Samstag, 2001-07-28
Bereits um 6.30 Uhr sitzen wir in der "Guten Stube" und verspeisen ein leckeres Frühstück mit guten Brötchen, Käse, Schinken, Marmelade und Kaffee mit Milch. Für Unterwegs richten wir uns noch ein paar Brötchen und dann kann's los gehen, Richtung "Schrofenpaß" Schnell rufe ich noch zu Hause an. Ich glaube, ich habe Mama aus dem Bett geholt! Das Wetter ist hervorragend, obwohl es so früh am Tag noch recht frisch ist. Aber es wird schnell immer wärmer, auch deswegen, weil wir schon bald recht kräftig in die Pedale treten müssen um die immer steiler werdenden Straßen zu bewältigen. Kurz vor der nicht bewirtschafteten "Speicherhütte" aber, wird der Weg so steil, daß wir absteigen und schieben müssen. Vor allen Dingen der 9-kg-schwere Rucksack zieht ganz schön nach unten. Wir treffen viele Radler, aber nur Wenige sitzen hier noch im Sattel. Obwohl keiner soviel Gepäck auf dem Rücken zu tragen scheint wie wir. Bis jetzt fahren wir nur auf einer Asphaltstraße. Ab der Hütte steigt ein schmaler, steiniger Wanderpfad nach oben Richtung "Schrofenpaß". 100 Meter fahren wir noch, dann müssen wir wieder absteigen und unsere Räder über den holprigen Weg schieben. Mühsam kämpfen wir uns langsam nach oben, schubsen, zerren, heben und schieben die Räder über steiniges Schrofengelände (nomen est omen!). Bis zum Paß gilt es einige "kitzlige" Passagen zu überwinden. Stellenweise muß Ro zweimal gehen, da der Weg so schmal, so schottrig und ausgesetzt ist, daß man das Rad da nur hinübertragen kann. Und das bringe ich nun wirklich nicht fertig. Es kostet mich schon große Überwindung diese ungesicherten Stellen überhaupt zu passieren. Da könnte ich nicht noch ein Rad auf die ohnehin schon durch den Rucksack beladenen Schultern mit hinüber nehmen. Links fällt ein steiles Geröllfeld ins tief unten liegende Tal ab, der Pfad selber ist entweder total schmal, oder gar nicht vorhanden. Diese spektakuläre Trasse in nahezu senkrechtem Fels war früher ein Säumerpfad zwischen dem Allgäu und dem Lechtal, bis sie am Ende des Zweiten Weltkriegs von der SS gesprengt wurde, damit die anrückenden Alliierten sie nicht nutzen konnten. Seither ist der ausgesetzte Trail so schmal, daß man sein Bike auf der linken Seite schultern muß, sonst hätte man nicht genug Platz zum Gehen und würde Gefahr laufen, den Steilhang runter zu rutschen. Ich sitze also da, während Ro sein Rad an sicherer Stelle positioniert, zurückkommt, um dann mein Rad rüber zu schaffen. Ich werde schon etwas mutlos, weil natürlich alle folgenden Radler, die an mir vorbeikommen, ihr Rad selber rüber bringen. Allesamt junge Kerle, und nicht wenige. Aber wenn ich jetzt, am Anfang schon so schwächel, komme ich doch nie über die Alpen ...!? Ich bin ganz traurig, und denke, dieses Unternehmen war wohl doch eine Nummer zu groß für mich ...!? Die Jungs sind sehr freundlich, verständnisvoll und auch hilfsbereit. Keiner lächelt verächtlich über mich, im Gegenteil erfahre ich sogar Bewunderung. Die Welt der Bergfreunde und Radler ist eben eine absolut kameradschaftliche. Zum Glück sind diese ausgesetzten Stellen bald überwunden, und ich kann mein Rad wieder selber schieben oder tragen. Kurz oberhalb von "Lechleiten" können wir uns wieder auf den Sattel schwingen, und ab geht's in rasender Geschwindigkeit auf der Straße hinab ins Tal. Doch die angenehme Abfahrt ist tückisch. Auf der anderen Seite nämlich wartet natürlich schon wieder ein schweißtreibender Ansteig, hinauf nach "Warth". Ich kenne den Ort vom Ski-Fahren. Im Sommer sieht das hier aber völlig anders aus. So gegen 12.45 Uhr kommen wir dort an und machen erst mal Pause. Auch hier treffen wir wieder eine Gruppe Mountainbiker. Männer, Jungs, keine Frauen. Ich komme mir schon vor, wie ein exotisches Tierchen. Hier brennt die Sonne heiß auf uns nieder, und ich fühle mich dabei pudelwohl. Wir trinken viel und futtern haufenweise Bananen und Müsliriegel, damit uns die Kräfte nicht verlassen. Von "Warth" geht's weiter auf der Straße durch "Lech" Richtung "Freiburger Hütte", unser erstes Übernachtungsziel. Nicht steil, aber stetig bergauf zieht sich die wenig befahrene Straße und schlängelt sich kurvig durch die Berge. Aber je höher wir kommen, desto steiler wird's dann doch. Verträumt radle ich im niedrigsten Gang, mit 4 km/h, recht gemächlich durch die herrliche Landschaft, als mich plötzlich von hinten ein sportlicher, junger Radler am Rücken haltend den Berg hoch schiebt - leider nur für einen kurzen Moment! Lachend unterhalten wir uns, bis er wieder "Gas gibt" und die Steigung hinauf "wegdüst" - unglaublich!
Unterhalb der Hütte kommen wir an den wunderschönen "Formarinsee". Hier weiden Kühe überall, auch Pferde, und sogar ein einsamer Esel steht am Wegesrand. Der letzte Kilometer zur Hütte hoch ist noch mal recht knackig und anstrengend. Der Weg ist geschottert, und stellenweise sehr steil. Puh, 15.45 Uhr, ich hab's geschafft. Ro ist ja immer schon vor mir da. Er checkt das ab mit der Übernachtung, bestellt Apfelsaftschorle, Kaffee und Kuchen, während ich mich völlig entkräftet, aber total glücklich in die Sonne werfe. Es ist heiß, wir sind am ersten Etappenziel, und es geht uns gut, sau-gut!!! Kaffee und Kuchen haben wir uns jetzt echt verdient. Die Hütte ist ziemlich voll. Hier sehe ich auch die erste Frau - also die erste, die auch mit dem Mountainbike unterwegs ist. Ich denke, auf 20 Männer kommt eine Frau ...! Da Ro vorreserviert hat, können wir gleich zwei Plätze im Matratzenlager beziehen. Duschen sind zwar vorhanden, aber es kommt nur kaltes Wasser. Na, kalt duschen bringe ich dann doch nicht fertig, wasche ich mich eben mit kaltem Wasser am Waschbecken. Abends stürzen wir uns auf die "Futterkrippe" wie die Verhungernden. Ich verzehre eine große Portion Spaghetti, weil's schmeckt und wegen der notwendigen Kohlenhydrate. Weil das natürlich nicht reicht, gibt es dazu noch eine kräftige Suppe und Salat. Nach einem kurzen Verdauungsspaziergang hält es mich nicht mehr lange auf den Beinen, und ich kippe auf mein Lager und schlafe wie ein Stein.
Höhenmeter: | 1'600 m |
Strecke: | 48 km.52 |
AVS: | 9.9 km/h (Durchschnittsgeschwindigkeit) |
Fahrzeit: | 4.52 h |