Schweden
SCHWEDEN
In Schweden habe ich den kürzesten Weg zwischen Näsfjällsasen an der norwegisch-schwedischen Grenze bei Särna und dem Fährhafen Grisslehamn genommen. Grisslehamn ist der den Åland-Inseln nächstgelegenen schwedische Fährhafen. Ich dachte, es wären ca. 350 km und zur Küste hin flach. So erlegte ich mir das Ziel auf, die Strecke in drei Tagen zu bewältigen. Es stellte sich jedoch heraus, daß es 480 km sind und es bis zur Küste hügelig ist. So wurden die drei Tage doch etwas anstrengender als erwartet.
Die Strecke führte somit über Asen, Älvdalen, Mora, Leksand, Falun, Hofors, Storvik, Arsunda, Söderfors, Tierp, Österbybruk, Hallstavik nach Grisslehamn.
Nachdem ich die Grenze zwischen bei Grundforsen (zwischen Østby und Fulunäs) überquert hatte, habe ich vergessen gleich in Grundforsen Geld zu tauschen. Der nächste Ort Fulunäs bestand dann nur aus drei Hütten. Und im darauffolgenden Sörsjön hatten alle Geschäfte wegen Mittagsruhe geschlossen.
Da habe ich mich dann auf den Weg nach Nasfjällsåsen gemacht. Das ist eine Ansammlung von Hütten in einem Wintersportgebiet etwa 8 km westlich von Sörsjön auf etwa 800 m Höhe. Diese 10 km waren wohl die anstrengendsten der ganzen Tour: erstens bestand der Weg aus Schotter, zweitens war der Schotter von Schneeraupen so festgefahren, daß eine panzerspurähnliche Querriffelung eingeprägt wurde und drittens ging es auf diesen 10 km ca. 500 Höhenmeter bergauf. Trotz Untersetzung und Imsattelsitzenbleiben bin ich öfters durchgerutscht. Das zehrte so an den Kräften, das ich in der 3/4 Stunde mehr Pausen machen mußte, als in den 4 Stunden vorher. Glücklicherweise schlug ich 2 km vor dem Ziel die richtige Richtung ein, obwohl auf dem dortigen Wegschild nur etwas von Näsfjällstuga und Näsfjället aber nichts von Näsfjällsåsen stand.
In Näsfjällsåsen habe ich dann Wolfgang, seine Freundin Sandra, ihren Bruder Gerald und dessen Freund Markus besucht. Sie waren bereits über zwei Wochen dort und verbrachten ihren Urlaub in einer dieser komfortabel eingerichteten Winterhütten. Einziges Manko daran war, daß sie für den Sommer keine Moskitonetze vor den Fenstern hatten und abends alles verriegelt werden mußte. Da die vier am übernächsten Tag nach meiner Ankunft abreisen mußten, blieb ich nur zwei Nächte dort. Aber zur Erholung reichte es allemal. Ich konnte essen ohne Ende und mich entspannen. Am freien Tag sind wir zum Fjätfallen, einem Wasserfall kurz vor der Mündung des Fjätälven in den Österdalälven, 2-3 km östlich von Särna, gefahren. Dieser erstreckt sich über mehrere Stufen über etwa 50 Meter Länge und 30-40 Meter Breite mit Strudeln und Wannen und kleineren Fällen. Aber das Beste daran war eigentlich die Wassertemperatur. Das hochsommerliche Wetter hatte das Wasser auf etwa 20 Grad aufgeheizt! Genau das richtige um einen Nachmittag drin zu planschen.
Am Tag drauf war großer Aufbruch, da Wolfgang, Sandra, Gerald und Markus abends die Fähre von Oslo nach Kiel erreichen mußten. Ich setzte mir als Tagesziel den Siljan-See. Auf den ersten 50 km durch Sörsjön, Nornäs, Lovnäs nach Hallstugan konnte ich noch einmal die mittelschwedische Gebirgsvegetation genießen: bemooste Steine, niedrig geratene Nadelbäume und auch Sumpflandschaft. Nach Hallstugan gab es eine erfrischende Abfahrt von ca. 6-8 km Länge.
Kurz vor Älvdalen hatte ich mich noch gefreut gut im Zeitplan zu liegen, mitten in Älvdalen gab es dann den ersten von drei Platten auf der Tour. Hier hat mich der Schlauchwechsel noch fast 60 Minuten gekostet, da ich mit den zwei Unterlegscheiben auf der Zahnkranzseite durcheinanderkam (gehörten sie beide nach innen oder nicht). Unerwartet hügelig war dann auch die Strecke am Österdalälven entlang von Hallstugan über Älvdalen bis nach Mora am Siljan-See. Nach dem Ruhetag (vollster Magen), dem Platten und den Bergen hatte ich dann nach 135 km keine Lust mehr und kehrte auf dem Campingplatz in Sollerön, einer Insel im Siljan-See, ein. Hier konnte man mal wieder herrlich baden. Hier traf ich Andrea, eine alleinradelnde Studentin aus Münster. Sie war in Trelleborg in Schweden gestartet und war in gemütlicheren Etappen soweit nach Norden gelangt. Mit einem Plüsch-Elch vor der Lenkertasche hat sie die Elche hervorgelockt, die ich nie zu Gesicht bekam. Schade, daß sie in Gegenrichtung unterwegs war. Über einen Radelpartner und sei es nur für einen halben Tag hätte ich mich gefreut.
Am nächsten Morgen traf ich nach 20 km ein radelndes Paar aus Österreich, die mit dem Wohnmobil angereist waren, daß sie irgendwo stehen gelassen hatten (sie wollten den Siljan umrunden). Auf einer verkehrsarmen, als geteert eingezeichneten Route (von Insjön über Rexbo nach Smedsbo) wollte ich von Leksand nach Falun gelangen. Die Strecke war sogar mit dem Radwegweiser Sverigeleden versehen. Aber die Strecke stellte sich als Schotterstrecke heraus (an einigen Stellen schimmerte noch Teer durch, aber der muß wohl vor 50 Jahren gelegt worden sein). Das einzig positive an dieser Strecke waren zwei schöne Seen, die zum Baden einluden. Die Autos schienen hier mit ungeheuerlichen Geschwindigkeiten zu fahren: Steine flogen durch die Luft und Staub wurde hochgewirbelt.
Aus den Bergen fuhr ich nach Falun hinunter, das am nordwestlichen Ende vom Runn-See liegt. Über der Stadt ragen zwei riesig wirkende Skisprungschanzen in die Luft. In der hochsommerlichen Hitze hatte Falun aber nicht viel zu bieten. Glücklicherweise fand ich an diesem Sonntag einen offenen Supermarkt und konnte mal wieder meine Trinkflaschen auffüllen. Aus Falun war es schwierig herauszukommen, da ähnlich wie in Moss in Norwegen auf der Hauptstraße das Radeln verboten war, und die Radwege weit entfernt von diesen Straßen und ohne Beschilderung geführt wurden.
Nach dem Drama mit der Schotterstrecke vor Falun hatte ich genug von den als geteert gekennzeichneten Nebenstrecken und bin auf der Hauptstraße weiter nach Hofors und Storvik gefahren. Unterwegs ist mir eine schwedische Familie auf zwei vollbepackten Tandems entgegengekommen. Einige Kilometer hinter Falun bekam ich das erste Mal seit Elverum wieder größere landwirtschaftlich genutzte Flächen zu sehen. Ich hatte also das Hochland verlassen. In Storvik kurz vor Sandviken bin ich dann rechts abgebogen, um zum Campingplatz in Arsunda am Storsjön-See zu gelangen. Hier roch es im Wald sehr fruchtig, aber statt herauszufinden was es war, war mein Interesse größer endlich den Campingplatz zu erreichen, denn ich hatte schon über 150 km in den Beinen und der Abend näherte sich.
Auf dem Campingplatz waren keine anderen Radler, ein autofahrendes Paar aus Thüringen war im Zelt gegenüber. Auch dieser See war ein ausgiebiges, erfrischendes Bad wert und danach konnte ich noch einen bezaubernden Sonnenuntergang über dem See fotografieren. Auf der dritten Etappe in Schweden hatte ich mich mal wieder mit der Entfernung verschätzt: statt der erwarteten ca. 125 km waren es 174 km (warum hat die Karte auch in der Mitte der Etappe eine Faltung?). Und anstatt, daß es flacher wurde, blieb es so hügelig. Um auf kürzestem Weg nach Grisslehamn zu kommen, mußte ich wieder auf kleinere Straßen ausweichen, die aber glücklicherweise alle in gutem Zustand waren. In der Mittagszeit kam ich bei Söderfors über den Dalälven, der hier eine Breite von mehreren hundert Metern hat und sich in zahlreichen Seitenarmen verästelt, auf denen man sehr schön Kanu fahren kann. Nach etlichen weiteren Dörfern und hier inzwischen viel Landwirtschaft erwischte mich bei Pettbol ca. 30 km vor dem Tagesziel in Bergby der zweite Platten. Da ich bereits 150 km intus hatte und es schon kurz vor 19 Uhr war, habe ich mich mit mehrfachen Nachpumpen bis Bergby durchgeschlagen. Alle 3 bis 4 km war Pumpen angesagt, insgesamt ca. 10 mal. Bei dem Schlauchwechsel am nächsten Morgen stellte ich dann fest, daß das Loch an einem Flicken war - ich hatte also den Schlauch, den ich in Älvdalen eingesetzt hatte, nicht richtig geflickt.
Kurz vor Bergby in Häverö habe ich mich an der Tankstelle mit reichlich Schokolade versorgt, damit ich die auf dieser Tagesetappe verbrauchte Energie mir wieder anessen konnte. Da auf dem Campingplatz und an der Rezeption im benachbarten Hotel niemand da war, ließ ich mich einfach irgendwo auf dem Campingplatz nieder. Hier waren nur schwedische Wohnwagen und selbst mit Englisch haperte hier die Kontaktaufnahme.
Am nächsten Morgen ging es nach ca. 5 km mit der Fähre über den Ortalaviken zur Insel Väddö. Nach weiteren ca. 10 km war ich endlich in Grisslehamn. Praktischerweise fuhr die nächste Fähre zu den ÅlandInseln ca. 30 Minuten nach meiner Ankunft. Sie fährt im Sommer fünfmal am Tag und kostete mich ca. 10 DM. Das Rad mußte ich hier mittschiffs neben den Autos an der Außenwand abstellen.
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