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Radtour bis in das Land der Fjorde (1)

Karl Brodowsky, gefahren 1985-07-11 - 1985-08-17, geschrieben 1998

Der Weg ins Land der Fjorde

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Bedeutende Dinge haben oft die Eigenschaft, daß Ihr Anfang irgendwo in der Dunkelheit des Vergessens verschwunden ist. So ähnlich ist es wohl auch bei dieser Radtour, auf die ich so ungefähr im Jahre 1985 gefahren bin. Aber unabhängig von dem Startort, der vermutlich Kiel gewesen sein muß, da ich ja mit dem Zug von Karlsruhe aus angereist war, und den ersten paar Kilometern war es wohl doch so, daß ich in Schleswig-Holstein auf der N 202 auf Oldenburg/Holstein zufuhr. Dort verwendete ich die Umgehungsstraße, um dieses Städtchen zu umfahren und fuhr dann auf der Vogelfluglinie N 207/E 4 (alles gemäß der Numerierung von 1985) weiter nach Norden. Fehmarn ist so schön, daß ich dieser Insel in früheren Jahren schon zwei eigene Radtouren gewidmet habe. Aber diesmal fuhr ich einfach auf der Europastraße über die Fehmarnsundbrücke und direkt zur Fähre nach Puttgarden, mit der ich auch recht bald nach Rødby übersetzen konnte. Auf der dänischen Seite ist dann die Vogelfluglinie auf der Insel Lolland nicht so recht definiert, aber irgendwie kommt man dann halt doch weiter in Richtung Kopenhagen. Kurz hinter Maribo und immer noch auf Lolland ging ich dann in dem kleinen Städtchen Sakskøbing auf einen Zeltplatz.

Auch nach Dänemark habe ich schon sehr schöne Radtouren gemacht (z.B. 1983), auf denen ich mich ganz speziell für dieses Land interessiert habe, aber diesmal war es doch hauptsächlich Transitland. Weil ich Kopenhagen schon von der Transitradtour 1984 und der Dänemarkradtour 1983 kannte, konnte ich mich noch gut daran erinnern, daß Kopenhagen zusammen mit seinen zahlreichen Vororten damals einfach 100 Kilometer Stadtverkehr mit ganz vielen Ampeln bedeutete. Das wollte ich diesmal besser machen und in einem großen Bogen um die Stadt herumfahren. Dabei sollte das eigentlich noch nicht einmal ein großer Umweg sein. Aber die Abzweigung der N 6 ließ lange auf sich warten und die Nationalstraße nach Kopenhagen war schon längst vierspurig mit Ampeln, als ein ganzes Stück nördlich von Køge bei Jersi Strand endlich die Abzweigung kam. Nach ganz kurzer Zeit war ich in der offenen Landschaft und aus den Kopenhagener Vororten heraus. Auf einer ganz normalen Überlandstraße kam ich dann nach Roskilde, das sich wiederum teilweise umfahren ließ.

Nach einer längeren Überlandstrecke kam dann Hillerød, das ein bißchen chaotische Straßenkonstruktionen aufwies, aber ich kam dann doch auf der N 6 wieder aus der Stadt heraus in Richtung Helsingør. Kurz vor Helsingør vereinigte sich die N 6 wieder mit der E 4 und führte dann zum Hafen mit den Fähranlegern. Helsingør ist ein sehr hübsches kleines Städtchen mit einem sehr schönen Schloß. Das kann man gut sehen, wenn man mit dem Schiff schon ein Stück in Richtung Schweden gefahren ist und sich noch einmal umsieht. Die Verbindung über den Öresund (dänisch: Øresund) ist hier so kurz, daß man leicht das gegenüberliegende Ufer sehen kann. Drüben war es dann aber doch schon eine gute Zeit, nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu sehen und die fand sich auch direkt in Helsingborg. Dort gab es einen Zeltplatz, der eigentlich ein Fußballplatz war. Der Boden war entsprechend hart und man bekam keine Häringe in den Boden, aber irgendwann stand das Zelt dann doch und ich traf auch noch nette Leute, die auch dort übernachteten. Vor allem war es ein toller Abend mit warmem Wetter und strahlendem Sonnenschein. So wie man es sich in Schweden im Sommer eigentlich vorstellt.

Nun wollte ich natürlich einmal in Richtung Oslo weiterfahren oder jedenfalls in Richtung Göteborg, was in dieser Gegend so ungefähr auf dasselbe hinauslief. Schwierig wurde die Sache, dadurch, daß ich fast bis zur Übertreibung die legalen Wege dafür nehmen wollte. Die Nationalstraße nach Göteborg sollte ja irgendwo östlich von Helsingborg verlaufen, da mußte ich nur ein bißchen aus der Stadt herausfahren und würde schon hinkommen. Wegweiser gab es natürlich gar keine. So fand ich mich dann auch bald auf einer schönen und gut ausgebauten Straße nach Högenäs wieder. Das war offensichtlich die falsche Richtung, aber schon zu spät. Nach 20 Kilometern gab es ja eine Querverbindung, die mich in Ängelholm wieder auf die E 6 brachte. Nördlich von dort gab es zwei Straßen, die irgendwie neben der A 6 in die richtige Richtung zu führen schienen. Eines war eine Haupstraße und das andere die schlecht gekennzeichnete Europastraße. Natürlich erwischte ich wieder die falsche und es gab diesmal zwar keine so großen Umwege, aber doch erhebliche Steigungen. Mit der damals von mir verwendete Fünfgangnabe und einem recht kleinen, für den Flachlandverkehr optimierten Ritzel, war das keine so leichte Sache. So ging es weiter im Zickzackkurs, bald befand ich mich auf dem Weg ins Landesinnere, dann auf der N 24 wieder zur Küste, dann wieder ins Landesinnere und auf der N 117 nach Halmstad und so weiter. Wenn jemand den Verlauf der Europastraße in diesem Bereich kennt, würde mich das interessieren. Von Halmstad aus nach Norden erwischte ich wieder die falsche Straße, aber das war jetzt auch egal. Denn das war eigentlich ein ganz schöner Streckenabschnitt, fast direkt am Wasser entlang zwischen eigentümlichen Felsblöcken entlang, in einer Gegend, die eher durch Weidewirtschaft als durch Bewaldung geprägt ist. Kurz vor Falkenberg kam ich dann wieder auf die E 6 und es war klar, daß ich es an diesem Tag nicht mehr bis Oslo, nicht mehr bis Göteborg und überhaupt auch nicht mehr sehr weit schaffen würde. An Falkenberg fuhr ich zwar noch vorbei, aber dann suchte ich mir eine Übernachtungsgelegenheit, was sich in einem Wald in der Nähe der Straße auch fand. Ich hatte natürlich vorher gemerkt, daß es sinnvoll wäre, erst ein paar Kilometer von Falkenberg wegzufahren, damit der Fußweg neben dem Zelt nicht mehr ganz so frequentiert sein würde wie die E 6.

Am nächsten Tag kam ich bei Varberg vorbei und dann wurde es wieder recht chaotisch, so ungefähr wie am Tag zuvor. Aber man gewöhnt sich ja an alles. Erstaunlicherweise erreichte ich an dem Tag doch irgendwie noch das Örtchen Kungsbacka. Ab da könnte man ja statt illegal auf der A 6 zu fahren oder statt stundenlang die nicht ausgeschilderte E 6 zu suchen, einfach auf der N 158 nach Göteborg fahren. Das schien sich regelrecht anzubieten. Natürlich ging die N 158 dann auch in eine Motorstraße (motorway) (A 158) über und der weitere Verlauf der Nationalstraße war schlecht zu finden. Irgendwie fand ich dann noch einen Weg an der Küste entlang, dem offenbar eine Eisenbahnstrecke hatte weichen müssen, um in die Nähe von Göteborg zu kommen. In der Stadt hielt ich mich gar nicht so lange auf. Ich weiß aber noch, daß es sehr schönes warmes Wetter gab und daß viele Straßenbahnen herumfuhren und irgendwo auch in der Stadt noch ein paar Bäume standen. Aber da unter einer Parkbank übernachten, das wollte ich mir trotzdem nicht antun, sondern lieber weiter in Richtung Oslo fahren. Um mir den Ärger mit dem ganzen Motorstraßenquatsch zu sparen, nahm ich mir vor, von vorneherein auf der "falschen" Straße aus Göteborg herauszufahren und dann einfach dort, wo das Motorstraßennetz (motorways) zur damaligen Zeit aufhörte, zur nördlichen Fortsetzung der E 6 rüberzufahren. Vielleicht auch früher, aber zumindest sah das nach einer Möglichkeit aus. Bei günstigen Wetterverhältnissen, also mindestens kein Gegenwind, vielleicht sogar leichter Rückenwind, fuhr es sich auf der N 45 so gut, daß ich einfach da weiterfuhr bis Lilla Edet. Dort ging es über einen Berg herüber und vorher war es dann doch einmal Zeit, das Zelt aufzustellen, wieder einmal im Wald.

Die N 167 war wirklich für mein Fahrrad ganz schön steil, aber es fuhr doch ohne zu stöhnen über den Berg hinüber und bis zur E 6. Auf dieser kam ich dann durch eine Landschaft, die immer mehr von Felsen und Wald und immer weniger von Landwirtschaft geprägt war. Natürlich mußte noch Uddevalla durchquert werden, das noch einmal etwas chaotische Straßenverhältnisse aufwies, aber danach wurde es eigentlich ganz schön. Immer wieder kam man in die Nähe der Küste und dann wieder ein Stück weg. Kurz vor Strömstad suchte ich mir dann wieder ein kleines Plätzchen im Wald, um mein Zelt aufzubauen. Da war der Grund diesmal so felsig, daß man oft nicht an der gewünschten Stelle einen Häring einschlagen konnte, sondern stattdessen mit Schnüren die Ecken vom Zelt an den etwas entfernter liegenden Häringen festbinden mußte. Wenigstens versank mein Zelt da nicht im Moor, ein gutes Fundament ist ja doch ein Vorteil. Und vom Winde verweht wurde ich auch wahrscheinlich nicht, denn am nächsten Tag konnte ich ja noch weiterfahren.

Die Grenze zu Norwegen war auf einer hohen Brücke in Svinesund. Plötzlich wurde die Straße wieder viel schmaler und kurviger und auch recht voll. Die Landschaft war eher von Landwirtschaft geprägt und es kam doch immer mehr zu einer Häufung verschiedener Ortschaften, wie Sarpsborg, Fredikstad und Moss. Leider auch zu einer Häufung von Motorstraßen (motorways), die einer legalen Befahrung dieses Abschnitts gar keinen Raum mehr ließ. Schon recht spät am Tag kurz vor Oslo vereinigte sich die Straße mit der E 18 von Stockholm und teilte sich dann nach einem kurzen vierspurigen Abschnitt wieder. Die Europastraße verlief jetzt ungefähr parallel zur A 6/A 18 an sehr schönen Seen vorbei durch ein fast unbewohnt erscheinendes Gebiet, ganz im Kontrast zu Moss, Sarpsborg und was es sonst noch alles so gegeben hatte. Dann fing die Stadt plötzlich an und ich mußte mich nach einem Zeltplatz umsehen. Das war natürlich noch nicht so einfach, ich war den ersten Tag überhaupt in Norwegen, hatte noch nicht besonders viel Ahnung von der Sprache und überhaupt so von dem ganzen Land, sondern war jetzt einfach einmal da. Bei einer Tankstelle zeigte man mir so ungefähr die Richtung und den Rest konnte ich so nach und nach durch ein paar Fragen herausbekommen. In Anlehnung an die Tradition deutscher Jugendherbergen war der Zeltplatz "Ekeberg Camping" natürlich auf einer recht erhöhten Lage errichtet worden. Vor allem war er schon voll. Bei der Rezeption riet man mir, erstmal zu sehen, ob ich überhaupt einen Platz finde, bevor ich bezahle. Wahrscheinlich war ich der letzte, dem das gelang. Man mußte nämlich drei Meter Abstand zum Nachbarzelt einhalten.

Nach dieser doch im Ergebnis letztlich recht erfolgreichen Fahrt von Deutschland nach Norwegen, soweit es ohne amphibische Fahrzeuge überhaupt möglich ist, gönnte ich mir erstmal mindestens einen Ruhetag. Den wollte ich eigentlich vor allem nutzen, um mir ein bißchen die Stadt anzusehen, was ich natürlich auch nicht versäumte. Dabei traf ich viele alte Seeleute, die früher einmal jeden Hafen der Welt kannten und nun ihr Leid klagten, daß der Alkohol in Oslo teurer als "an Bord" sei. Aber ich hatte auch so meine kleinen Sorgen. Mein hinterer Reifen sah nicht mehr so gut aus und ich wollte ihn dann lieber ersetzen. Ersatzreifen hatte ich ja dabei. Da wurde dann noch gleich das Ritzel durch ein größeres ersetzt, um die Berge auch hochzukommen. Und es stellte sich heraus, daß der Schaltzug ersetzt werden mußte. Leider wies auch noch die teure nichtrostende Felge ein paar kleine Andeutungen von Längsrissen auf. Zwei Jahre davor hatte ich mit einer rostenden Felge ja Querrisse gehabt. Ist das der Unterschied? So alt, daß das Rosten eine Rolle gespielt hätte, wurde die Felge ja sowieso dann nicht mehr. Und so groß, daß man damit angeben könnte, stand das auch nicht drauf, daß sie nichtrostend war. Es dauerte recht lange, bis ich das Fahrradgeschäft in Oslo gefunden hatte. Dort gab es die passende Felge und sogar den Schaltzug für die damals recht unübliche Sturmey-Archer-Fünfgangnabe. Schaltzüge für Pentasport oder für Shimano-Fünfgangnaben hatten damals (1985) noch nicht einmal die Firmen Fichtel & Sachs oder Shimano selber. Und Kettenschaltungen wie XT oder Positron oder Uniglide oder so etwas hatte ich noch nicht. Das gab es damals grundsätzlich nur für Fahrräder mit viel schmaleren Reifen.

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