Teil 4
2006-07-29 Die Gegend von Lom enthält die beiden höchsten Berge Norwegens, Galdhøpiggen und Glittertind. Das Sognefjell ist der höchste Paß in Nordeuropa. Von Lom aus hatten wir ein Flußtal, dem wir folgten und das langsam immer steiler wurde. Auf der konnten wir diese hohen Berge sehen und natürlich waren auch viele kleinere und größere Gletscher sehen. Ziemlich weit oben, also schon lange oberhalb der Baumgrenze, sollte es einen Zeltplatz geben. Der war so eine Kombination aus Hotel und Zeltplatz. Zum Servicehaus hatte man von den Zelten einen recht weiten Weg zu laufen, da wir auf der anderen Seite eines kleinen Sees unsere Zelte aufbauen sollten und einen kleinen Umweg über eine Brücke über den Fluß nehmen mußten. Aber es war natürlich schön, einmal wieder oberhalb der Baumgrenze zu zelten. Wie beim Friisveien schafften wir die Paßüberquerung nicht an einem Tag, obwohl wir schon bei ungefähr 360 m Höhe angefangen hatten.
2006-07-30 Mit dem Zeltplatz hatten wir ja eigentlich das Gefühl, schon ziemlich weit oben zu sein, weil es ja am vorigen Tag die ganze Zeit ziemlich steil bergauf gegangen war. Aber natürlich war das nicht so. Jetzt ging die Steigung noch weiter und nicht ganz untypisch für norwegische Fjellstraßen hatten wir nicht eine Paßhöhe, sondern im Hochland immer wieder Abfahrten und Anstiege. Der höchste Punkt, den wir dabei im Laufe des Tages überquerten, war etwa 1434 m hoch, aber die Höhenmeter waren natürlich viel mehr als die Differenz zu den 360 m in Lom. In der Nähe davon war sogar ein See, wo das Wasser flüssig, also nicht gefroren war, und zum Baden einlud.
Entsprechend war die Abfahrt auch zunächst immer wieder von Anstiegen unterbrochen. Dennoch mußten wir auf Meereshöhe herunter. Mit dem Tandem wurden die Felgen sehr schnell heiß und es war wieder nötig, die Felgen regelmäßig zu kühlen, was den Inhalt der einen oder anderen Wasserflasche in Anspruch nahm. Daß es jetzt stark regnete, nützte nicht viel, dazu war der Regen doch noch zu wenig. Außer wir fanden in seltenen Fällen eine Pfütze, wo man die Felgen kühlen konnte.
In Skolden waren wir schließlich an der Spitze des Sognefjords angekommen. Nun hatten wir die Wahl zwischen der Straße an der Südseite und an der Nordseite, was im Prinzip die nächsten Tage immer wieder die Wahlmöglichkeit bieten sollte. Auf der Südseite hätte man in Urnes eine schöne Stabkirche gesehen. Diese gilt als älteste Stabkirche in Norwegen und ist als einzige Stabkirche Weltkulturerbe geworden. Dafür aber eine Fähre mehr gehabt. Die Nordseite, die wir bevorzugten, entfernte sich für eine längere Strecke vom Fjord. Das führte uns nach dem großen Sognefjell gleich noch einmal über etwas höher gelegenes Gelände. Auf diesem Stück tauschte ich mit Bernhard einmal wieder und er übernahm das Tandem für einige Kilometer. Am Abend fanden wir einen Zeltplatz in Lyngmo an einem See, immer noch etwas oberhalb des Fjords.
2006-07-31 Wir wollten am nächsten Tag schon wieder weiterfahren. Leider waren Ruhetage noch nicht wieder aktuell, da unser Aufenthalt in Lom sich ja etwas verlängert hatte. In Sogndal suchten wir uns eine Bibliothek auf, so daß ich ein paar EMails lesen und schreiben konnte. Im Laufe des Tages wurde das Wetter wieder ziemlich gut. Wir kamen jetzt in die Gegend, wo der Fjord besonders tief und die Felswände an beiden Seiten besonders hoch und steil sind. Eigentlich war es ja eine gute Idee, einmal in dem schönen Wasser baden zu gehen. Das ist aber nicht immer so einfach, wie man es sich vorstellt. In den steileren Abschnitten liegt die Straße meist weit oberhalb des Wasserspiegels und es ist oft kein Platz, um die Fahrräder abzustellen oder es ist zu steil und zu gefährlich, zum Wasser herunterzuklettern. Alle paar Kilometer kommt eine Stelle, wo es etwas flacher wird. Dort ist dann aber in der Regel ein Ort oder Häuser oder ein Zeltplatz oder Landwirtschaft oder so etwas. In den Orten findet man auch oft Kaianlagen. Solche norwegischen Dörfer haben so ihren eigenen kleinen Hafen, wenn sie am Fjord liegen. Letztlich fand sich dann eine richtige Industriebadestelle, die aus einer verfallenen Kaianlage bestand. Man mußte beim Baden etwas aufpassen, sich nicht an den heraustretenden Baustählen zu verletzen. Wir trafen bei dieser Pause noch jemanden vom Vegvesen, der Behörde, die für den ganzen Straßenbau und die ganzen Fahradverbote zuständig ist, der sogar mit dem Fahrrad unterwegs war. Er meinte, daß die Fahrradverbote ja nur selten seien und nur für lange Tunnel. Nun ja, so ein langer Tunnel lag nun genau auf unserem Weg und war im Gegensatz zu anderen ähnlichen Fällen keineswegs umfahrbar, außer mit 100 km Umweg nach Norden, was für uns zeitlich allerdings gar nicht mehr machbar war. So amüsierten wir uns über die absurden Verbote und zufällig war noch jemand von der Polizei bei dem Rastplatz, der vielleicht nicht verstand, was wir sagten, vielleicht auch doch, jedenfalls mußte er mitlachen.
Am späten Nachmittag kamen wir nach Helle, wo ein mächtiger Seitenarm des Sognefjords nach Norden abzweigt, der sich nicht umfahren läßt. So mußten wir eine Fähre benutzen, die uns nach Dragsvik brachte. Den nächsten Fjordarm, der allerdings deutlich kleiner war, mußten wir doch noch umrunden und so kamen wir abends nach Balestrand. Den Ort durchquerten wir noch und wollten uns eigentlich eine schöne Übernachtungsstelle suchen. Nun zeichnete sich aber ab, daß wir hier immer noch in der steilen Gegend waren, wo es nur wenige flache Stellen gab, die alle schon durch Privatgrundstücke besetzt waren, was sich nach einem Gespräch mit ein paar einheimischen Wanderern noch bestätigte. So bevorzugten wir es, nach Balestrand auf den Zeltplatz zu gehen.
2006-08-01 Wie erwartet waren auf den nächsten 30 km die Fjordwände noch sehr steil. Dann kamen wir langsam in Bereiche, wo die Ufer des Fjords flacher wurden und die Berge etwas niedriger. Jetzt kam der 7.8 km lange Høyanger-Tunnel. Wir legten eine Reihenfolge fest und fuhren mit einer Geschwindigkeit, die wir alle gut halten konnten, zusammen durch den Tunnel. Es ging sehr gut. Wir hatten eine leichte Steigung, aber die fiel kaum ins Gewicht, weil sich der Höhenunterschied auf so eine lange Strecke verteilte. Auf der anderen Seite war der Ort Høyanger, der damals noch eine große Aluminiumfabrik hatte. In früheren Jahren lohnte es sich, die elektrizitätsintensive Aluminiumproduktion in Norwegen zu machen, wo viel billiger Strom aus Wasserkraft gewonnen wird. Heute hat sich die Lage aber geändert, weil es leistungsfähige Leitungen zwischen Skandinavien und Mitteleuropa gibt. So kann die Elektrizität verkauft werden, was in Norwegen die Strompreise drastisch erhöht hat, dafür aber in Mitteleuropa vielleicht den Bau des einen oder anderen Kohlekraftwerks überflüssig gemacht hat. Nun kann man in Høyanger aber nicht mehr so billig Aluminium produzieren wie früher. Vielleicht wurden auch staatliche Auflagen nicht erfüllt. Die Fabrik ist inzwischen stillgelegt worden.
Teils weil ja das ganze skandinavische Hochgebirge quasi auf einem schrägen Grund steht, der auf der norwegischen Seite an den Meeresboden anschließt, aber vor allem, weil wir den Kernbereich des Gebirges langsam verließen und in die Mittelgebirgszone am Rande kamen. An diesem Tag hatten wir strahlenden Sonnenschein und jetzt fuhren wir durch eine Landschaft, die sich fast mediterran anfühlte, jedenfalls bei dem Wetter. Wir hatten Nadelbüsche neben der Straße und natürlich meistens eine schöne Aussicht auf den Fjord. Am Abend hatten wir uns einige schöne Zeltplätze in der Nähe von Lavik ausgesucht. Den ersten davon wollten wir ansteuern. Wie schon so oft in Norwegen stellte sich heraus, daß die Zeltplätze gar nicht existierten. Der einzige, der noch da war, hatte sich ganz auf Hütten spezialisiert. Es hing am Eingang eine Telefonnummer und man sagte uns ganz klar, daß man an Zelten überhaupt kein Interesse mehr habe. So fuhren wir weiter bis in den Ort Lavik. Im Ort selbst gab es auch nicht so gute Möglichkeiten. Aber die E 39 von Trondheim nach Bergen überquerte hier mit einer Fähre den Fjord und weiter westlich kamen wir dann in eine ruhigere Gegend. Dort konnten wir auf einer Wiese zelten, die etwas abgelegen war, nachdem wir bei dem nächstgelegenen Haus gefragt hatten, ob wir deren Sicht mit unseren Zelten belegen dürfen.
2006-08-02 Das letzte Stück führte weiter an der Nordseite des Fjords entlang. Hier waren die Berge jetzt wirklich schon flacher und es war eine völlig anderen Landschaft als vor dem Høyanger-Tunnel. Wir umrundeten in Leirvik einen weiteren Fjordarm und hatten wirklich das Gefühl, uns am Ende der Welt zu bewegen. Ein paar Kilometer später endete dann die Straße bei Rysjedalsvika an einer Fähranlegestelle. Man kann ja auf Sandwegen noch ein paar Kilometer weiter fahren, aber es war schon die westlichste Fähre über den Sognefjord. Im Gegensatz zu der E 39-Fähre von Lavik nach Oppedal fuhr sie auch nur einige Male am Tag, aber wir kamen doch noch rüber nach Rutledalen.
Auf der Südseite des Fjordes konnte man nach links abbiegen. Auch auf dem Südufer gab es eine Straße, wie diejenige auf dem Nordufer, die wir benutzt hatten. Nur ist diese Süduferstraße nicht ganz durchgehend und man muß längere Fährstrecken parallel zum Ufer einlegen, die nur alle zwei Tage bedient werden. Das ließ sich für uns nicht so leicht einrichten. Außerdem waren wir mit dem Nordufer mehr auf der Sonnenseite. Diesmal ließen wir also das Südufer einfach links liegen und fuhren auf der N 57 den Berg hoch, weg vom Fjord. Oben gab es noch einen Sandweg, der genau wie auf dem Nordufer auch noch ein paar Kilometer weiter an der Küste entlang zu einem letzten Dorf führen sollte. Diesen Teil des Südufers ließen wir rechts liegen. In einem kleinen Tal kamen wir langsam bergauf, bis zu einer Art Paßhöhe, was aber in dieser Gegend nicht mehr so hoch war wie weiter östlich. Auf der anderen Seite führte uns die Abfahrt an schönen Seen vorbei, die als Trinkwasserreservoir deklariert waren und deshalb Badeverbot hatten. Wir sind zum Glück nicht ins Wasser gefallen.
Bald kamen wir wieder an einen kleinen Fjordarm. Hier in der Gegend sind viele kleine Fjorde, Halbinseln, Inseln und Buchten, so daß man oft nicht sofort sieht, was jetzt Inseln und was Festland ist und wo ein See und wo ein Fjordarm ist. Aus der Nähe kann man normalerweise an der Ufervegetation erkennen, ob es Salzwasser oder Süßwasser ist. Durch diese Landschaft kamen wir jetzt, mal wurde ein Fjordarm mit einer Brücke überquert, mal fuhren wir hoch über dem Wasser oder näher dran oder auch mal ohne Blickkontakt zum Meer. Am späten Nachmittag regnete es plötzlich und wir konnten dabei einen der schönsten Regenbögen sehen. Abends kamen wir zum Zeltplatz Nautesund.