Polen
POLEN
Auf der polnischen Seite der Grenze kam mir ein deutscher Radler entgegen, den ich fragte, ob er einem radelnden Paar (nämlich Richard und Nicki) begegnet wäre. Als er daraufhin erwiderte, daß ihm gerade vor 2 km ein Paar entgegengekommen war, habe ich versucht sie einzuholen. Aber bis zur Stadtgrenze des nächsten Ortes Sejny gelang mir das nicht. In Sejny sah ich dann zwei bepackte Räder vor einer Bar stehen und wußte gleich, daß es nicht Richard und Nicki waren. Es waren Maria und Uwe aus Berlin, die ein bißchen durch Litauen und Masuren tourten. Da ich aufgrund der zusätzlichen Stunde durch den Grenzübertritt früh dran war, blieb ich noch länger in der Bar. Wie ich erst Wochen später erfuhr, waren Richard und Nicki nur einige Hundert Meter entfernt in einem Hotel.
Gegen 15 Uhr machte ich mich auf den Weg nach Augustów, der durch die Augustówer Puszta führte. Das ging etwa 35 km durch den Wald und war ziemlich flach und ließ sich daher sehr gut beradeln. Kurz vor 18 Uhr erreichte ich Augustów. Da gerade Feiertag war, hatten nur wenige Geschäfte geöffnet - insbesondere keine Banken. Zum Glück hatte ich an der Grenze schon etwas Geld getauscht. Dann fuhr ich zum Campingplatz, der etwas nördlich an der Straße nach Suwalki liegt. Dieser gehört zum Hotel Hettmann und warme Duschen konnte man im Hotel benutzen. Dort traf ich Carola und Klemens aus Berlin, die bereits seit zwei Wochen durch Masuren radelten. Lustig war auch der Platzwart, mit dem ich mich auf Spanisch verständigen konnte. Hier machte ich auch Bekanntschaft mit polnischer Pizza: weiches Weißbrot, belegt mit Pilzen aus der Dose, mit ein paar Fitzelchen Käse garniert, mit Ketchup aus der Plastikflasche und gebacken in der Mikrowelle. Junkfood at its best.
Für den nächsten Tag hatte ich mir Mragowo (Sensburg) als Ziel gesetzt. In Augustów wollte ich jedoch zunächst noch einen Reisecheque einwechseln. Dazu schickte man mich von einer Bank zur anderen, nichtmal die PKO wollten die - aber zuguterletzt schickte man mich zu Orbis, wo es problemlos ging. Auf halber Strecke nach Elk (Lyck) traf ich zwei Berlinerinnen (Claudia und Colette), die den Nachtzug von Stettin nach Elk (Lyck) genommen hatten (nur 60 DM) und nach Litauen wollten.
Auch Masuren erwies sich als recht hügelig. Wie sollte es denn auch anders sein, wenn es so viele Seen gibt, die nicht abfließen können? So war ich abends recht früh k.o. und entschied bereits in Mikolajki (Nikolaiken) zu übernachten. In Masuren waren sehr viele deutsche Touristen - vor allen Dingen Wessis und viele ältere Menschen. Es waren stellenweise soviele, daß auf den Straßen mehr Autos mit deutschen als mit polnischen Kennzeichen unterwegs waren.
So war auch Mikolajki (Nikolaiken) ein richtiges Touristenzentrum. Die Geschäfte sind teilweise nur in Deutsch beschriftet (Silberschmuck, Bernstein) das erinnerte mich Rothenburg, wo japanische Schriftzüge die Schaufenster zieren. In Mikolajki traf ich Katharina und Reinhold, zwei bahnreisende Geschichtstudenten aus Hannover, neben deren Zelt ich dann meines aufschlug. Abends spielten wir noch 2 Runden Billard, dann ging ich hundemüde ins Bett.
Von Mikolajki aus wollte ich meinen Rückstand wieder aufholen und visierte Ilawa (Deutsch Eylau) an, aber mir kam wieder etwas in die Quere. Aber der Reihe nach: erstmal Mragowo (Sensburg), eine kleine Industriestadt scheint mir -- hier fuhren die Touris nur durch - ebenso wie der Bus aus Bad Lippspringe, meinem Wohnort, der mich hier überholte.
Nachmittags erreichte ich Olsztyn (Allenstein), das eine schöne Altstadt besitzt. Als ich dort in einem Cafe meinen Tortenappetit abbauen wollte, fand ich keinen freien Tisch. Dann fragte ich zwei Mädchen, auf deren Tisch ein deutschsprachiger Reiseführer lag. Als ich sagte, ich komme aus Paderborn mußten die beiden lachen, denn eine von den beiden kam ebenfalls aus Paderborn. Sie studierte jedoch (mit der anderen) Medizin in Münster.
Als ich wieder losfahren wollte, untersuchte ich mein Hinterrad. Es hatte sich auf dem Kopfsteinpflaster in Olsztyn (Allenstein) etwas komisch verhalten. Da entdeckte ich, daß das zweite Speichenloch an der Felge auszureißen begann. Nach reiflicher Überlegung kam ich zu dem Schluß nur noch etwa 30 km bis Ostroda (Osterode) zu radeln und dort abends während der eingesparten Zeit, die Felge zu wechseln. Ich hatte ja die Ersatzfelge aus Riga noch dabei.
Unterwegs traf ich mal wieder zwei Berliner Radler (scheinbar kommen alle Radler in Masuren aus Berlin, dies waren ja jetzt Nummer 7 und 8), die in Berlin zwei Wochen zuvor aufgebrochen waren. In Ostroda (Osterode) auf dem Campingplatz traf ich Imke und Donate aus Hannover, die bereits seit zwei Tagen dort waren. Sie waren mit der Bahn hier angekommen und gleich in der ersten Nacht wurde ihnen eins ihrer beiden Räder gestohlen (natürlich dasjenige, das nur mit einem Drahtseilschloß gesichert war). Daher bestanden die Platzbesitzer jetzt darauf, daß die Räder abends eingeschlossen werden. Während ich die Felge umspeichte, leisteten Imke und Donate mir Gesellschaft und schmissen sogar meinen Kocher in Gang. Das Umspeichen klappte bis zum Dunkelwerden, das Zentrieren verlegte ich auf den nächsten Morgen.
An diesem Morgen wollte es nicht aufhören zu regnen, wie den ganzen Tag nicht. So kam es, daß ich an diesem Tag wieder nicht mein gestecktes Ziel (Swiecie (Schwetz) an der Weichsel) erreichen konnte. Dazu kam, daß die Straße von Ostroda (Osterode) nach Ilawa (Deutsch Eylau) gesperrt war und ich der Umleitung nach Lubawa (Löbau) folgte. Nach drei Stunden Regenradelei auf einer nicht allzubreiten vielbefahrenen Straße habe ich dort in einer Tankstelle pausiert und mir überlegt, wie weit ich es wohl noch schaffe. Mein ursprüngliches Tagesziel war noch etwa 60 km weit weg. Aber aufgrund der Besorgnis, daß ich auskühle und mich gar erkälte, entschloß ich mich statt in westlicher Richtung gen Südwesten nach Brodnica zu radeln, das nur noch 30 km entfernt war. Da dort der Campingplatz leer war, außer einem Hund vor der Wohnung des Platzwartes schien niemand anwesend zu sein, nahm ich mir ein Zimmer in einem Hotel und machte mir einen gemütlichen langen Abend.
Am nächsten Tag konnte ich endlich mal wieder mein gestecktes Tagesziel erreichen. Über die beiden großen Städte Torun (Thorn) und Bydgoszcz (Bromberg) ging es nach Naklo nad Notecia (Nakel). Auf den vielbefahrenen Straßen machte das Radeln nicht besonders viel Spaß, aber Toruns Altstadt war sehenswert.
Von Torun (Thorn) aus ging es nach ca. 30 km über die Wisla, die Weichsel, über eine Brücke, die gleichzeitig als Eisenbahnbrücke diente. Bydgoszcz war industrieller und die Fußgängerzone war längst nicht so groß wie in Torun. Zwei Stunden später war ich in Naklo, wo mir eine freundliche Lebensmittelverkäuferin eine nette kleine Privatpension etwa 2 km nördlich vom Zentrum empfahl. Wie ich später von Richard und Nicki hörte, übernachteten sie hier im Bahnhofshotel. Von Naklo folgte ich der Notec (Netze) für über 100 km. Hier war es sehr ländlich: viele Wald- und Feuchtgebiete. Auf den Straßen wimmelte es streckenweise von Fröschen. Kein Wunder, daß es hier so viele Störche gibt. Durch kleinere Städte wie Chodziez (Kolmar), Czarnkow (Czarnikau) und Wielen (Filehne) kam ich nach Krzyz (Kreuz), wo mich mein preiswertester Campingplatz erwartete. Für nur 25'000 Zloty (ca. 1.80 DM) gab es hier sogar eine heiße Dusche.
Von Krzyz folgte ich weiter der Notec, die dann kurz vor Gorzow (Landsberg) in die Warta (Warthe) mündete. Gorzow erwies sich für mich als die Stadt mit dem schlechtesten Straßenbelag auf der ganzen Tour. Es kam mir noch schlimmer vor als Riga oder Vilnius. Nach etwa 100 km erreichte ich Kostrzyn (Küstrin) und war kurz danach nach 31 Tagen wieder in Deutschland.
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