebungen, außer am Anfang bedingt durch Brücken wegen kreuzungsfreier Straßenführungen oder Bahnstrecken. Normalerweise zahlt man dafür den Preis, dass es viel Gegenwind gibt, was auch in weniger flachen Gegenden vorkommt. Diesmal war aber auch das kein größeres Problem. Es gab ein paar schöne kleine Orte. Irgendwo gab es sogar Erdbeeren, die man am Straßenrand kaufen konnte.

Rumänien

Abends kam ich nach Rumänien. Es war immer noch ziemlich flach. Es schien ein ziemliches Wohlstandsgefälle zwischen dem relativ wohlhabenden Serbien und Rumänien zu geben. Die Straßen waren auch etwas schlechter als in Serbien, aber da kamen später auch bessere Straßen. Ich erreichte schon im Dunkeln Temeswar (rumänisch Timișoara, ungarisch Temesvár, serbisch Темишвар/Temišvar). Das war eine echte Großstadt mit über 300'000 Einwohnern. Der Zeltplatz war leicht zu finden. Der Eingang war aber geschlossen und man musste einen Kilometer fahren zu dem Eingang auf der anderen Seite. Der war auch geschlossen und es ließ sich auch nichts machen, um doch noch hereingelassen zu werden. So suchte ich mir eine andere Übernachtungsmöglichkeit. Wie es so kommt, funktionierte das Internet gerade an diesem Ort sehr schlecht, aber irgendwann klappte es dann doch.

Am nächsten Morgen fuhr ich etwas nach Norden, um dem Fluss Mieresch (deutsch auch Marosch, rumänisch Mureș, ungarisch Maros) nach Osten zu folgen. Das war hier eine schöne Straße in einem Flusstal mit Wald und gelegentlichen Dörfern. Parallel verlief auch eine zweigleisige elektrifizierte Bahnstrecke, die wohl von Budapest nach Bukarest führt. Leider fuhren dort wenige Züge und mir ist auch nicht bekannt, dass es konkrete Projekte gibt, diese Verbindung auf Hochgeschwindigkeit auszubauen. So bleibt noch Ich fand am abend kleines Hotel. In Rumänien war es nicht einfach, einen Platz im Wald zu finden, um das Zelt aufzubauen. Auch Zeltplätze waren selten. Dafür waren Hotels und Pensionen preisgünstig.

Die dritte Nacht verbrachte ich in einem Motel. Es sah richtig aus wie ein typisches amerikanisches Motel aus dem Film, etwas heruntergekommen, aber noch OK. Das Zimmer hatte einen eigenen Eingang nach draußen. So konnte ich mein Fahrrad sehr einfach mit in das Zimmer nehmen, ohne viele Fragen zu stellen. Im Gegensatz zu amerikanischen Motels war hier das Preis-Leistungsverhältnis aber gewährleistet.

Die Landschaft öffnete sich etwas, das Tal war zeitweise breiter, aber es wurde insgesamt auch bergiger. Ich fuhr jetzt durch Siebenbürgen. Dieses Gebiet wurde früher von Rumäniendeutschen, genauer von Siebenbürger Sachsen bewohnt, von denen aber über 90% seit den späten 70er Jahren das Gebiet verlassen haben. Das Gebiet Siebenbürgen ist riesig und liegt etwas in der Mitte von Rumänien, aber es gehörte bis zum ersten Weltkrieg zum ungarischen Teil von Österreich-Ungarn.

In diesem Gebiet wohnten viele verschiedene Bevölkerungsgruppen und es war nicht wie z.B. das Eupener Land in Belgien ein mehr oder weniger geschlossenes deutschsprachiges Gebiet. Eher wie Lettland und Estland, wo die Baltendeutschen bis zum zweiten Weltkrieg präsent waren, aber immer eine Minderheit waren. Anders als in anderen Ländern im sowjetischen Machtbereich wurden die Rumäniendeutschen nicht vertrieben. Es gab deutschsprachige Schulen und erst zu späteren Zeiten haben sich die Bedingungen dort verschlechtert, sei es absolut gesehen, sei es relativ gesehen, und ein Emigration aus Rumänien wurde ab 1990 einfach möglich.

Auch jetzt gab es rein vom Eindruck beim Durchfahren Dörfer, in denen Roma, Ungarn, Szekler oder natürlich Rumänen überwogen. Rumänen haben mich dann gefragt, wie ich es geschafft habe, ein Roma-Dorf zu durchfahren, ohne überfallen zu werden. Rumänien zeigte sich als vergleichsweise fahrradfreundliches Land. Auf den Nationalstraßen, die ich benutzt habe, gab es keinerlei Fahrradverbote, was ein großer Kontrast zu Ungarn ist. Es kann aber auch eine Zufälligkeit meiner Route sein.

Ich schaute mir Hermannstadt (rumänisch Sibiu, ungarisch Nagyszeben) bei einer längeren Pause an. Das ist wirklich eine sehr schöne alte Stadt. Am Abend kam ich auf einen Zeltplatz. Der hatte sogar ein Schwimmbad. Dann fuhr ich weiter nach Kronstadt (rumänisch Brașov, ungarisch Brassó) und dann nach Nordosten. Ich fand wieder ein Hotel kurz vor der Querung der Karpaten. Diese Karpatenquerung war vergleichsweise einfach, aber es blieb auch hinterher noch eine Weile ziemlich bergig. Ich fand zwischen den Karpaten und Jassy (rumänisch Iași, russisch Яссы, ungarisch Jászvásár) wieder ein Hotel. Iași ist ein Großstadt von etwa 300'000 Einwohnern. Meine Route führte durch die Stadt durch und dann im spitzen Winkel nach links auf die N 24. Bald kam dann ein dünn besiedletes Gebiet und wieder ein paar Berge. Dann kam auch schon die Grenze zu Moldawien.

Teil 3: Moldawien und Ukraine bis Kiew

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Moldawien

Moldawien ist das nobelste Land in Europa. Die Leute benutzen dort dasselbe Verkehrsmittel wie die englische Königin. Erstmal kam die Grenzkontrolle. Die moldawische Zöllnerin hatte mit Abstand die eleganteste Uniform, die ich auf dieser Reise gesehen habe. Aber es war alles einfach.

Nun war es schon Abend. Die Straße war eine Regionalstraße (R 16). Sie war breit ausgebaut mit Randstreifen, aber der Asphalt war eher von der Qualität, wie man sie in den meisten Ländern gerne für Radwege verwendet. Moldawien sollte ein bisschen wie ein Traum bleiben. Und zum Träumen muss man schlafen. In einer Gegend, wo Touristen und Geschäftsreisende nicht besonders häufig sind, bietet sich dafür primär an, im Wald zu zelten. Es gab südlich der Straße ein Gebiet mit niedrigen Büschen, wo man eine gute Stelle für das Zelt finden konnte.

Moldawien, offiziell "Republik Moldau", ist ein Land, über das man wenig weiß. Es gilt als das ärmste Land in Europa. Die primäre Sprache ist Moldauisch und je nachdem, wen man fragt, dasselbe oder sehr ähnlich wie Rumänisch. Das Land reicht bis auf wenige Kilometer in die Nähe des schwarzen Meeres, hat aber keine eigene Meersküste. Als Schrift wird wie in Rumänien das lateinische Alphabet mit ein paar zusätzlichen Sonderzeichen verwendet. Die Russische Sprache ist natürlich noch sehr präsent, auch wenn ein großer Teil der ethnischen Russen in Transnistrien zu finden ist, das ich auf dieser Reise nicht besucht habe. In Moldawien gab es auf meiner Route keinerlei Fahrradverbote, vielleicht gibt es die im ganze Land überhaupt nicht.

Wie arm oder wie reich das Land ist, kann ich jetzt vom Augenschein nicht sehr genau sagen, aber es gibt sicher einige sehr reiche Moldawier und dann sieht man wiederum öfter in einem Dorf jemanden mit einer Kuh oder zehn bis zwangzig Enten, Gänsen oder Hühnern am Straßenrand sitzen. Es sieht so aus, als wären diese Tiere der wertvollste Besitz. Andererseits sieht man, dass viele Leute in kleinen Einfamilienhäusern wohnen, von denen auch viele gebaut werden. Die Straße führte meist als Umgehungsstraße an den Orten vorbei und nur einige wenige eher kleinere Orte habe ich wirklich durchquert. Der Kontakt mit Moldawiern war insgesamt wenig.

In der Nähe von Belz (rumänisch/moldauisch: Bălți, russisch Бельцы) kam ich auf die M 5. Das ist eine Straße der höchsten Kategorie überhaupt, die nur in Ländern der ehemaligen Sowjetunion überhaupt vorkommt. Diese Interkontinentalstraßen führen durch die unendlichen Weiten Eurasiens. So hat man hier ein "Highway-Feeling" auf einem Niveau, wie man es in der westlichen Hälfte Europas oder in Nordamerika gar nicht haben kann. Die Straße führte mit einem leichten Anstieg als Umgehungsstraße nördlich an der Stadt vorbei. Dann kam ein Kreisel mit einem Tunnel für den Verkehr von Belz nach Norden und die M 5 bog hier auch nach Norden ab. Leute hatten mir gesagt, dass der Grenzübergang, den ich ursprünglich nehme wollte, nicht gut sei und so passte ich meine Route entsprechend an.

Nun traf ich in einem Dorf die Polizei, die mit Auto unterwegs war. Sie fragten mich, ob ich Russisch könne. Dann erklärten sie mir, dass sie nicht wüssten, wie es in meinem Land sei. Aber in Moldawien seien so Waffen und Drogen verboten. "Haben Sie Waffen oder Drogen dabei?" "нет!" Dann war alles gut... Dann wollten sie noch wissen, ob ich irgendwelche Probleme gehabt hätte. Nochmal "нет!" und dann war nochmal alles gut. Sie sagten mir noch die Nummer der Polizei, falls ich doch mal Probleme haben sollte.

Dann ging es weiter. Ich fuhr jetzt wieder auf einer Regionalstraße, die gegenüber der E 583 eine Abkürzung darstellt. Moldawien ist auf den Landkarten immer als winziges Land zu sehen und dann noch lang und schmal wie Chile oder Norwegen, nur verbogen. Und ich fuhr ja nur kurz von Rumänien in die Ukraine. In Wirklichkeit ist das Land ziemlich groß. Die Fläche ist etwas kleiner als die Schweiz, aber mit knapp der Hälfte der Einwohner und ohne einen so großen Anteil an unbewohnbarem Bergland. Da mein Grenzübergang noch etwas nördlicher war, war die Durchfahrung des schmalen Landes nun doch etwas mehr als ein Tag.

Wieder ging es meist in großen Bogen an allen Orten vorbei und am späten Nachmittag oder frühen Abend kam ich auf die E 583 in Richtung Ukraine. Die war hier streckenweise sehr gut ausgebaut, mit breiten, asphaltierten Randstreifen und mit modernem Asphalt. Es war streckenweise eine Allee. Am Abend kam ich in ein Dorf. Ich traf ein paar Leute. Sie sagten mir, dass sie Ukrainer seien, dass aber der moldawische Staat offiziell keine ukrainische Sprachminderheit kenne und dass sie deshalb russischsprachige Schulen für ihre Kinder hätten. Sie konnten auch mit mir Russisch sprechen, da ich kein Ukrainisch verstehe. Sie wollten mich sogar zum Abendbrot einladen. Was das Übernachten betraf, meinten sie, dass ich dafür noch bis in die Ukraine fahren müsse. Wie schon geschrieben, wenige Touristen und wenige Geschäftsreisende in dieser Gegend.

Nun wurde es schon dunkel. Die Dörfer, durch die ich kam, hatten Straßenbeleuchtung, aber die war komplett abgeschaltet und so konnte man nur wenig sehen. Ein ungewohntes Gefühl. Letztlich ging ich kurz vor der Grenze in einen Wald und fand dort ein schönes Plätzchen für mein Zelt.

Ukraine

Morgens ging es dann kurz in die Ukraine. Der Grenzübergang befand sich mitten in einer Doppelstadt. Hier gab es Otaci auf der moldawischen Seite und Могилів-Подільський (Mohyliw-Podilskyj, russisch Могилёв-Подольский Mogiljow-Podolski, polnisch Mohylów Podolski, rumänisch Moghilǎu) auf der ukrainischen Seite. Dazwischen war eine Brücke über den Dnjestr (ukrainisch Дністер (Dnister), russisch Днестр (Dnjestr), rumänisch Nistru, polnisch Dniestr). Auf der moldawischen Seite leben sehr viele Roma, die zweitgrößte Zahl nach der Hauptstadt Chișinău. Beide Grenzorte glichen einem Flohmarkt und es gab einen kleinen Grenzhandel, bei dem Privatpersonen so viel, wie sie tragen konnten, in der einen oder anderen Richtung über die Grenze nahmen.

Die ukrainischen Grenzwächter wollten sich mit mir unterhalten. Ich hatte ein russisches Visum im Pass und da kam die Frage auf, ob ich in antiukrainischen Organisationen aktiv wäre. Ich habe ihnen dann wahrheitsgemäß erklärt, dass ich den Konflikt zwischen den beiden Ländern bedaure, dass ich mich dort aber nicht durch Beteiligung an irgendwelchen Gruppen beteiligen wolle. Das glaubten sie mir dann nach einer Weile und ich konnte einreisen. Im Flughafen geht die Einreise einfacher. Auch hier konnten wir das Gespräch auf Russich führen, weil ich kein Ukrainisch kann. Die russische Sprach sollte nun für den Rest der Reise überwiegend die Rolle spielen, die die Englische Sprache in vielen nicht-englischsprachigen Ländern hat.

Ich verließ Могилів-Подільський (Mohyliw-Podilskyj) auf einer vierspurigen Regionalstraße, die steil anstieg, um das Flusstal zu verlassen. Dann wurde sie zweispurig und sollte für den Rest des Tages meine Straße bleiben. Ich fuhr überwiegend durch ein Hochland. Aber dieses wurde immer wieder von Flusstälern durchquert und dann ging es mit ein paar Serpentinen steil bergab und hinterher wieder steil bergauf. Obwohl die Ukraine das Landwirtschaftsland in Europa ist, konnte man die Felder kaum sehen. Es gab immer einen schmalen Waldstreifen zwischen Straße und Feld.

Am Abend, als es schon dunkel war, kam ich in den Ort Немирів (Nemyriw, russisch Немиров (Nemirow), polnisch Niemirów). Ich wollte übernachten. Das erste Hotel war voll. Beim zweiten fragte man mich, wann ich am nächsten Morgen so losfahren wolle. Ich meinte, "so um 9:00". Sie wollten wissen, ob auch 6:00 ok wäre. Ich meinte, um 6:00 aufstehen? Und sie meinten, um 6:00 losgefahren sein. Das war Bedingung, um dort übernachten zu können. Nun, ich war müde und wollte erstmal schlafen. Mein Fahrrad brauchte ich nicht abzuschließen, es gab Wächter, die die ganze Nacht darauf aufpassten. Die Übernachtung sollte umgerechnet 5 EUR kosten. Für 2.50 EUR mehr wurde zusätzlich noch meine gesamte Wäsche über Nacht gewaschen und natürlich gebügelt. Gebügelte Wäsche hatte ich auf Radtouren vorher noch nie. Man gönnt sich ja sonst nichts. Nun, so gegen 5:15 wurde ich dann geweckt und ziemlich forsch gedrängt, mich bitte zu beeilen. So kurz nach sechs fuhr ich dann los. An diesem Tag war ich etwas müde.

Es sollte nach Uman (ukrainisch und russisch Умань) gehen. Die Straße dorthin war wieder eine Interkontinetalstraße, die M 12. Uman ist eine sehenswerte Stadt und zwar nicht wegen des Stadtzentrums, sondern wegen des Sofijiwka-Parks (ukrainisch: Національний дендрологічний парк «Софіївка», russisch Софиевка).

Nun waren es noch genau 200 km nach Kiew (ukrainisch Київ, russisch Киев). Das wollte ich an einem Tag fahren. Leider war auch noch Gegenwind. Immerhin war der Weg sehr einfach zu finden. Ich musste nur zur nächsten Auffahrt der Interkontinentalstraße (M 05/E 95) fahren und dann auf dieser Straße bis Kiew bleiben. Die Straße war durchgängig mindestens vierspurig und überwiegend kreuzungsfrei ausgebaut. Meistens, aber nicht immer, gab es außerdem asphaltierte Randstreifen. Bei Uman war sehr wenig Verkehr, etwa 200 Fahrzeuge pro Stunde, was selbst für eine zweispurige Straße wenig wäre, aber bis Kiew wurde es natürlich mehr. Ich fuhr genau 50 km bis zur ersten Pause. Da war eine Bushaltestelle. Bushaltestellen von Überlandbussen werden in der Ukraine viel mehr zelebriert. Es gibt eine gemauertes Haltestellenhäuschen, das größer ist und mehr Schutz bietet als die üblichen Dächer, die es bei uns manchmal gibt. Das Haltestellenschild ist so groß wie ein Bahnhofsschild. Manchmal haben die Häuschen auch noch eine schöne Architektur mit Verzierungen. Oft gibt es auch noch ein Klo, das sich zum Glück etwas abseits befindet.

Die zweite Pause machte ich dann so bei 110 km. Da war ein Rastplatz, ich musste aber auf die gegenüberliegende Seite, weil es nur dort Wasser zu kaufen gab. Wasser muss man leider in der Ukraine kaufen und man braucht halt viel beim Fahren. Die dritte Pause kam dann nach 165 km. Es war schon früher Abend oder später nachmittag, aber noch hell. Etwa 20 km vor Kiew wurde die Straße dann sechsspurig und hatte hier auch Randstreifen. Im Süden von Kiew traf ich dann auf die Umgehungsstraße, die mit der M 05 ein Kleeblatt bildet. Ich bog nach links (oder 270° nach rechts) ab. In Kiew kenne ich mich aus und so fand ich auch den letzten Teil des Weges ohne Landkarte und kam nach knapp 200 km an, als es noch hell war.

Teil 4: Ukraine ab Kiew

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Kiew

Was ich dann in Kiew getan habe, bleibt mein Privatleben. Ich bin aber auch einige hundert Kilometer mit dem Fahrrad gefahren und habe die Stadt als Radfahrer kennen und schätzen gelernt.

Zur westlichen Ukraine

Von Kiew ging es auf einer anderen großen vierspurigen Straße weiter, diesmal auf der E 40/M 06 in Richtung Schytomyr (ukrainisch Житомир, russisch Житомир), Riwne (ukrainisch Рівне; russisch Ровно) und Lemberg (ukranisch Львів, russisch Львов). Diese Straße ist erst sechsspurig und dann für 350 Kilometer fast immer vierspurig. Eine kleine Folge davon ist, dass man Läden, Übernachtungsmöglichkeiten im Wald, Hotels und was man sonst noch so suchen könnte, nur auf der rechten Straßenseite nutzen kann, weil die Leitplanke in der Mitte sonst im Weg wäre. Aber es ist ein angenehmes Fahren. Am späten Nachmittag komme ich zu einem sehr schönen See, wo viele Leute baden und grillen. Und etwas später finde ich auch schon eine Übernachtung, diesmal in einem kleinen Hotel kurz vor Schytomyr (Житомир).

Am nächsten Tag fahre ich wieder etwa 200 km und komme abends kurz vor Riwne (Рівне) zu einem größeren Hotel. Im Gegensatz zum Rest der Ukraine kann man hier nach Angaben von der Rezeption das Leitungswasser trinken. Ich habe es geglaubt und bin drei Jahre danach noch nicht an den Spätfolgen gestorben. Riwne (Рівне) hat eine Umgehungsstraße, auf der man weiter in Richtung Lemberg (Львів) und auch nach Brody (ukrainisch Броди, polnisch Brody, russisch Броды), dem wahrscheinlichen Heimatort eines meiner Vorfahren, fahren könnte. Aber das werde ich hoffentlich bei anderer Gelegenheit noch besuchen. Diesmal bog ich nach Nordwesten ab. Erstmal musste ich nun Riwne (Рівне) durchqueren und fuhr dann auf der N 22 (kyrillisch Н 22) in Richtung Luzk (ukrainisch Луцьк, russisch Луцк, polnisch Łuck, deutsch historisch Lutschesk). Am Ostrand von Luzk (Луцьк) kam ich auf die M 19 in Richtung [Kowel]] (ukrainisch & russisch Ковель) und umfuhr die Stadt weitgehend. Irgendwo fand ich am Abend eine Stelle im Wald, wo ich mein Zelt für die Nacht aufbaute.

Typisch für die westliche Ukraine ist übrigens, dass die Leute hier zwar Russisch als Fremdsprache sprachen und verstanden, aber mit ukrainischem Akzent. Russen und Ukrainer sind nicht dasselbe, die Sprachen sind verschieden und die Länder sind verschieden. Auch wenn die Sprachen miteinander verwandt sind. In Dörfern in der Westukraine, sieht man oft zwei Kirchen. Eine ist vom Aussehen her typisch orthodox, die andere sieht eher wie eine katholische oder protestantische Kirche aus.

Mittags kam ich nach Kowel (Ковель) und wechselte auf die M 07. Die hätte ich schon ab Kiew fahren können und ein paar Kilometer gespart, aber ich suche mir meine Route selber aus. Nun ging es langsam auf die polnische Grenze zu. Das Gebiet war relativ dünn besiedelt, vielleicht zu Sowjetzeiten absichtlich, da es auch damals in der Nähe der Grenze lag. Bald wurde die Straßentrasse breit genug für einen späteren vierspurigen Ausbau und dann wurde die Straße auch selbst vierspurig. Hier auf dem vielleicht verkehrsärmsten Abschnitt und nicht in der Nähe von Kiew. Das erlebt man aber öfter. Ein Land will zeigen, "wo es langgeht" und baut die Straße auf der eigenen Seite der Grenze sehr großzügig. Oder der eine oder andere "Onkel General" fand die Idee faszinierend, dort bei Bedarf breite Straßen zu haben. Bald wurde die Straße aber benötigt. Schon lange vor der Grenze stauten sich die Lastwagen. Meine Schätzung anhand der Schlangenlänge und der Fortbewegung der Schlange waren mindestens 24 Stunden Wartezeit für Lkw-Fahrer. Zunächst standen sie auf dem Randstreifen und ließen die beiden Spuren frei. Aber kurz vor der Grenze standen sie auf der ganzen Breite. Als Radfahrer kam ich da aber noch gut durch. Dann teilte sich die Straße und die Lkws fuhren in ihren Abfertigungsbereich. Nun gab es ein riesiges Knäuel an gestauten Pkws. Wie die an den Lkws vorbeigekommen waren, weiß ich nicht, aber sie standen da und zwar so dicht, dass ich mit dem Fahrrad auch nicht mehr vorbekam. Zur Erinnerung: Kurz vorher war das visumfreie Reisen für Ukrainer in den Schengenraum eingeführt worden und viellicht war es nun spannend, das mal zu nutzen. Ein paar nette Autofahrer halfen mir, das Fahrrad über die Leitplanke zu heben. Dort gab es einen Waldweg und kurz vor der Grenze eine Lücke in der Leitplanke, um zum eigentlichen Grenzübergang zu kommen. Eine Vorkontrolle meines Passes kam und ich erhielt einen Zettel und einen Termin für meine Passkontrolle etwa um 21:00. Ich konnte mich also an der Grenze für eine halbe Stunde auf eine Bank setzen, etwas lesen und zu der angegebenen Zeit zeigte ich den Pass und alles war OK. Die polnische Kontrolle ging auch und dann war ich in Polen. Man muss immer 1-2 Stunden einplanen für so eine Grenzquerung außerhalb von EU & Schengen. Allerdings ging es auf dieser Reise bis nach Moldawien jeweils genauso schnell wie in der EU vor Schengen.

Teil 5: Polen, Nordostpreußen, Litauen und Lettland

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Polen

Ich kam in den ersten polnischen Ort Okopy und fand da auch eine Übernachtung

Nun wollte ich in der Nähe der ukrainischen und später weißrussischen Grenze nach Norden fahren. Das ist ein relativ dünn besiedeltes und landschaftlich sehr interessantes Gebiet. Wie so oft ist das zum selber fahren interessanter als zum Schreiben und lesen. Oft fuhr ich nah an der Grenze und man konnte herüberschauen nach Weißrussland. In Terespol gegenüber von Brest (früher Brest-Litowsk, weißrussisch Брэст, polnisch Brześć, russisch Брест). Dort gab es zwei Straßen- und einen Schienenübergang über die Grenze. Interessanterweise war die Bahnstrecke in Richtung Warschau dreigleisig. Zwei elektrifizierte Gleise in Normalspur und dazu ein drittes Gleis in osteuropäischer Breitspur ohne Oberleitung für Güterzüge. Abends fand ich für mein Zelt eine Stelle im Wald. Da die Gegend nicht so ganz unbewohnt ist, war ein Hund in einiger Entfernung sehr aktiv am Bellen. Zum Glück beruhigte er sich irgendwann.

Wieder durch die schöne Gegend in der Nähe der weißrussischen Grenze ging es weiter nach Białystok (Bjelostock), wo ich wieder eine Übernachtung fand. Das ist übrigens eine sehr schöne Stadt und obwohl mein Quartier im Norden der Stadt lag, fuhr ich am nächsten Morgen noch einmal zurück und schaute mir die Stadt an, bevor ich weiterfuhr.

Die Straße führte durch ziemlich flaches Gelände und ich kam schließlich nach Lyck (Ełk), wo ich meine November-Radtour 2003 begonnen und beendet hatte. Ich umfuhr es allerdings auf der Umgehungsstraße und kam am Abend nach Treuburg (Olecko), wo ich auf dem Zeltplatz übernachtete. Da das wie Brody eine Stadt ist, aus der meine Vorfahren stammen, aber diesmal bis zu meiner Elterngeneration, sah ich mir auch am Morgen die Stadt noch an, bevor ich weiterfuhr.

Danach ging es weiter nach Goldap (Gołdap), wo ich im Frühjahr 2008 schon war. Danach kam schon bald die russische Grenze. Es war ein kleiner Übergang mit wenig Verkehr. Und es gab ein paar kleine Probleme. Die Einladung für mein Visum war nach Moskau und das war irgendwie mit einem "Einmalvisum" nicht wirklich passend zu meiner realen Reiseroute. Und ich hatte Stempel von der Ukraine im Pass. Und man fährt ja nicht in die Ukraine, das wäre ja sehr teuer und uninteressant. Außer für Leute, die sich dort in antirussischen Organisationen betätigen. So wurde es etwa ein 90-minütiges Gespräch auf Russisch. Sehr freundlich und gar nicht aggressiv. Man fragte mich, warum ich so viele Sprachen kenne und ich sagte, dass ich viel reise. Das fanden sie komisch, weil im Pass gar nicht von so vielen Ländern Stempel zu sehen waren. Aber ich habe ihnen dann erklärt, dass man manche Grenzen ohne Stempel und gar ohne Passkontrolle überqueren kann. Und dann durfte ich irgendwann einreisen.

Nordostpreußen (Russland)

Wie so oft war es auch hier. Willkommen in Russland, dem tollen Land mit den tollen Straßen. Die Straße war jetzt zweispurig mit sehr breiten Randstreifen, gutem Asphalt und großzügig trassiert. So ging es die ersten paar Kilometer, dann ging es über in eine schmale Allee, die wahrscheinlich schon vor dem Krieg gebaut worden war, bis nach Gumbinnen (Гусев). Von dort folgte ich der A 229/E 28 in Richtung Insterburg (Черняховск) und Königsberg (Калининград). Das ist abgesehen von einigen Neutrassierungen die ehemalige N 1 von Wirballen (Virbalis, LT) nach Vaals bei Aachen (NL). Ich schaute mir noch kurz Insterburg an und fand dann abends ein kleines Hotel irgendwo neben der Straße.

Nun war es nach Königsberg nicht mehr weit. In Taplacken (Талпаки) vereinigte die Straße sich mit der A 216 von Tilsit (Советск). Kurz danach wurde sie vierspurig. Königsberg hatte eine großzüge Stadteinfahrt. Es gab eine kreuzungsfreie Verknüpfung mit der sechsspurigen Umgehungsstraße und ging dann sechspurig und kreuzungsfrei durch die Stadt. Es folgten noch einige Kleeblätter mit größeren Querstraßen und schließlich war ich auf kleineren Straßen unterwegs und fand meine Übernachtung.

Ich blieb für zwei Nächte. So konnte ich mir am nächsten Tag die Stadt und insbesondere den Dom und das Bernsteinmuseum ansehen. Am Abend fuhr ich noch nach Germau (Русское) und auf einem Umweg über Fischhausen (Приморск) zurück.

Am nächsten Tag fuhr ich erst einmal in die falsche Richtung nach Südwesten. Ich kam auf die ehemalige "Reichsautobahn" von Königsberg nach Elbing (Elbląg). Von dieser wurde damals nur die eine Hälfte gebaut. Diese genügt nicht den Anforderungen einer modernen Russischen Straße und wurde inzwischen stillgelegt. Man kann sie noch als Radweg benutzen, mit der von Radwegen gewohnten Oberflächenqualität. Daneben ist eine moderne russische Straße gebaut worden, auf der Trasse der noch nicht gebauten Gegenfahrbahn und breiter als die Autobahn. Ich probierte diese Straße noch ein kurzes Stück aus und kehrte dann bei der nächsten Abfahrt um in Richtung Nordosten. Ich umfuhr Königsberg auf der Umgehungstraße, und bog dann auf die A 217 in Richtung Cranz (Зеленоградск). Ich wechselte auf eine parallel verlaufende Regionalstraße und fand ein neu gebautes Restaurant, das einer Burg nachempfunden war. Später wechselte ich wieder auf dei A 217 und bog dann eine andere vierspurige Straße in Richtung Cranz ab.

Von Cranz nahm ich die Straße in Richtung Nordosten über die Kurische Nehrung (litauisch Kuršių nerija, russisch Куршская коса). Das war hier eine Mautstraße und ich hatte zum Glück noch ein paar Rubel übrig. An einer Pausenstelle gab es einen längeren Rundweg durch das Naturschutzgebiet, den ich zu Fuß zurücklegte. Ich traf noch einen Russen und wir hatten ein interessantes Gespräch. Irgendwann kam dann die Grenze. Man wies mich noch darauf hin, dass mit der Grenzüberquerung mein Visum ausgebraucht sei. Auf der litauischen Seite wurde ich vom Zoll auf Deutsch befragt, ob ich Dinge dabei hätte, die man nicht einführen dürfte.

Litauen

Am Abend fand ich einen Zeltplatz und der hatte naturgemäß auf beiden Seiten in Fußgängerreichweite Bademöglichkeiten. Ich stieg auf eine hohe Düne, um die Aussicht zu genießen, ging dann aber zum Baden auf die Seite, wo die offene Ostsee war. Es gab nun zeitweise eine asphaltierte Veloroute, die mit etwas Zickzack, aber immer gut erkennbar in Richtung Nordosten führte. Ich folgte dieser bis fast zum Ende der Nehrung. Dort ging es nur mit Fähren weiter. Es gab eine alte und eine neue Fähre. Die alte war weiter zum Ende der Nehrung und nahm nur Fahrräder und Fußgänger mit. In der Annahme, dass man fast immer sowieso beide Richtungen fährt, war die Richtung, in der ich fuhr, gratis.

In Memel (Klaipeda) fuhr ich noch eine kleine Runde und kam auch auf die Straßen, wo ich 2005 und 2008 gefahren war. Dann fuhr ich auf der N 141 und später auf der A 13 in Richtung Norden. In der Nähe von Memel war die Straße vierspurig und kreuzungsfrei, weiter im Norden wurde es dann eine normale, gut ausgebaute zweispurige Straße. In einem Ort in der Nähe vom Meer fand ich einen sehr schönen kleinen Zeltplatz.

Lettland

Am nächsten Tag kam schon bald die Grenze zu Lettland. Die Straße ging in die lettische A 11 über. Es ging durch schöne Landschaft und dann kam schon Libau (Liepāja), eine schöne mittelgroße Stadt. Danach verließ ich die Küstenregion und ging es auf der A 9 in Richtung Osten. Am Abend fand ich eine Übernachtung.

Bei strahlendem Sonnenschein ging es weiter in Richtung Riga (Rīga). Am späten nachmittag erreichte ich die A 5, die eine weiträumige südliche Umfahrung von Riga ist. Ab der Verknüpfung mit der A 9 war die A 5 vierspurig und kreuzungsfrei. Bald kam ein Kleeblatt und ich bog nach rechts auf die sechsspurige A 10 ab. Riga ist eine sehr fahrradfreudliche Stadt und es gibt keinerlei Fahrradverbote.

Mit einem Kleeblatt in der Nähe des Rigaer Flughafens hatte ich das Nordkap erreicht. Wie das? Nun, ich war 2012 wirklich beim Nordkap und bin in Rovaniemi gestartet, 2014 unter anderem von Rovaniemi via Sankt Petersburg nach Riga gefahren und von diesem Flughafen abgeflogen, 2005 von Memel nach Ratzeburg gefahren und hatte damit die Verbindung von Memel nach Treuburg fährenfrei hergestellt und ich war zu Ostern 2017 von Basel nach Linz gefahren. Die Strecke Olten-Basel bin ich schon oft gefahren. Damit bin ich also fährenfrei von meiner Haustür bis zum Nordkap gefahren.

Ich fuhr weiter bis zur Innenstadt, wo sich meine Übernachtung befand. Ich blieb zwei Nächte und es gab in Riga noch genug Dinge anzuschauen, die mir entweder bei den vorigen beiden Besuchen besonders gefallen haben oder die neu waren. Am Abend vor der Abreise fuhr ich auf der A 10 nach Riga Strand (Jūrmala) und konnte noch etwas schwimmen. Das ist ein schöner Küstenort mit einem guten Strand und vielen schönen Einfamilienhäusern mit Gärten. Zurück nach Riga folgte ich ab dem Kleeblatt mit der A 9 dieser und dann kleineren Straßen. Es gab für einen großten Teil des Weges einen Radweg neben der Bahnstrecke, der gut asphaltiert und praktisch hindernisfrei war. Erst näher an der Innenstadt kam ich dann auf Straßen mit Ampeln.

Dir Rückreise machte ich mit einem Flug nach Zürich.