Zu Wasser und zu Lande quer zu den Fjorden
Am nächsten Morgen mußte ich das Zelt abbauen und mit dem ganzen Gepäck im Stadtbus zu dem Fahrradgeschäft fahren. Um nicht genau dieselbe Strecke wieder zurückzufahren, habe ich dann eine kleine Zugfahrt bis nach Voss gemacht. Witzigerweise habe ich mich an die Strecke noch genau erinnert, als ich drei Jahre später genau auf derselben Trasse mit dem Fahrrad fuhr. Die Bahn hat inzwischen einige neue und lange Tunnel bekommen, die einiges an Fahrzeit und Panorama einsparen.
Von Voss fuhr ich auf der E 68/N 13 nach Norden und bog in Vinje auf der N 13 ab in die Berge. Das ist anscheinend ein anderes Vinje als das, wo ich auf der E 76 vorbeikam. Danach suchte ich mir erst einmal eine kleine Übernachtungsmöglichkeit. Übrigens sagt man ja, daß es in Norwegen insgesamt und ganz besonders in dieser Gegend nahe der Westküste im Sommer immer ganz viel regnen würde. Aber an diesem Tag und sogar in der ganzen nun folgenden Woche hatte ich immer strahlenden Sonnenschein. Ab und zu darf man ja auch einmal mit dem Wetter Glück haben.
Nun war ich es ja schon gewohnt, daß es über die Baumgrenze ging. Nach einem kurzen Abschnitt, der eher von der Landwirtschaft geprägt war, kam ich auf einen Paß und dann herunter ins Tal nach Vik zum Sognefjord. Dessen Ufer folgte ich dann ein recht langes Stück, bis nach Vangsnes. Dort gab es erst einmal eine recht lange Pause, weil mein Fahrrad nicht amphibisch genug war, um den 1300 Meter tiefen Fjord zu durchfahren. Auf der anderen Seite fuhr ich in Balestrand oder Dragsvik oder so von der Fähre herunter und folgte auf der N 5 einem kleinen Fjordarm ein Stück nach Norden. Da lagen zwei kleine Schiffchen im Wasser, die sahen im Vergleich zu den Gebirgswänden am Wasser echt winzig aus. Daneben stand dann aber auch eine kleine Beschreibung, aus der hervorging, daß dies beides anscheinend Supertanker der größten Bauart waren, die hier auf neue Interessenten warten. Für ein Schiff hätte mein Geld ja vielleicht auch noch gereicht, aber ich denke, die waren leer und ohne Ladung wäre der Treibstoff für die Reise wohl bald ausgegangen. Es wurde jetzt schon so langsam Abend und ich mußte mich nach einer schönen Übernachtungsmöglichkeit umsehen. Ich kann mich gar nicht mehr so genau daran erinnern, aber es war wohl wieder mit dem Zelt im Wald.
Am nächsten Tag sah ich Wegweiser zu einem 60 Kilometer entfernten Ort Moskog, so daß ich mir vornahm, dort etwas einzukaufen. Vorher gab es ja auch wirklich keine so gute Gelegenheit, aber in Moskog selbst standen dann auch nur vier oder fünf Häuser. Immerhin konnte man mir sagen, daß 20 Kilometer weiter ein Zeltplatz sei, der ein kleines Lebensmittelgeschäft beinhalte. Die Strecke bis Moskog ging wieder in etwas höheren Lagen durch die Berglandschaft. Moskog selbst und der betreffende Zeltplatz lagen dann wieder ein wenig tiefer im Tal eines Flusses, der sogar recht breit war. Von dort fuhr ich dann auf der von Bergen kommenden N 14 durch dieses Tal. Offenbar wäre es also auch eine denkbare Variante gewesen, auf diesem Weg zu kommen. Das wäre dann direkt in der Küstennähe gewesen und hätte sehr viel mehr Fähren beinhaltet. In der Nähe des Zeltplatzes gab es sogar eine gute Möglichkeit, an einer ruhigen Stelle des Flusses zu baden, was zwar recht kalt war, aber doch die im Wald ansonsten recht selten vorhandenen Duschen ersetzen konnte. Gelegenheit zum Baden in Seen und Fjorden ergab sich in diesen Tagen natürlich sehr oft. Ich blieb auf dem Zeltplatz übrigens echt nur für einen kurzen Einkauf, denn die Übernachtung hatte noch eine Weile Zeit.
In der Gegend kam es recht oft vor, daß man offene Weidehaltung fand, bei der die Tiere einfach über die Straße liefen. Das hatte den Nachteil, daß gelegentliche Viehsperren in die Fahrbahn eingelassen waren, die auch für Radfahrer nicht so ganz ideal zu überqueren waren. Aber einen zweiten Felgenbruch habe ich trotzdem nicht bekommen. Was aber doch irgendwann einmal vorkam war ein Schaden beim vorderen Kugellager. Das Vorderrad verhielt sich komisch und als ich das Kugellager aufschraubte und ein bißchen einzustellen versuchte wurde es nicht besser. Zum Glück hatte ich die Kugellager als Ersatzteile dabei und konnte sie einfach austauschen und dann ging wieder alles gut. Der Reifen, den ich in Oslo eingebaut hatte, gab natürlich auch in der Gegend irgendwo seinen Löffel ab, mit einem satten Loch im Mantel und auch im Schlauch. Das Ding hat wirklich nur wenig mehr als 1000 Kilometer gehalten. Gut, daß die Reifen heute besser geworden sind.
Abends fand ich in der Nähe von Byrkjelo eine sehr schöne Stelle zum Zelten. Es gab einen kleinen Waldweg,der mit einem kurzen Bogen auf einen Felsvorsprung oberhalb der Straße führte, wo es gut Platz für mein Zelt und sogar für mein Fahrrad gab. Das war auch nebenbei noch gut gegen Wind geschützt, da konnte ich wirklich nicht klagen. Am nächsten Morgen war es nicht mehr so sehr weit nach Anda zu der nächsten Fjordfähre, die mich diesmal über den Nordfjord nach Lote brachte. Nach ein bißchen Tunnelstrecke und ein paar Möglichkeiten, anders abzubiegen kam ich dann nach kurzer Zeit am See Hornindalsvatn vorbei, der mit 514 m Wassertiefe wohl das tiefste Binnengewässer in Skandinavien sein dürfte. Entsprechend kalt war das Wasser auch beim Baden, aber dafür soll es im Winter so warm sein, daß der See selten zufriert. Vielleicht muß ich dort im Winter einmal baden gehen. Aber man muß halt aufpassen, denn nur ein kleiner Bereich am Rand ist so flach, daß man stehen kann.
Auf der nun folgenden Strecke führte mich die N 60 durch mooriges Gelände, wo ich einen anderen Radfahrer aus Deutschland traf, der sich hier aber an einem Ort einquartiert hatte und nur einen kleinen Tagesausflug machte. Das Moorgebiet bildete völlig unmerklich auch die Wasserscheide zwischen Nordfjord und Storfjord mit Sunnylystfjord. Bald danach führte die Straße neben einem immer wilder rauschenden Fluß mit viel Wasser herunter nach Hellesylt zum Sunnylystfjord. Aber natürlich war das noch lange nicht der Übergang über das Gewässer. Denn es ging dann sofort wieder weg vom Fjord und recht steil bergauf und nach einem oder zwei Tunnels durch ein Tal parallel zum Fjord. Dann war ich aber irgendwann doch in Stranda, wo es eine Möglichkeit gab, über den Storfjord überzusetzen. Auf der anderen Seite ging es dann erst einmal auf der N 58 weiter in Richtung Osten, aber nicht weit, denn die zwei Fähren an einem Tag hatten mich doch echt geschlaucht und nun hatte ich mir eine schöne Übernachtung wirklich verdient, wozu ich wieder eine tolle Stelle im Wald fand.
Am nächsten Morgen machte ich mich auf in Richtung zu dem berühmten Trollstigvejen (N 63), der wohl berühmtesten Bergstraße in dieser Gegend. Darauf hatte mich die Norwegerin in Drammen aufmerksam gemacht und wenn ich schon nicht den Vøringfoss zu sehen bekam, dann mußte doch der Trollstigvejen unbedingt dabei sein, damit es eine echte Norwegenreise würde.
Das kleine Sträßchen war nicht so leicht zu finden und es war auch bergauf noch nicht einmal asphaltiert. So etwas habe ich auf dieser Radtour sonst nur bei Baustellen erlebt und auch von denen blieb ich weitgehend verschont. Nach 6 Kilometern war die Asphaltierungslücke schon vorbei und weil es sowieso bergauf ging, war es auch kein so großes Problem, da nicht einfach mit Karacho hochfahren zu können.
Es war nun schon fast selbstverständlich, daß der Paß oberhalb der Baumgrenze lag. Bei dem strahlenden Wetter gab es viele Leute, die oben ihr Zelt aufgebaut hatten. Ich sah mir erst einmal den Wasserfall auf der nördlichen Seite an und fuhr dann lieber auf der Straße als auf dem Wasserweg herunter in Richtung Åndalsnes. Die Straße war wirklich eine schöne Bergstraße, jedenfalls auf dieser Seite, wo alles viel steiler war.
In Åndalsnes oder in der Nähe davon ging ich auf einen Zeltplatz. Jetzt waren es noch etwa 310 Kilometer bis Trondheim, jedenfalls auf dem Weg, den ich so auf der Landkarte gefunden habe. Am nächsten Morgen fuhr ich parallel zur Raumabahn auf der E 69 durch das Tal in Richtung Dombås. Dort gab es sogar einen Fahrradhändler, den ich wieder einmal aufsuchte, um ein paar kleine Ersatzteile zu kaufen. Dann ging es auf der E 6 herauf zum Dovrefjell, auf über 1000 Meter. Den Anstieg habe ich kaum noch als nennenswert in Erinnerung, aber es fing jetzt doch einmal an zu regnen. Trotzdem hatte man auf der Hochebene einen herrliche Aussicht in die Ferne zu den Bergen. Als es dann nach einer langen Strecke wieder bergab ging, verlief die Straße neben einem schönen wilden Fluß. Leider standen überall Schilder, die das Zelten untersagten. Irgendwo war aber wohl ein Schild vergessen worden. Jedenfalls standen da schon ganz viele andere Zelte und wenig später auch meines. Da hätte ich noch lange mit den Leuten reden können, aber ich war so müde, daß ich dann doch bald schlafen ging. Als ich aber am nächsten Morgen aufwachte, waren die Leute, die am Abend zuvor noch so lange munter gewesen waren, schon weg.
Der Fluß Driva, neben dem ich in der Nacht gezeltet hatte, floß zwar auch nach Norden, was so ungefähr die Richtung von Trondheim war, aber die Mündung liegt doch weit westlich von jener Stadt. Deshalb mußte ich beim weiteren Folgen der E 6 das Tal dieses Flusses noch einmal verlassen und bei Oppdal ging es nocheinmal wieder etwas hoch, jedoch nie wieder auf die Höhe, die ich beim Dovrefjell kurz hinter Dombås für eine längere Strecke befahren habe. Die Strecke verlief hauptsächlich in felsigen Tälern, aber in der Nähe von Trondheim weitete es sich etwas aus, ohne daß man den gebirgigen Charakter der Landschaft dabei aus dem Auge verlieren mußte. Um etwas mehr von der Stadt zu haben, zog ich die Jugendherberge in der Stadt dem weit außerhalb liegenden Zeltplatz vor.